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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Perserkriege

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Perserkriege.

allmählich wurden die Griechen, vor allen die Athener, der Bedeutung des Kampfes sich bewußt und setzten, durch glückliche Erfolge in ihrem Selbstbewußtsein gehoben, alle ihre Kräfte an die Verteidigung ihrer nationalen Unabhängigkeit, deren Behauptung die Entwickelung der griechischen Kultur ermöglicht und so der Welt eine der herrlichen Blüten geistigen Lebens erhalten hat.

Die Ausbreitung der persischen Herrschaft über Europa, zunächst über die Hämoshalbinsel, begann schon 515 während des skythischen Feldzugs Dareios' I. Nach der Unterdrückung des ionischen Aufstandes sandte Dareios 492 seinen Schwiegersohn Mardonios aus, um auch die europäischen Griechen der persischen Herrschaft zu unterwerfen. Als aber die persische Flotte am Vorgebirge Athos scheiterte und das Landheer im Kampf mit thrakischen Völkern aufgegeben wurde, forderte der Großkönig 491 durch Herolde die Griechen zur freiwillige Unterwerfung mittels Überreichung von Erde und Wasser auf. Viele griechische Staaten verweigerten sie, ja die Spartaner und Athener verletzten sogar durch Tötung der Gesandten das Völkerrecht. Gleichwohl thaten die Griechen nichts, um sich durch enge Verbindung und energische Rüstungen gegen den übermächtigen Gegner, dessen Zorn sie gereizt hatten, zu schützen. Als daher 490 eine persische Flotte mit einem großen Landheer unter Datis und Artaphernes im Ägeischen Meer erschien, um die verweigerte Unterwerfung zu erzwingen und in Griechenland die vertriebenen Tyrannen (wie Hippias) als persische Vasallen wieder einzusetzen, konnte sie ungeändert die Kykladen unterjochen und Eretria zerstören. Als sie bei Marathon in Attika landete, leisteten nur die Platäer den Athenern Beistand, welche unter Miltiades' Führung es wagten, mit 10,000 Mann den Persern entgegentreten. Unterstützt durch glückliche Umstände, erfochten sie 12. Sept. 490 den glänzenden Sieg bei Marathon (s. d.).

Ein Aufstand in Ägypten, dann der Tod des Dareios (485) verzögerten die Erneuerung des Eroberungskriegs, zu dem die Perser mit aller Macht rüsteten. Wiederum aber versäumten die Griechen, sich für die Abwehr der drohenden Gefahr vorzubereiten. Nur die Athener erkannten die Größe und Bedeutung derselben und trafen auf den Rat des genialen Themistokles die geeigneten Maßregeln, um sich vor derselben zu schützen, indem sie die gesamten Kräfte ihres kleinen Staatswesens auf den Bau einer Flotte verwendeten. Als endlich Xerxes 481 ein ungeheures Heer (800,000 Mann zu Fuß und 80,000 Reiter) und eine große Flotte (1200 Schiffe) in Kleinasien sammelte und die Gefahr nicht mehr verkannt werden konnte, hielten die Griechen im Herbst 481 auf dem Isthmus von Korinth eine Bundesversammlung, an der die Peloponnesier, außer Argos, von den Staaten Mittelgriechenlands aber bloß Athen, Megaris, Platää und Thespiä teilnahmen. Es wurde hier gemeinsamer Widerstand gegen den fremden Eroberer beschlossen, allgemeiner Landfriede geboten und durch Gesandtschaften das ganze Volk zur Teilnahme am Krieg abgefordert, Anschluß an die Perser als Hochverrat mit Strafe bedroht. Aber bei der Ausführung der Beschlüsse wirkte die alte Stammeseifersucht wieder lähmend; die Kerkyräer, Kreter und Sizilier verweigerten ihre Hilfe, Sparta namentlich zeigte sich kurzsichtig und eigennützig, und nur die heldenmütige Thatkraft und bewundernswerte Entsagung und Aufopferung der Athener rettete Hellas.

Zuerst war die Absicht gewesen, dem Perserheer, welches im Frühjahr 480 den Hellespont auf zwei Schiffbrücke in sieben Tagen und sieben Nächten überschritten hatte und, ohne Widerstand zu finden, durch Thrakien und Makedonien heranzog, im Thal Tempe den Weg zu verlegen, und 10,000 Griechen waren dorthin gezogen, aber, als sie erkannten, daß ihre Stellung umgangen werden konnte und durch die Feindseligkeit der Aleuaden in Thessalien bedroht war, wieder zurückgegangen. Auch Thessalien wurde also den Persern preisgegeben und nur die Verteidigung von Mittelgriechenland versucht. Am Eingang in dasselbe, beim Paß der Thermopylen, stellte sich ein kleines Heer von 5500 Hopliten, zu dem die Spartaner nur 300 Mann unter König Leonidas gesandt hatten, auf, während die griechische Flotte, 366 (darunter 200 athenische) Schiffe stark, zur Deckung der Thermopylen am nördlichen Vorgebirge von Euböa bei Artemision ankerte; in edler Selbstverleugnung traten die Athener auch den Oberbefehl über die Flotte dem Spartaner Eurybiades ab. Xerxes erzwang sich bei Thermopylä den Weg nach Hellas durch den Verrat des Ephialtes. Die griechische Flotte, welche der persischen, die durch Stürme ungeheure Verluste erlitten, bei Artemision mehrere unentschieden Gefechte geliefert hatte, begab sich hierauf nach dem Saronischen Meerbusen, während Xerxes Phokis verwüsten ließ und nach der freiwilligen Unterwerfung von Lokris und Böotien in Attika einfiel, dessen Einwohner nach Salamis, Ägina und Argolis geflüchtet waren. Athen wurde ohne Widerstand von den Persern besetzt und verbrannt. Die Spartaner wollten sich nun auf die Verteidigung des Peloponnes beschränken, Hellas also preisgeben; aber die Athener unter Themistokles zwangen sie durch Drohungen und List dazu, den Kampf mit der doppelt so starken persischen Flotte aufzunehmen. Der glänzende, wiederum hauptsächlich durch die Athener erfochtene Sieg bei Salamis (20. Sept.) bewog Xerxes, nach Asien zurückzukehren und nur Mardonios mit 300,000 Mann in Thessalien zurückzulassen, um das unterbrochene Werk der Unterwerfung Griechenlands 479 wieder aufzunehmen. Wirklich gelang es Mardonios im nächsten Frühjahr, abermals infolge der Saumseligkeit der Peloponnesier, ganz Mittelgriechenland zu besetzen; erst im Sommer sammelte sich das griechische Heer, 110,000 Mann, unter Pausanias und Aristeides und lieferte nach verhängnisvollem Schwanken im September 479 den Persern bei Platää in Böotien eine Schlacht, in der Mardonios fiel und, während die übrigen Griechen zurückwichen, die Athener und Spartaner durch ihre wetteifernde Tapferkeit einen glänzenden Sieg über die Perser errangen; das persische Lager mit unermeßlicher Beute fiel in ihre Hände, Theben wurde für seine Hinneigung zu den Persern gezüchtigt. Um dieselbe Zeit erstürmte die Bemannung der griechischen Flotte unter Leotychides und Xanthippos das persische Schiffslager auf dem Vorgebirge Mykale in Kleinasien und brach die Seeherrschaft der Perser im Ägeischen Meer.

Sofort schritten nun die Athener zur Befreiung der kleinasiatischen Städte von dem Joch der Perser und stifteten den Athenischen Seebund zur Verteidigung der Unabhängigkeit Griechenlands. Ein Versuch der Perser 466, das Verlorne wiederzugewinnen, wurde durch Kimons Doppelsieg am Eurymedon vereitelt. Kimon betrieb darauf mit Eifer die Fortsetzung des Angriffskriegs gegen Persien und veranlaßte eine Unternehmung der Athener zur Unterstützung des Aufstandes in Ägypten unter