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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Papst

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Papst (Geschichte des Papsttums bis 1521).

wichen, statt zweier hinfort drei Oberhäupter. Diese drei Päpste wurden sodann in Konstanz zur Abdankung bestimmt und der Grundsatz durchgefochten, daß das Konzil über dem P. stehe. Abermals beging man indes den Fehler, noch vor beendigter Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern ein neues Oberhaupt, Martin V., einzusetzen. Dieser erregte alsbald Parteiungen im Schoß der Versammlung, unterhandelte mit den Einzelnen, räumte wenig ein, versprach mit Rückhalt und lähmte die Thätigkeit des Konzils so sehr, daß dieses sich endlich auflöste, nachdem es nur das Schisma beendigt und die monarchische Gewalt des Papstes wiederhergestellt hatte. Das Konzil zu Basel 1431 versuchte nun die Reformation durchzusetzen, indem es Eugen IV. in Felix V. einen neuen Papst entgegenstellte. Aber die Furcht vor einem abermaligen Schisma, die Hussitenunruhen und die allgemeine Bewegung der Geister machten die Versammlung ängstlich; es gelang der römischen Schlauheit, Frankreich und Deutschland vom Konzil zu trennen: mit jenem ward die Pragmatische Sanktion zu Bourges 1438 abgeschlossen, mit diesem das Aschaffenburger Konkordat verhandelt (1448). Das Baseler Konzil ward durch ein andres Konzil zu Florenz in Schach gehalten und war der ultramontanen Partei gegenüber bald ganz ohnmächtig. So brachten die großen Konzile der Welt nicht nur die Reform der Kirche nicht, sie verstärkten selbst die Macht des Mißbrauchs, indem sie sich letzterm gegenüber ohnmächtig erwiesen. Schon im 15. Jahrh. brachten es die Päpste wieder so weit, daß ihnen die volle Hälfte aller geistlichen Einkünfte des Occidents zufloß. Während das Papsttum die Christenheit unter einem ertötenden geistigen Druck hielt und schamlos ausbeutete, widmete es sich ganz seinen weltlichen Interessen, indem es vor allem den Kirchenstaat zu vergrößern suchte. Besonders legten es die sechs letzten Päpste dieser Periode recht darauf an, der Welt zu beweisen, daß dem P. alles zu thun erlaubt sei; unter ihnen ragte vor allen Alexander VI. hervor, der an Mord, Blutschande, Gewaltthätigkeiten unter allen Tyrannen in der Weltgeschichte wenige seinesgleichen findet. Julius II., ein Soldat auf St. Peters Stuhl, und Leo X., der freie, epikureische Mediceer, reichen zwar nicht an seine Verworfenheit; aber dem Charakter eines Kirchenfürsten entsprechen auch sie nicht. Die Päpste der sechsten Periode (202-226) sind:

^[Liste]

Johann XXII. (1316-34),

Benedikt XII. (bis 1342),

Clemens VI. (bis 1352),

Innocenz VI. (bis 1362),

Urban V. (bis 1370),

Gregor XI. (bis 1378),

Urban VI. (bis 1389),

Bonifacius IX. (bis 1404),

Innocenz VII. (bis 1406),

Gregor XII. (bis 1410),

Alexander V. (bis 1410),

Johann XXIII. (bis 1415),

Martin V. (1417-31),

Eugen IV. (bis 1447),

Felix V. (bis 1449),

Nikolaus V. (bis 1455),

Calixtus III. (bis 1458),

Pius II. (bis 1464),

Paul II. (bis 1471),

Sixtus IV. (bis 1484),

Innocenz VIII. (bis 1492),

Alexander VI. (bis 1503),

Pius III. (1503),

Julius II. (bis 1513),

Leo X. (bis 1521).

Die Reihe der römischen Päpste während des Schismas ist: Urban VI., Bonifacius IX., Innocenz VII., Gregor XII.; in Avignon dagegen residierten als schismatische Päpste: Clemens VII. (bis 1394) und Benedikt XIII. Zu Pisa wurden 1409 Gregor XII. und Benedikt XIII. abgesetzt und Alexander V. ernannt, welchem Johann XXIII. folgte, an dessen Stelle zu Konstanz 1417 Martin V. trat. Zwischen Eugen IV. und Felix V. kam es nicht mehr zum förmlichen Schisma.

Die siebente Periode reicht von der Reformation bis zur französischen Revolution (1517-1789). Der Abfall der germanischen Nationen in der Reformation erschütterte das Papsttum in seinen Grundfesten; es entstanden protestantische Mächte, welche den Päpsten ganz frei gegenüberstanden und ihnen keinerlei Vorrang, am wenigsten das Privilegium eines mit besondern Gaben und Vorrechten ausgestatteten Priestertums und einer sichtbaren Repräsentation Christi, zugestanden. Das Papsttum mußte daher alles aufbieten, um nicht bloß die Verluste an seinem Herrschaftsterritorium zu ersetzen, sondern vor allem seine Autorität als geistliche Macht der Welt gegenüber zu restaurieren. Die nächsten Schritte wurden im Kampf gegen den Protestantismus zum Schutz des noch Gebliebenen und zur Wiedereroberung des Verlornen gethan. Unter den Maßregeln dieser Art steht das Tridentiner Konzil obenan, welches den katholischen Lehrbegriff scharf begrenzte und mit einem Bollwerk von Anathemen umzog. Hierher gehört auch die Geltendmachung der dogmatischen Prinzipien in der äußern Praxis durch Revision der liturgischen und kanonischen Schriften, durch Einführung des Index librorum prohibitorum und durch die Stiftung des Jesuitenordens, in welchem der römische Stuhl eine überaus wichtige Stütze erhielt. Von dem Papstideal eines Gregor VII. und Innocenz III. war man stillschweigend zurückgekommen. Oft lag während dieser Jahrhunderte die Mutterkirche mit ihren Söhnen im Hader, ohne endlich etwas andres als Nachgeben oder Ignorieren ihrer trotzigen Sprache übrig zu behalten. Bann und Interdikt hatten ihre Schrecken verloren. In dem Streit über die gallikanische Kirchenfreiheit mit Ludwig XIV. wurde dem römischen Stuhl bei allem Respekt gegen seine Glaubenssätze doch gerade der Gehorsam verweigert, den er am liebsten zum Glaubenssatz erhob. Anderseits ist nicht zu verkennen, daß der päpstliche Stuhl nach den Stürmen der Reformation sich wieder auf mehr religiösen als politischen Grundlagen befestigte, zuweilen sogar auch in politischen Verwickelungen die Lösung herbeiführte oder vermittelte. In letzterer Hinsicht war nämlich seine Stellung um so wichtiger, als in Italien die Pläne Österreichs, Frankreichs und Spaniens sich durchkreuzten und die Freundschaft des Papstes ein förderlicher Bundesgenosse für jede der streitenden Parteien war. Ferner machte sich auch die Überlegenheit des italienischen Geistes in diplomatischen Künsten geltend, ehe durch Ludwig XIV. Frankreich tonangebend für das übrige Europa ward. Unter solchen schützenden Umständen blieb der schamlose Nepotismus, den viele Päpste übten, die furchtbare Finanzverwirrung, die unter Innocenz X. sogar den Kornhandel zum Monopol der päpstlichen Kammer machte, für die Ehre des Stuhls Petri ohne wesentliche Nachteile; Rom und der Kirchenstaat erfuhren allein die Folgen der Korruption ihres Regenten. Das Papsttum selbst blieb ziemlich unangefochten. Die Aufhebung des Jesuitenordens, welchem das Papsttum den besten Teil seiner neuen Erfolge verdankte, führte neue und bedenkliche Verlegenheiten herbei. Dieselbe war von den weltlichen Mächten geradezu erzwungen worden; sie kann als Thatbeweis dafür gelten, daß durch die Reformation selbst die katholischen Staaten ihrer nationalen Selbständigkeit und ihrer politischen Freiheit und Hoheit wieder bewußt geworden und nicht länger mehr gesonnen waren, päpstlichen Ansprüchen blind zu dienen. Erst der Rückschlag gegen die französische Revolution brachte einen Stillstand in diese Bewegung. Zeichen der Zeit aber waren es,