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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Marser; Marsfeld; Marsgebirge; Marsgelb; Marsh

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Marser - Marsh.

Unter Konrad dem Friedfertigen von Burgund wiederhergestellt, ward es besondern Statthaltern unterstellt, die sich gegen Ende des 10. Jahrh. unter dem Titel Vicomtes von M. unabhängig machten. Die Vicomté wurde bald in eine Menge einzelner Teile zersplittert; die Bürger kauften dieselben nach und nach an sich, und M. wurde 1214 eine Republik. Als aber darauf Karl von Anjou, Ludwigs IX. von Frankreich Bruder, Graf von Provence wurde, unterwarf er sich M. 1423 eroberte und verwüstete Alfons V. von Aragonien die Stadt. René, Graf von Provence, baute sie wieder auf, und nach dem Tod seines Nachfolgers, des Grafen Karl von Maine, ward sie 1481 der Krone Frankreichs einverleibt. Sie verteidigte sich 1524 tapfer gegen den Connétable Karl von Bourbon und 1536 gegen Kaiser Karl V. Auf der Seite der katholischen Liga stehend, war sie die hartnäckigste unter allen französischen Städten. 1575 erfolgte endlich die Übergabe an Heinrich III., welche die Einwohner noch bis in die neueste Zeit jährlich durch eine Prozession feierten. Ludwig XIV. beraubte die Stadt 1660 ihrer Freiheiten, und M. war seitdem eine gewöhnliche See- und Handelsstadt. 1720 und 1721 litt es sehr durch die Pest, welche sich von einem Schiff aus in der Stadt verbreitete. In M. allein sollen damals 60,000 Menschen gestorben sein. In der ersten französischen Revolution war es durchaus republikanisch gesinnt. Die Hefe des Volkes und losgelassene Galeerensklaven bildeten jene Marseiller Föderierten, welche 1792 in Paris so viele Greuelthaten vollbrachten. 1793 erhob sich M. für die Girondisten, wurde aber mit Gewalt dem Schreckensregiment unterworfen. Der Handel der Stadt, welcher seitdem sehr gesunken war, hat in neuerer Zeit, besonders seit der Eroberung Algiers und der Vollendung des Suezkanals, einen großartigen Aufschwung genommen. Am 23. März 1871 kam es in M. auch zur Errichtung einer Kommune, welche die Vereinigten Staaten von Frankreich proklamierte, aber 4. April gestürzt wurde. M. ist der Geburtsort des Pytheas und Petronius sowie von A. Thiers. Vgl. Brückner, Historia rei publicae Massiliae (Götting. 1826); Teissier, Histoire du commerce de M. 1855-84 (1878 u. 1887); Mathieu, M., statistique et histoire (Mars. 1879); Saurel, M. et ses environs (Par. 1884).

Marser (lat. Marsi), 1) alte sabell. Völkerschaft in Samnium, in einer von den Bergen des Apennin umschlossenen Hochebene, im heutigen Abruzzo ulteriore. In enger Verbindung mit den benachbarten Pelignern, Vestinern, Marrucinern, standen die M. fast immer mit den Samnitern im Bündnis gegen Rom und nahmen 91 v. Chr. einen hervorragenden Anteil an dem allgemeinen Aufstand der Bundesgenossen gegen Rom (s. Bundesgenossenkriege). Zu ihrem Gebiet gehörten die Städte Maruvium, Cerfennia und Lucus Angitiä. - 2) Volk im nordwestlichen Germanien zwischen der Lippe und Ruhr, wurde von Germanicus durch zwei Einfälle 14 und 16 n. Chr. fast völlig vernichtet und verschwindet hierauf aus der Geschichte.

Marsfeld, im alten Rom (Campus Martius, auch bloß Campus) die Ebene, welche sich außerhalb der Servianischen Stadt von den Abhängen des Mons Pincius, Quirinalis und Capitolinus gegen den Tiber hin erstreckte und zu militärischen Übungen diente; in Paris (Champ de Mars) ein am westlichen Stadtende zwischen dem rechten Seineufer und der Militärschule gelegener, ebenfalls militärischen Zwecken, neuerlich (1867 und 1878) den Weltausstellungen dienender Platz, geschichtlich berühmt, weil hier 14. Juli 1790 die erste konstitutionelle Verfassung Frankreichs feierlich beschworen wurde.

Marsgebirge, isolierter niedriger Gebirgszug in Mähren, östlich von Brünn, aus Eocän und Kreide bestehend, mit dem Hrad (534 m), im S. und SW. von rebenreichem Hügelland umsäumt.

Marsgelb, s. v. w. künstlicher Ocker.

Marsh (spr. marsch), 1) Anne, geborne Caldwell, engl. Romanschriftstellerin, geboren um 1799 in Staffordshire, heiratete den Bankier M. in London und veröffentlichte anonym seit 1834 eine Reihe von Romanen, die fast alle ins Deutsche übersetzt wurden, und deren Hauptwert auf der Schilderung zeitgenössischer Sitten beruht. Die vorzüglichsten derselben sind: "Mount Sorrel" (1843), "Emilia Wyndham", ihr bekanntestes Werk (1846), "Ravenscliff" (1851), "Aubrey" (1854), "The heiress of Haughton" (1855), "The rose of Ashurst" (1857), "Eveline Marston" (1861) u. a. Auch Historisches hat sie geschrieben, wie: "The Protestant reformation in France and the Huguenots" (1847), und das altfranzösische Rolandslied für das größere Publikum bearbeitet. Sie starb im Oktober 1874 in Lindley-Wood.

2) George Perkins, amerikan. Staatsmann und Schriftsteller, geb. 15. März 1801 zu Woodstock in Vermont, studierte Jurisprudenz und wurde 1835 in den obersten Rat seines Staats gewählt, wandte sich dann vergleichenden Sprachforschungen zu, übersetzte Rasks "Isländische Grammatik" (1838), erhielt 1842 bis 1849 einen Sitz im Kongreß und wurde dann als bevollmächtigter Minister nach Konstantinopel gesandt. 1852 ging er in einer besondern Mission nach Griechenland, kehrte 1854 nach einer größern Reise durch Europa in seine Heimat zurück und übernahm 1861 den Gesandtschaftsposten am italienischen Hof zu Rom, den er bis 1882 bekleidete. Er starb 23. Juli 1882 in Vallombrosa. Von seinen Schriften verdienen Hervorhebung: "Lectures on the English language" (New York 1861 u. öfter); "The origin and history of the English language" (das. 1862) und das aufsehenerregende Werk "Man and nature" (das. 1864; 2. Aufl. u. d. T.: "The earth as modified by human action", 1874). Seine Schriften erschienen gesammelt 1882 in 3 Bänden.

3) Othniel Charles, Paläontolog, geb. 29. Okt. 1831 zu Lockport (New York), bezog 1852 die Phillips Academy zu Andover in Massachusetts und nach vierjährigem Studium das Yale College, wo er bis 1860 blieb, studierte darauf noch zwei Jahre Chemie und Mineralogie in New Haven und weitere drei Jahre Zoologie und Geologie in Berlin, Heidelberg und Breslau. 1866 ward er Professor der Paläontologie am Yale College, und 1868 begann er seine überaus erfolgreichen Forschungen in den Rocky Mountains, wo er schon beim ersten Besuch die Metamorphose des Axolotl (s. d.) beobachtete. Mehrere Jahre leitete er dann sehr kostspielige und nicht gefahrlose Expeditionen in diese Gegenden und brachte sehr große Sammlungen neuer Fossilien heim, welche im Peabody-Museum des Yale College aufgestellt wurden. Dies Museum wurde von George Peabody (s. d.), einem Onkel Marshs, gegründet, und M. selbst wandte mehr als 100,000 Doll. an die Begründung der paläontologischen Sammlung. Er beschrieb über 400 neue Spezies fossiler Tiere. Die wichtigsten seiner Arbeiten betreffen die Entdeckung fossiler Affen im Eocän von Wyoming (1872), riesige fossile Dinoceraten (1873), die gezahnten Vögel (Odontornithes, 1873), die höchst merkwürdigen Funde fossiler Einhufer im Tertiär (1874), die Tillodontia (1876), die