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Leinwand (Handelssorten, Prüfung, Produktion).
die von Ländern oder Städten abgeleiteten Namen zeigen nur Qualitätsunterschiede an, aber nicht die Herkunft. So wird "irländische" L. auf dem Kontinent, "Osnabrücker" in England, "Bielefelder" und "holländische" in Böhmen und Schlesien fabriziert. Irland besonders ahmt viele deutsche, französische und holländische Sorten nach und bringt sie zu niedrigerm Preis, als es die Fabrikanten der Originale vermögen, namentlich auf den amerikanischen Markt. Von den deutschen Leinwandsorten stehen die westfälischen, sächsischen, schlesischen und böhmischen obenan, von erstern wieder die Bielefelder (dichte, egale, sehr dauerhafte, zum Teil auch sehr feine Gewebe) und Osnabrücker (meist stärkere und mittlere Sorten). Letztere gehen zum Teil nach Holland, werden dort gebleicht und appretiert und kommen dann als holländische Leinen auf den Markt. Über die in Hannover den Leinenhandel überwachenden Leggen s. d. Zu den leichten Leinwandgattungen gehören z. B. die schlesischen und böhmischen Schockleinen, die sogen. Futterleinen, welche stark appretiert werden u. ungebleicht (Franzleinen) oder schwarz, grau etc. gefärbt und moiriert (Moorleinen) vorkommen; das Starr- oder Steifleinen (Schetterleinen), welches aus grobem Garn sehr locker gewebt und mit Leim so stark appretiert wird, daß die Öffnungen des Gewebes dadurch ausgefüllt sind; die Glanzleinwand, ziemlich fein, lose gewebt, verschieden gefärbt, stark appretiert und auf einer Glänzmaschine geglänzt. Man fertigt auch farbig gestreifte, karierte und gegitterte L. als Kleiderstoff und zu andern Zwecken (Bettüberzügen), nimmt aber, wenn Farbestreifen in weiße L. eingewebt werden sollen, zu erstern sehr gewöhnlich Baumwollgarn, welches sich besser färbt als Leinengarn. Die feinsten Leinengewebe, Batist, Schleier und Linon, rechnet man gewöhnlich nicht zur L. Bezüglich des Unterschieds zwischen Handgespinst und Maschinengespinst hat Karmarsch festgestellt, daß L. aus demselben Flachs, von derselben Feinheit, in gleicher Weise gebleicht und gewebt und beim Gebrauch gleichmäßig in Anspruch genommen, in der Regel schneller zu Grunde geht, wenn dazu das Garn mit der Hand, als wenn es mit der Maschine gesponnen war. Diese Thatsache steht hauptsächlich mit der größern Gleichförmigkeit und Festigkeit des Maschinengarns im Zusammenhang, während anderseits freilich feststeht, daß L. aus Handgarn namentlich beim Waschen glänzender und glatter bleibt als solche aus Maschinengarn und auch nicht so starker Appretur bedarf; ferner, daß der fabrikmäßig dargestellten L. häufiger und leichter durch Mittel der Appretur ein Ansehen gegeben wird, welches sie viel besser erscheinen läßt, als sie in der That ist. Zur Prüfung der L. ist zunächst die Appretur vollständig zu entfernen und dann mittels eines Vergrößerungsglases (Fadenzähler) die Zahl der Fäden in einem bestimmten Raum zu zählen und ihre Beschaffenheit festzustellen. Die Unterscheidung von Flachs und Baumwolle gelingt sicher fast nur mit dem Mikroskop, von chemischen Prüfungen ist besonders die mit konzentrierter Schwefelsäure zu empfehlen. Man kocht das zu prüfende Stückchen L. in Wasser und spült es gut aus, um die Appretur vollständig zu entfernen; dann trocknet man es gut und taucht es bei gewöhnlicher Zimmerwärme zur Hälfte in die Säure. Je nach der Stärke des Gewebes zieht man es nach ½-2 Minuten heraus und bringt es sofort in viel reines Wasser. Durch vorsichtiges Bewegen kann man die Schwefelsäure auswaschen, am besten aber legt man die Probe einige Augenblicke in Sodalösung und wäscht dann vollständig in Wasser aus. Nach dem Trocknen fehlen die Baumwollfäden, so daß man dieselben ihrer Zahl nach bestimmen kann. Reines Baumwollgewebe wird sehr schnell von der Säure zerstört, aber auch reines Leinengewebe wird allmählich angegriffen; man bringe deshalb die Probe anfänglich nur kurze Zeit in die Säure und beobachte, ob die Einwirkung eine ganz gleichmäßige ist; die Baumwollfäden werden jedenfalls früher dünn und durchsichtig als die leinenen Fäden; durch abermaliges Eintauchen kann man dann die Baumwolle gänzlich zerstören, und nur, wenn durchaus alle Fäden zu gleicher Zeit zerfressen werden, war die L. rein. Für weiße Stoffe kann man die Anilinprobe anwenden. Man löst 1 g Fuchsin in 96 g Brennspiritus und taucht in die Lösung ein Läppchen Stoff von 100 mm Länge und 50 mm Breite, das an den Rändern ausgefasert ist. Wenn man das Läppchen sofort herausnimmt und in Salmiakgeist legt, verschwindet die Farbe von den Baumwollfransen, während die Leinenfasern gefärbt bleiben.
Die Handweberei ist im Deutschen Reich sehr allgemein verbreitet und größtenteils Hausindustrie; sie findet sich namentlich in der Lausitz, in Schlesien und Westfalen, dann auch in Hannover, im Regierungsbezirk Kassel, in Württemberg und Oberhessen. Die sich mehr und mehr ausbreitende Maschinenweberei ist besonders in Bielefeld, in den Regierungsbezirken Liegnitz, Breslau, Köln, in Neustadt (Regierungsbezirk Oppeln), Sebnitz und Kolmar vertreten. Das Deutsche Reich besaß 1875 in 608 Groß- und 127,323 Kleinbetrieben, also in 127,931 Betrieben, 2018 Handwebstühle, 8378 (1883: 9558) Kraftstühle und 2710 Jacquardstühle, also 13,106 (1883 ca. 15,000) Webstühle für die Erzeugung von Geweben aus Flachs, Hanf und Werg. In Österreich findet sich Handweberei besonders in Böhmen, Mähren und Schlesien; man zählte an 60,000 gewerbsmäßig gehende Handstühle, von denen über die Hälfte auf den Reichenberger Handelskammerbezirk und 9000 auf Mähren entfallen; von den 1728 Kraftstühlen stehen die meisten in Schlesien. Den größten Umfang hat die Maschinenweberei in Großbritannien, wo 1885: 49,987 Kraftstühle, nämlich 24,300 in Irland, 21,626 in Schottland und 4061 in England, in Thätigkeit waren. Die Hauptsitze dieser Industrie sind die Grafschaften Forfar und Fife in Schottland, Antrim und Armagh in Irland und York in England. Frankreich besaß 1873: 60,522 Handstühle u. 13,938 (1883: 28,821) Maschinenstühle, wovon etwa die Hälfte auf die Norddepartements (Lille, Valenciennes, Cambrai, Tourcoing und Merville) fällt. Rußland hat kolossale Hausindustrie, welche aber vorzüglich nur ordinäre und mittlere Sorten produziert. Im Fabrikbetrieb waren 1871: 11,460 Handstühle und 1883: 3000 Maschinenstühle in Thätigkeit. In den Niederlanden zählt man 1200 Kraftstühle, die meisten in Nordbrabant; Belgien, wo die Leinenindustrie an 350,000 Personen beschäftigt, produziert Leinenwaren besonders in den Provinzen Ost- u. Westflandern, Brabant, Hennegau u. Antwerpen. Der Glanzpunkt liegt in den hochfeinen Leinen, in welchen Belgien alle Staaten übertrifft, und deren Fabrikation besonders in Courtrai blüht. In der Ausfuhr verschiedener Leinengewebe macht Belgien sogar Großbritannien Konkurrenz. Die 4755 Kraftstühle finden sich hauptsächlich in Brüssel. In der Schweiz beschränkt sich die Leinweberei auf den Kanton Bern. Nähere Angaben finden sich in den statistischen Abschnitten der betreffenden Länderartikel. Der Handel mit Flachs-, Hanf- und Jutegeweben wertete in Tausenden Mark