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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Mecklenburg

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Mecklenburg (Geschichte).

französischen Okkupation verschont blieb; doch hat es bis 1813, abgesehen von Erpressungen, mehr als 2 Mill. Thlr. für die französische Armee aufbringen müssen. Der Herzog trat 18. Febr. 1808 dem Rheinbund bei, entsagte 1813 demselben und ließ seine Truppen beim schlesischen Heer am Kampf gegen Frankreich teilnehmen. Er nahm 17. Juni 1815 gleichfalls den Titel Großherzog an und erhielt auf dem Wiener Kongreß einen Distrikt im Saardepartement mit 10,000 Seelen. Sein Nachfolger Georg (1816-60, s. Georg 16) verkaufte ihn aber 1819 für 1 Mill. Thlr. an Preußen. In dem Deutschen Bunde, dem M.-Strelitz 1815 auch beitrat, besaß es für die allgemeine Bundesversammlung eine Stimme (M.-Schwerin hatte zwei), für die engere mit M.-Schwerin zusammen die 14. Stimme. Seit 6. Sept. 1860 regiert Georgs Sohn Friedrich Wilhelm (s. Friedrich 31).

Das Jahr 1848 rief auch in beiden M. Unruhen und Verfassungswirren hervor. In zahlreichen Petitionen ward die Einberufung eines außerordentlichen Landtags zur Beratung der Verfassungsreform und eines volkstümlichen Wahlgesetzes begehrt, und die ausweichende Antwort des Großherzogs von M.-Schwerin veranlaßte tumultuarische Auftritte in Schwerin und Rostock. Am 18. März ward endlich die Einberufung eines außerordentlichen Landtags verkündigt und die Zensur aufgehoben; eine umfassendere Proklamation vom 23. März verhieß Volksvertretung beim Bundestag, Reform der Landesvertretung, Vereinigungsrecht, Volksbewaffnung und Umgestaltung der Rechtspflege. Auf dem am 26. April eröffneten außerordentlichen Landtag wurde ein auf allgemeinem Wahlrecht beruhendes Wahlgesetz vereinbart und von den Ständen verlangt, daß die neue Vertretung mindestens dieselben Rechte haben solle wie früher Ritterschaft und Landschaft. Der Landtag wurde 16. Mai geschlossen, und 15. Juli erfolgte die Publikation des Wahlgesetzes. Im Land bildeten sich nun zwei Parteien, eine demokratische und eine konstitutionelle, d. h. streng konservative. Am 31. Okt. trat endlich die verfassungsvereinbarende Versammlung zusammen. Von den 103 Abgeordneten (85 für M.-Schwerin, 18 für M. Strelitz und das Fürstentum Ratzeburg) gehörten fast zwei Drittel der demokratischen Partei an; doch löste sich von dieser ein linkes Zentrum ab, das der Schweriner Regierung namentlich in der Wahlgesetzfrage namhafte Konzessionen machte. Die deutschen Grundrechte, Bestimmungen über das Domanium und der Grundsatz des Suspensivvetos wurden in die Verfassung aufgenommen und diese 3. Aug. 1849 von der Kammer genehmigt. Die größten Schwierigkeiten machte die Frage der landständischen Union zwischen beiden Großherzogtümern. Am 13. Aug. löste der Großherzog von Strelitz die Kammer auf, wozu das Recht nur dem Großherzog von Schwerin zustand. Daher erklärte die Kammer 19. Aug. die Aufhebung der Union für beide M. für notwendig, und auf ihren Antrieb löste der Großherzog von Schwerin gleichfalls die Kammer 22. Aug. auf, bestätigte aber 23. Aug. das vereinbarte Staatsgrundgesetz für Schwerin.

Außer der Regierung von Strelitz protestierten die Agnaten beider mecklenburgischen Linien, darunter der König von Preußen, gestützt auf den Successionsvertrag von 1442, gegen die neue Verfassung. Auch die adlige Ritterschaft that Einspruch und fand, in Schwerin abgewiesen, eine um so huldvollere Aufnahme in Strelitz. Nachdem sich sowohl die strelitzsche Regierung als die Ritterschaft mit einer Klage an den Bund gewandt, erklärte ein Bundesschiedsgericht (v. Langenn, v. Scheele, Götze) 11. Sept. 1850 die Rechtsbeständigkeit der neuen Staatsverfassung und das Gesetz über die Aufhebung der landständischen Verfassung für nichtig, und der Großherzog von Schwerin wurde angehalten, für 1850 einen Landtag nach dem grundgesetzlichen Erbvergleich von 1755 zu berufen. Die landständische Union zwischen beiden M. war somit wiederhergestellt. Es begann die Zeit der Reaktion. Zunächst wurde das bisher gemeinsame Konsistorium aufgelöst, das Kirchenregiment über die lutherische Kirche fortan durch zwei Behörden, in Schwerin durch den Oberkirchenrat, in Strelitz durch ein Konsistorium, geübt. Am 9. Okt. erfolgte die Aufhebung der deutschen Grundrechte und 27. Jan. 1851 das Verbot aller Versammlungen zu politischen Zwecken. Am 15. Febr. 1851 trat zu Malchin der allgemeine Landtag wieder zusammen, bei welchem die adlige Ritterschaft im Übergewicht war. Somit war der alte patrimonial-ständische Privilegienstaat mit der Dreiteiligkeit von Landesherrschaft, Ritterschaft und Städten wiederhergestellt. Weiteres über die Landstände s. oben, S. 388. Am 31. Jan. 1852 wurde die Prügelstrafe wieder eingeführt. Die obere Leitung der Staatsverwaltung ward in Schwerin durch Verordnung vom 4. April 1853 neu geordnet, der Wirkungskreis des Staatsministeriums erweitert und diesem kollegialische Beratung empfohlen. Die drückende Lage der Bauern und Tagelöhner, die Schwierigkeiten des Gewerbebetriebs in den Städten riefen seit 1850 eine überaus rege Auswanderung aus beiden M. nach Amerika hervor, die in den Jahren 1852-57 ihre größte Höhe (6000 Menschen) erreichte. Damals trat sogar eine absolute Verminderung der Bevölkerungsziffer ein.

Während der Großherzog von M.-Strelitz beim Ausbruch des österreichisch-preußischen Kriegs 1866 so zögernd auf Preußens Seite trat, daß sein Kontingent gar nicht mehr am Kampf teilnahm, schloß der Großherzog von M.-Schwerin 30. Juni mit Preußen ein Bündnis und stellte ihm sein Kontingent zur Verfügung, das er dann mit preußischen Truppen vereint selbst nach Bayern führte, wo er bis Nürnberg vordrang (s. Preußisch-deutscher Krieg). Dem preußischen Entwurf vom 4. Aug. für einen norddeutschen Bund stimmten beide M. nur zögernd und unter Vorbehalten bei. Am 26. Sept. ward sodann ein außerordentlicher Landtag versammelt und diesem der Bündnisvertrag mit Preußen wie der Entwurf des Wahlgesetzes für den Norddeutschen Bund vorgelegt. Die Mehrheit der deshalb niedergesetzten Kommission befürwortete notgedrungen die Billigung der betreffenden Vorlagen, 11. Aug. 1867 traten beide M. dem Zollverein bei. Die norddeutsche Bundesverfassung bildete natürlich für die Stände Mecklenburgs einen furchtbaren Stein des Anstoßes. Gleichwohl entschied sich der mecklenburgische Landtag 4. Juni 1867 für Annahme derselben u. zwar mit 106 gegen 16 Stimmen. Der Abschluß einer Militärkonvention mit Preußen verzögerte sich bis 31. März 1873.

Nach dem deutsch-französischen Krieg, an dem auch Mecklenburgs Truppen im Verband des 9. Armeekorps einen ruhmreichen Anteil nahmen, und der Begründung des Deutschen Reichs trat die mecklenburgische Verfassungsfrage in ein neues Stadium. Am 19. Okt. 1871 beschloß (ähnlich wie schon 7. Juli eine Delegiertenversammlung von 16 Stadtmagistraten) der landschaftliche Konvent der drei Kreise, in einer Eingabe an beide Landesherren die Not-^[folgende Seite]