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Lassan - Laßberg.
(Berl. 1859), ein Werk voll kühner, genialer Gedanken trotz aller Schwächen in ästhetischer und formaler Beziehung und von hohem Interesse durch die deutschnationale Gesinnung des Dichters, eines begeisterten Anhängers des deutschen Einheitsstaats. Diese Gesinnung tritt noch stärker hervor in der während des italienischen Kriegs erschienenen Broschüre "Der italienische Krieg und die Aufgabe Preußens" (Berl. 1859), in welcher er die preußische Neutralität Frankreich gegenüber billigte, aber riet, Preußen solle den günstigen Augenblick der Beschäftigung seiner Gegner benutzen, gegen Dänemark vorgehen, um Schleswig-Holstein zu erobern, den Dualismus in Deutschland beseitigen und die deutschen Stämme mit Ausschluß Österreichs unter einer nationalen demokratischen Regierung einigen, ebenso in der Abhandlung "Fichtes politisches Vermächtnis und die neueste Gegenwart" (in Walesrodes "Demokratischen Studien", Hamb. 1860) und in seiner Festrede auf Fichte 19. Mai 1862: "Die Philosophie Fichtes und die Bedeutung des deutschen Volksgeistes" (Berl. 1862), in denen er als die höchste und wichtigste Aufgabe der Gegenwart die Herstellung eines deutschen Einheitsstaats unter Preußens Führung bezeichnete und die Frage der Freiheit hinter die der Einheit stellte. Im März 1862 erschien als eignes Buch eine Kritik der Julian Schmidtschen Litteraturgeschichte, zu dem auch der L. nahe befreundete Lothar Bucher als "Das Setzerweib" Beiträge geliefert hat ("Herr Julian Schmidt, der Litterarhistoriker", Berl. 1862). In der Konfliktszeit versuchte L. die Fortschrittspartei zum passiven Widerstand, zur Niederlegung des Mandats in Masse, zu bewegen und hielt auch in diesem Sinn öffentliche Vorträge: "Über Verfassungswesen" (Berl. 1862), "Was nun?" (das. 1862). Da die Fortschrittspartei diese Politik verwarf, glaubte L. die Zeit gekommen, eine eigne demokratische Partei bilden zu können. Er versprach sich einen Erfolg aber nur bei einem Programm, das zugleich Vorschläge über die Lösung der sozialen Frage enthielte. Zu diesem Zweck hielt er 12. April 1862 in einer großen Arbeiterversammlung einen Vortrag: "Über den besondern Zusammenhang der gegenwärtigen Geschichtsperiode mit der Idee des Arbeiterstandes" (gedruckt u. d. T.: "Arbeiterprogramm", Berl. 1862). Auf Grund dieses Vortrags wurde L. wegen Gefährdung des öffentlichen Friedens durch öffentliche Anreizung der Angehörigen des Staats zum Haß gegeneinander angeklagt und 16. Jan. 1863 zu vier Monaten Gefängnis verurteilt, aber in zweiter Instanz freigesprochen. Anläßlich dieses Prozesses veröffentlichte L. folgende Schriften: seine Verteidigungsrede "Die Wissenschaft und die Arbeiter" (Zürich 1863), "Der Lassallesche Kriminalprozeß" (das. 1863), "Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen" (das. 1863). Sein Auftreten für die Arbeiterklasse veranlaßte 10. Febr. 1863 ein Arbeiterkomitee in Leipzig, welches damals einen allgemeinen deutschen Arbeiterkongreß berufen wollte, sich an L. zu wenden und seine Ansicht über den Kongreß und über die Arbeiterfrage zu erbitten. L. antwortete nach 14 Tagen in einer Broschüre: "Offenes Antwortschreiben an das Zentralkomitee etc." (Zürich 1863), in welcher er sein sozialistisches Programm entwickelte. Er riet dem Komitee, dies Programm, dessen Hauptpunkt die Gründung von Produktivgenossenschaften mit Hilfe des Staatskredits war, anzunehmen, den Kongreß nicht zu halten, aber einen allgemeinen deutschen Arbeiterverein zu gründen, der sich zunächst nur die eine Aufgabe stelle, für das allgemeine gleiche direkte Wahlrecht mit geheimer Abstimmung zu agitieren, um, wenn dies erreicht sei, mit Hilfe des Stimmrechts die Macht im Staat für den Arbeiterstand zu erlangen und dann das sozialistische Programm durchzuführen. Das Komitee folgte dem Rat, L. wurde von ihm veranlaßt, in Leipzig 16. April (Lassalles Rede "Zur Arbeiterfrage"), in Frankfurt 17. und 19. Mai ("Arbeiterlesebuch", Frankf. a. M.) und andern Orten zu sprechen, am 23. Mai 1863 wurde der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein in Leipzig mit etwa 600 Mitgliedern gegründet und L. zum Präsidenten gewählt. In dieser Stellung entfaltete er eine umfassende agitatorische Thätigkeit, aber seine Erfolge waren sehr gering. Kaum einige tausend Arbeiter gelang es ihm zu gewinnen. Sein Hauptkampf war gegen Bourgeoisie und Liberalismus gerichtet. Dieser Kampf verwickelte. L. in eine Reihe von Kriminalprozessen, schließlich sogar in einen Hochverratsprozeß auf Grund einer gedruckten Ansprache: "An die Arbeiter Berlins" (Berl. 1863), in welcher er ausführte, daß die oktroyierte preußische Verfassung nicht zu Recht bestehe, und die Arbeiter aufforderte, in den Verein zu treten, um diese Verfassung zu stürzen. Er wurde in diesem Prozeß 12. März 1864 freigesprochen, aber in andern verurteilt. Die Agitation hatte Lassalles Gesundheit zerrüttet. Zur Stärkung derselben ging er, nachdem er noch im Mai 1864 am Rhein in den ihm ergebenen Arbeiterdistrikten einen Triumphzug gehalten, im Juni 1864 nach der Schweiz. L. traf dort mit Helene v. Dönniges, der Tochter eines bayrischen Diplomaten, zusammen, welche, ihm selbst schon von früher her bekannt, damals mit einem Walachen, Janko von Rakowitz, verlobt war. Sein Verhältnis zu dieser Dame führte zu einem Pistolenduell zwischen L. und Rakowitz in Genf 28. Aug. 1864, in welchem L. tödlich verwundet wurde. Er starb 31. Aug. 1864. - Außer den erwähnten Agitationsschriften erschienen noch: "Macht und Recht" (Zürich 1863); "Die Feste, die Presse und der Frankfurter Abgeordnetentag" (Düsseld. 1863); "Der Hochverratsprozeß wider Ferdinand L. etc." (Berl. 1864); "Die Agitation des allgemeinen deutschen Arbeitervereins" etc.; Lassalles letzte Rede (das. 1864) und Lassalles letztes wissenschaftliches Werk: "Herr Bastiat-Schulze von Delitzsch, der ökonomische Julian, oder Kapital und Arbeit" (das. 1864), eine Polemik gegen die manchesterlichen Anschauungen über die soziale Frage und der Versuch, seinen sozialistischen Standpunkt wissenschaftlich zu begründen. Vgl. B. Becker, Geschichte der Arbeiteragitation F. Lassalles (Braunschw. 1874); G. Brandes, Ferdinand L. (Berl. 1877); A. Aaberg, Ferdinand L. (Leipz. 1883); E. v. Plener, L. (das. 1884).
Lassan, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Stralsund, Kreis Greifswald, an der Peene, hat Fischfang, Fischhandel und Räucherei, eine Dampfschneidemühle, Möbeltischlerei und (1885) 2342 evang. Einwohner.
Laßberg, Joseph, Freiherr von, Altertumsforscher und Litterarhistoriker, geb. 10. April 1770 zu Donaueschingen, ward 1804 Landesforstmeister und Geheimrat des Fürsten von Fürstenberg, gab aber 1817 diese Stellung wieder auf und lebte seitdem auf seinem Landsitz zu Eppishausen im Thurgau, seit 1838 auf Schloß Meersburg am Bodensee ausschließlich dem Studium der altdeutschen Litteratur. Er starb 15. März 1855 daselbst. L. war im Besitz ansehnlicher Sammlungen für deutsche Altertümer und altdeutsche Litteratur (jetzt in Donaueschingen befindlich), deren Schätze (darunter besonders wertvolle Handschriften) zahlreiche Verehrer und Forscher