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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Mey.

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Mexiko (Stadt) - Mey.

fast in der Mitte einer ausgebreiteten Ebene, des Thals von Tenochtitlan oder M., 2282 m ü. M. und 4 km westlich vom Tezcucosee, an der Stelle des alten Tenochtitlan der Azteken, der von Cortez eroberten und dem Erdboden gleichgemachten prachtvollen Residenz Montezumas, welche damals eine weit größere Bevölkerung und gegen 2000 Tempel hatte. Die Dämme, welche das alte Tenochtitlan nach dem See abschlossen, dienen jetzt als Straßen, schützen aber auch noch vor den Überschwemmungen desselben. Zwei schiffbare, noch aus der Aztekenzeit stammende Kanäle verbinden die Stadt mit den Seen von Tezcuco und Chalco (s. d.) und vermitteln die Zufuhr von Gemüsen, Früchten und Blumen. Das Trinkwasser wird durch zwei großartige Wasserleitungen zugeführt und durch Wasserträger (aguadores) für die vornehmern Haushaltungen hereingetragen und verkauft. M. bildet ein nicht ganz regelmäßiges Viereck und gilt (namentlich unter Berücksichtigung der großartigen Umgebung mit den beiden Riesenvulkanen Popocatepetl und Iztaccihuatl im S.) für eine der schönsten Städte Amerikas. Die Straßen sind kanalisiert, mit Gas oder elektrisch beleuchtet und von Pferdebahnen durchzogen. Sie durchschneiden sich meist im rechten Winkel, sind breit, schnurgerade und vollkommen eben. Die Häuser haben flache Dächer und sind durchgängig solid aus Stein und vielfach in reichem Stil gebaut, mit offenen Höfen in der Mitte und mit Balkonen gezierten Fenstern. Die öffentlichen Plätze sind sehr groß und meist von schönen Gebäuden eingefaßt. Der größte ist die Plaza mayor, ein regelmäßiges, schön gepflastertes Viereck von 351 m Länge und 234 m Breite. Sie wird nördlich von der Kathedrale begrenzt, östlich vom Palacio nacional, südlich vom Palacio municipal und westlich von einer Reihe stattlicher, mit Arkaden und Kolonnaden versehener Gebäude, unter denen der an der Stelle der ehemaligen Residenz des aztekischen Königs Montezuma erbaute Palast der Familie Cortez Hervorhebung verdient. Südöstlich von ihm liegt der Hauptmarktplatz der Stadt (Plazuela del Volador) mit dem Universitätsgebäude. Unter den öffentlichen Spaziergängen sind die schönsten die Alameda, im NW. der Stadt, welche durch die Avenida Juarez mit dem Paseo Nuevo oder de Bucareli (mit Bildsäule Karls IV.) zusammenhängt, von wo die Calzada de la Reforma, ein Boulevard mit Bildsäule des Kolumbus, nach Chapultepec führt. Unter den zahlreichen Kirchen ragt die imposante, der heil. Maria de la Asuncion geweihte Kathedrale hervor, an der Stelle des großen aztekischen Haupttempels (Teokalli) im gotischen Stil gebaut und 1657 vollendet. Die Hauptfassade hat drei mit Reliefs und Statuen geschmückte Portale, zwei Türme und Kuppeln; das Innere enthält eine Menge Kostbarkeiten von großem Wert nebst Gemälden der besten spanischen Meister; an der Westseite ist der berühmte aztekische Kalenderstein eingemauert. Bemerkenswert sind unter den kirchlichen Zwecken gewidmeten Gebäuden noch das Kloster San Francisco, welches sieben Kirchen und Kapellen in sich faßt; der große Konvent der Dominikaner (in der spätern Zeit als Staatsgefängnis benutzt), die Kirche La Profesa, zum ehemaligen Jesuitenkollegium gehörig, und das schöne Kloster La Merced. Neben den 15 Parochialkirchen gibt es noch sechs dem protestantischen Gottesdienst geweihte Gebäude. Von sonstigen öffentlichen Gebäuden sind die bedeutendsten: die großartige, aus hellgrünem Porphyr erbaute Bergschule (Colegio de mineria); der Nationalpalast, ehemalige Residenz der Vizekönige, jetzt Wohnung des Präsidenten, Sitz der Ministerien sowie Sitzungslokal des Senats; das Teatro Iturbide, jetzt Sitzungslokal der Abgeordneten; die Münze; der Justizpalast; die Academia de San Carlos; das Leihhaus (Monte pio).

M. zählte 1880: 241,110 Einw., welche zur Hälfte aus Kreolen, zu 25 Proz. aus Indianern, im übrigen aus Mischlingen und Fremden (Europäern) bestehen. Während der Handel große Reichtümer in M. zusammenhäuft und die großen mexikanischen Landeigentümer hier ihre enormen Einkünfte verschwenden, sind ein großer Teil seiner Bewohner sogen. Leperos, mexikanische Lazzaroni, welche in unruhigen Zeiten sehr gefährlich werden können. Ein Lieblingsvergnügen der Mexikaner sind vor allem Glücksspiele; namentlich wird das sogen. Montespiel, eine Art Pharo, in der Hauptstadt wie im ganzen Land leidenschaftlich getrieben. Zum Abhalten von Stierkämpfen hat M. zwei Plätze. Theater gibt es vier größere (darunter das von Santa Ana) und ebensoviel kleinere; Klubs vier, darunter auch ein deutscher. Die Industrie Mexikos, wenn auch im Verhältnis zur Größe der Stadt nicht gerade sehr bedeutend, ist doch immerhin mannigfaltig. Es gibt Eisengießereien, welche auch landwirtschaftliche Maschinen und Geräte liefern, 6 Baumwoll- und 2 Wollfabriken, 5 Ölmühlen, eine Papiermühle, Brauereien, Gerbereien etc. Andre Hauptartikel sind: Möbel, Seife, Glas, Gold- und Silberarbeiten, Kutschen, Tabak, Schokolade. Hier wäre auch die dem Staat gehörige Waffenfabrik. Pulvermühle und Geschützgießerei zu erwähnen. M. steht seit 1873 durch eine Eisenbahn mit Veracruz und seit 1884 auch mit El Paso, an der Grenze der Vereinigten Staaten, in Verbindung. Weitere Bahnen (z. B. eine nach San Blas am Stillen Ozean) sind noch im Bau. Von den vielen Wohlthätigkeitsanstalten stammt die Mehrzahl noch aus spanischer Zeit. Zu nennen sind hier die drei Hospitäler von San Andres, San Hipolito und Juarez Morelos; zwei Irrenanstalten, die Taubstummenanstalt, die Blindenschule, das Findelhaus, das Armenhaus und eine Entbindungsanstalt. Sehr zahlreich sind die Bildungsanstalten, wenn man auch nicht mehr mit Humboldt sagen kann: "keine von allen Städten des Neuen Kontinents ist im Besitz so großer und fest gegründeter wissenschaftlicher Anstalten als die Hauptstadt von M." An der Spitze steht die bereits 1551 gegründete Universität; ihr schließen sich an die Bergschule, eine Rechtsschule, eine medizinische Schule, die landwirtschaftliche Schule, eine Handelsschule, eine Militärakademie (in Tacabuya) und ein Lehrerseminar, eine Kunstakademie mit Gemäldesammlung (Academia de San Carlos), ein Konservatorium der Musik und eine höhere Töchterschule. Die Nationalbibliothek besitzt 100,000 Bände; außerdem bestehen eine Volksbibliothek und eine juristische Bibliothek. Sonst sind noch zu nennen das Nationalmuseum (mit mexikanischen Altertümern), die Nationalsternwarte (in Chapultepec) und mehrere gelehrte Gesellschaften für Naturwissenschaften, Geschichte, Geographie und spanische Sprache. Es erscheinen 36 Zeitungen (13 täglich) und 21 wissenschaftliche Zeitschriften; die Stadt hat 20 Druckereien und ist Sitz eines deutschen Konsuls. - Im Bundesdistrikt M. liegen noch die Orte Chapultepec, Guadalupe Hidalgo, Tacubaya und Tlápam ^[richtig: Tlálpam, heute Tlalpan].

Mey., auch C. A. Meyer, bei botan. Namen Abkürzung für Karl Anton Meyer, geb. 1795 zu Witebsk, gest. 24. Febr. 1855 als Direktor des botani-^[folgende Seite]