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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Nicaragua

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Nicaragua.

los Maribios) ansteigt, deren wichtigste Gipfel der Volcano viejo (1910 m) und der Vulkan von Momotombo (2100 m) sind. Dicht am Fonsecagolf erhebt sich noch der Vulkan von Coseguina (1169 m). Niedere Hügel trennen die Seen vom Stillen Ozean. Die atlantische oder Mosquitoküste ist im ganzen flach und mit vielen Lagunen besetzt. Von den Gewässern des Staats fließen die meisten dem Atlantischen Ozean zu, darunter der Rio Coco oder Wanx, der nördliche, und der San Juan, der südliche Grenzfluß. In den Stillen Ozean fließen (und zwar in den Golf von Fonseca) der Estero Real und der Rio Negro, der Grenzfluß gegen Honduras. Von Wichtigkeit sind insbesondere die beiden genannten Binnenseen, der Nicaragua- und der Managuasee, die zahlreiche Zuflüsse empfangen und durch den Rio Panaloya miteinander in Verbindung stehen. Abfluß des Nicaraguasees ist der San Juan. Das Klima von N. ist sehr mannigfaltig, in der Küstengegend am Atlantischen Ozean feucht, aber keineswegs ungesund, auf der Hochebene angenehm, in dem dem Stillen Ozean zugewandten Teil drückend heiß. Die Regenzeit dauert vom Juni bis Mitte November, die trockne Zeit vom Dezember bis Juni. Der Boden ist durchgängig ungemein fruchtbar und für die Erzeugung tropischer Produkte vorzüglich geeignet. Die Flora Nicaraguas ist eine der reichsten in Zentralamerika; namentlich ist die Vegetation auf der atlantischen Seite ungemein großartig. Die kostbarsten Schmuck-, Nutz- und Farbhölzer, der Mahagonibaum und verschiedene Cedrelen, der Brasilholzbaum und die Sassaparille, gedeihen hier vortrefflich. Der Kalebassenbaum, welcher den Einwohnern das Trinkgeschirr liefert, zieht die Westseite vor. Hohe Kokospalmen umgeben den See von N. Auch der Reichtum an edlen Gewürzen und Pflanzen von offizinellem und technischem Nutzen, wie Ipekakuanha, Vanille, Kautschuk, Balsam, sowie an Früchten der tropischen und gemäßigten Zone ist sehr bedeutend. Die in N. vorkommenden Tiere sind die in Zentralafrika überhaupt einheimischen; von größern Raubtieren finden sich Jaguare und Pumas, unter den Vögeln ist der gelbschwänzige Montezumavogel (Cassicus) hervorzuheben. Das Land scheint reich an edlen Metallen zu sein. Gold findet sich namentlich in der Landschaft Chontales im NO. der großen Seen, unfern der Stadt. Libertad mitten im Urwaldgebiet (die reichste Mine ist die von Djavali); Silber im Departement Segovia (besonders bei Dipilto) und in Matagalpa; auch Kupfer, Eisen und Blei finden sich, und in neuerer Zeit wurden im genannten Distrikt Chontales auch Steinkohlen entdeckt. N. hat ein Areal von 133,800 qkm (2430 QM.) mit angeblich (1884) 259,794 Einw., so daß also keine 2 Einw. auf das QKilometer kämen. Von der Bevölkerung sind gegen ein Drittel Indianer, ein Sechstel Mulatten und Schwarze und nur wenige Weiße. Die Ansiedelungen und Pflanzungen (Haciendas, Ranchos, Hattos, Chacras) liegen überall zerstreut, selbst in den Wäldern; die größern Orte gehören meist der heißen, ungesunden Region an. Die geistige Kultur des Staats steht noch auf tiefer Stufe. Die zwei Universitäten in Leon und Granada leisten nur wenig, und die Volksschulen (1882: 8330 Schüler) sind ganz ungenügend. Die römisch-katholische Kirche ist die herrschende, die freie Übung andrer Bekenntnisse ist jedoch mit größter Toleranz gestattet.

Hauptbeschäftigung ist die Viehzucht und die Landeskultur. Das hiesige Zuckerrohr, saftiger als das asiatische, gibt jährlich zwei Ernten und braucht nur alle 12-14 Jahre gepflanzt zu werden. Die Baumwolle gedeiht vortrefflich, der Kakao steht dem von Soconusco ebenbürtig zur Seite, und auch Kaffee und Indigo werfen reichen Ertrag ab. Im Hochland baut man europäische Getreidearten, aber kaum hinreichend für den innern Bedarf. Besser bestellt ist es mit der Viehzucht, besonders im Distrikt Chontales und im Departement von Matagalpa, wo manche Gutsbesitzer Herden von 10-15,000 Stück auf den herrlichen Hochlandweiden unterhalten. Der Bergbau wird in noch sehr mangelhafter Weise betrieben. Fabriken hat N. noch gar nicht; einige Indianerstämme, besonders in und bei Masaya, flechten bunte Schilfmatten und Palmhüte, fertigen Hängematten sowie Trinkgefäße aus den Schalen des Kalebassenbaums, irdene Geschirre etc. Der Handel ist noch unbedeutend. Die wichtigsten Häfen sind: Corinto und San Juan del Sur am Stillen Ozean und San Juan del Norte (Greytown) am Atlantischen Meer. Die Ausfuhr hatte 1884-85 einen Wert von 2,443,000 Pesos, die Einfuhr von 2,800,000 Pesos. Ausgeführt werden: Gummi elastikum, Kaffee, Gold und Silber, Gelbholz, Indigo, Häute, Vieh, Zedernholz etc. Der Hauptverkehr ist mit den Vereinigten Staaten und England. Kurze Eisenbahnen (zusammen 143 km) verbinden Corinto mit Chinandego ^[richtig: Chinandega] und Moabita und Managua mit Granada. Ein interozeanischer Kanal ist geplant. Das Telegraphennetz hatte 1884 eine Ausdehnung von 2090 km. Münzen, Maße und Gewichte sind wie in Costarica.

Nach der Konstitution vom 19. Aug. 1858 steht an der Spitze der Republik ein auf die Dauer von vier Jahren erwählter Präsident; neben demselben besteht eine Gesetzgebende Kammer von elf und ein Senat von zehn Mitgliedern, welche vom Volk auf vier, bez. sechs Jahre gewählt werden. Für die Verwaltung ist der Staat in neun Departements geteilt. Die Finanzen scheinen augenblicklich in geordnetem Zustand zu sein. Bei einer Einnahme von (1885) 1,801,727 Pesos beliefen sich die Ausgaben auf 1,816,520 Pesos, während die Staatsschuld Ende 1886: 1,538,539 Pesos betrug. Zwei Drittel der Einnahme entspringen Staatsmonopolen (Spirituosen, Tabak, Schießpulver), der Rest Zöllen und einer Schlachtsteuer. Die Armee zählt 700, die Miliz 9600 Mann. Politische Hauptstadt der Republik ist Managua (10,000 Einw.). S. Tafel "Flaggen".

Geschichte. N. gehörte früher zu Guatemala, riß sich 1821 mit diesem von Spanien los und wurde 1823 einer der fünf Vereinigten Staaten von Zentralamerika (s. d.). Erst 1848 kam in N. eine Verfassung und eine gesetzliche Regierung zu stande. Auf den Präsidenten Don Ramirez folgte im März 1851 Pineda, diesem 26. Febr. 1853 der General Don Fruto Chamorro. Während N. sich noch mit Costarica um den Besitz des Hafens von San Juan stritt, erhob England im Namen des Königs der Mosquitoküste, seines Verbündeten, Ansprüche auf den Besitz dieses wichtigen Punktes, von welchem aus der Kanal von N. über den Isthmus geführt werden sollte, und 1. Jan. 1848 besetzten englische Truppen unter den Schutz ihrer Kriegsschiffe San Juan, welches seitdem Greytown heißt. 1851 trat ein Kongreß aus Abgeordneten von Honduras, Costarica und N. zusammen, um die Grundlagen einer neuen Bundesverfassung zwischen diesen drei Staaten zu entwerfen, ohne daß dieselbe jedoch zu stande kam. Dagegen ward 7. März 1854 mit Guatemala ein Schutz- und Trutzbündnis abgeschlossen. Bald darauf erhob sich die demokratische Partei unter dem ehemaligen Minister Francisco