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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Menschenrassen

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Menschenrassen (Allgemeines, Rassenmerkmale).

neten Gruppen, in welche das Menschengeschlecht zerfällt. Diese Charaktere sind vorwiegend auf den anatomischen Bau begründet, wenn auch andre, die in der Sprache, den Sitten, Religionsgebräuchen etc. begründet sind, nicht außer acht gelassen werden dürfen. Streitig ist es noch, ob man die so gebildeten Gruppen in zoologischem Sinn als ebensoviel verschiedene Arten (Spezies) oder als Rassen, d. h. als durch Fortpflanzung typisch gewordene Varietäten einer einzigen Spezies, anzusehen hat, eine Frage, die in engem Zusammenhang mit der Abstammung der ganzen Menschheit von einem oder mehreren Elternpaaren steht (Monogenesis, Polygenesis; Mono-, Polygenisten die Anhänger dieser Theorien). Es läßt sich nicht leugnen, daß innerhalb der einzelnen Pflanzen- und Tierspezies sich Varietäten von viel größerer Verschiedenheit entwickeln können (z. B. Kohl-, Hundearten), als dies bei den einzelnen M. der Fall ist, während gleichzeitig die Möglichkeit einer scheinbar unbegrenzten fruchtbaren geschlechtlichen Vermischung zwischen letztern gegen die Annahme verschiedener Menschenspezies spricht. Anderseits kennen wir aber bis jetzt keinen einzigen Fall einer Umwandlung der einen Menschenrasse in die andre, da die nachweisbaren Veränderungen, welche man bei gewissen Rassen unter dem Einfluß eines fremden Klimas und veränderter Lebensbedingungen beobachtet haben will, doch nie zur Bildung wirklich neuer Rassen geführt haben und daher nicht die Bedeutung erlangen, welche man ihnen im Interesse der Transmutationstheorie beizumessen geneigt ist. Der Mangel genau gebuchter wissenschaftlicher Beobachtungen spricht sich in dieser Beziehung auch darin aus, daß in neuester Zeit selbst die Frage wieder lebhaft erörtert wird, ob die aus der geschlechtlichen Vermischung scharf gesonderter Rassen (Neger, Weiße) entstandenen Mischrassen ohne weiteres fortwährendes Hinzufließen reinen Bluts im stande sind, sich in den spätern Generationen fruchtbar fortzupflanzen, während die Thatsache, daß sich in vielen Ländern, z. B. Südamerikas, eine zahlreiche Mischbevölkerung aus Indianern und Europäern entwickelt hat und sich unausgesetzt unter sich fruchtbar weiter mischt, eine Bejahung obiger Frage wenigstens für gewisse Rassen nahelegt. Von mancher Seite neigt man, zur Beseitigung der Schwierigkeiten, welche die Annahme einer gemeinsamen Abstammung von einem Elternpaar bei der scheinbaren Wandellosigkeit der jetzt vorhandenen Rassen darzubieten scheint, der Hypothese zu, daß die M. jetzt zu sogen. Dauertypen geworden sind, d. h. daß sie sich in übersehbarer Zeit in ihren wesentlichen Charakteren nicht mehr geändert haben noch ändern, während eine größere Plastizität und Wandelbarkeit in weit zurückgelegenen Zeitläufen dadurch nicht ausgeschlossen wird.

Anderseits sprechen auch die allmählichen Übergänge, welche von einer Rasse zur andern stattfinden, und die großen, nicht bloß körperlichen, sondern auch geistigen Ähnlichkeiten der scheinbar verschiedensten Rassen gegen die Annahme von verschiedenen Menschenspezies. Die Evolutionslehre, welche zur Zeit die naturwissenschaftliche Anschauung beherrscht, gibt zudem eine genügende Erklärung, wie sich die verschiedenen M. von einem einzigen Stamm abgezweigt haben können, zunächst wenig voneinander verschieden, allmählich aber mit der räumlichen Ausbreitung und Absonderung immer weiter divergierend und ihre charakteristischen Merkmale ausbildend. Trotzdem lassen sich diese Merkmale nicht alle durch die Besonderheit der Lebensbedingungen und klimatischen Einflüsse, ebensowenig durch die besondere Ausbildung bestimmter Körperteile und Organsysteme infolge fortgesetzten Gebrauchs im Sinn des Darwinismus erklären, eher vielleicht, nach Darwin, durch die geschlechtliche Zuchtwahl. Die Rassenmerkmale beruhen teils in der Verschiedenheit des Knochen-, insonderheit des Schädelbaues, teils in der Färbung der Haut und der Augen, in der Form und Farbe der Behaarung und in der verschiedenen Ausbildung gewisser Organe, wie z. B. des Gehirns, wobei zu bemerken ist, daß der letztgenannte Punkt noch am meisten eingehender vergleichender Untersuchungen bedarf. Die verschiedene Hautfarbe ist das augenfälligste Moment des Rassencharakters und wurde daher von jeher dem Einteilungsprinzip zu Grunde gelegt. Dies spricht sich in den noch jetzt geläufigen Bezeichnungen: Weißer, Schwarzer, Rothaut etc. aus. In enger Beziehung zu derselben stehen die besondern Eigentümlichkeiten der Augen- und Haarfarbe. Die Hautfarbe setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen: insonderheit der Farbe des in der Haut kreisenden Bluts und eines in den Zellen der tiefen Schichten der Oberhaut (dem sogen. rete Malpighii) in Form feinster brauner Körner abgelagerten Farbstoffs (Pigments); vielleicht kommt bei der Färbung auch noch der Gallenfarbstoff in Betracht. Je nach der Mannhaftigkeit dieser Ablagerungen erscheint die Haut entweder schwarz, braun, rot oder gelb und endlich weißrot, indem in letzterm Fall die natürliche Farbe des Bluts, welche bei dunklerer Färbung durch das Hautpigment verdeckt wird, durch die fast völlig pigmentfreie Haut hindurchschimmert. Allein auch bei den weißen Rassen besteht eine geringe Menge desselben Pigments und macht sich namentlich an gewissen Körperteilen (Brustwarze, Geschlechtsteilen, Aftergegend etc.) durch deren dunklere Färbung geltend. Auf diese Weise entsteht eine Reihe von Hautfarben, welche sich vom dunkelsten Schwarz durch Dunkelrot, bez. Dunkelgelbbraun, Rot, Gelb bis zum Weiß (Gelb-, Braun-, Rosigweiß) abstufen. Zur Feststellung dieser verschiedenen Rassenfarben bedient man sich sogen. Farbentafeln (zuerst von Broca angegeben), welche eine große Anzahl von mit Nummern versehenen Farbentönen zum Vergleich mit der zu untersuchenden Hautfarbe enthalten. Nicht nur die Farbe, sondern auch der Drüsen- und Fettreichtum der Haut ist für die Rassenkunde von Bedeutung. So besitzen die Weiber gewisser Völker (Hottentoten u. a.) höchst merkwürdige örtliche Anhäufungen in der Gegend der Hinterbacken (Steatopygie). Auch die Gestalt der weiblichen Brüste und Brustwarzen gibt wichtige Rassenmerkmale.

Sehr wichtig für die Bestimmung der Rassen sind ferner die Haare. Hier kommen Farbe, Wuchs und Gestaltung, Verbreitung über den Körper in Frage. Es ergeben sich daraus mannigfache Eigenheiten: in erster Linie die Färbung vom Blond, Hellbraun zum Dunkelbraun und Schwarz (Nebenfarbe Rot), die Krümmungsverhältnisse: straff, schlicht, wellig, lockig, kraus, spiralig gerollt (worunter man enge Spiralringe um eine Längsachse versteht). Eigentlich wolliges Haar (wie beim Schaf) mit Stapelbildung scheint beim Menschen nicht vorzukommen. Je nach dem "Haarstand" ergibt sich spärliches, dichtes, nicht gruppiertes, gruppiertes Haar. Im letztern Fall stehen immer mehrere Haare in einer Gruppe dicht bei einander, während die Gruppen selbst durch mehr oder weniger große Zwischenräume getrennt sind. Die Verbreitung betrifft die Ausdehnung des Haarkleides über den Körper, die Bartbildung etc. Die