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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Philipp

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Philipp (Frankreich).

Ländchen Vexin. Nach dem Tod seiner ersten Gattin, Isabella von Hennegau, des letzten direkten Sprößlings der Karolinger, hatte sich P. in zweiter Ehe mit einer dänischen Prinzessin, Ingeborg, vermählt, aus Liebe zu Agnes von Meran sie aber wieder verstoßen; doch zwang ihn der päpstliche Bann, sie 1201 wieder anzunehmen. Nachdem Johann ohne Land 1199 den englischen Thron bestiegen, unterstützte P. die Thronansprüche des jungen Herzogs von Bretagne, der aber 1202 von Johann ermordet wurde. P. zog den Mörder als französischen Vasallen zur Verantwortung, erklärte ihn, als er nicht erschien, aller Lehen für verlustig und eroberte bis 1204 die ganze Normandie, Anjou, Maine, Touraine und Poitou. Als 1214 Kaiser Otto IV. und der Graf von Flandern als Verbündete Johanns mit einem Heer in das französische Gebiet eindrangen, schlug sie P. 27. Juli bei Bouvines in einer blutigen Schlacht. 1216 schickte er seinen Sohn Ludwig, dem die englische Volkspartei die englische Krone angetragen, mit einem starken Heer nach England. Nach Johanns inzwischen eingetretenem Ableben erklärte sich jedoch das englische Volk für dessen Sohn Heinrich III., und die Franzosen mußten im Mai 1217 England wieder verlassen. Das Krongebiet wurde von P. durch Einziehung und Eroberung fast um das Doppelte vergrößert, weswegen er auch den Beinamen August (von augere) erhielt, während nach andern er ihn von dem Monat seiner Geburt annahm. Er erließ ausgezeichnete Gesetze, gab den Gemeinden eine freie Verfassung, ordnete das Gerichtswesen, schaffte die Würde des Großseneschalls ab und begünstigte die Umwandlung des Pairshofs in ein königliches Obergericht. Er starb 14. Juli 1223 in Nantes und hatte seinen Sohn Ludwig VIII. zum Nachfolger auf dem Thron. Vgl. Capefigue, Histoire de Philippe Auguste (3. Aufl., Par. 1842, 2 Bde.); Mazabran, Philippe Auguste, roi de France (Lille 1878).

10) P. III., der Kühne, König von Frankreich, Sohn Ludwigs IX., des Heiligen, geb. 3. April 1245, befand sich mit seinem Vater zu Tunis, als derselbe durch seinen Tod 1270 die Krone auf ihn vererbte, schloß mit dem Dei einen nicht rühmlichen Frieden und kehrte sodann nach Paris zurück. 1271 erbte er die Grafschaft Toulouse, von welcher er dem päpstlichen Stuhl Venaissin abtrat. Auch überließ er Eduard I. von England auf dessen Forderung 1279 die Grafschaft Agenois. Um den Söhnen seiner Schwester Blanka die Erbfolge in Kastilien zu sichern, führte er seit 1276 einen unglücklichen Krieg mit diesem Reich, und nicht erfolgreicher war sein Feldzug 1285 gegen Katalonien, um die Sizilianische Vesper zu rächen und Aragonien, welches der Papst Philipps neugebornem Sohn geschenkt hatte, zu erobern. Seine Flotte wurde geschlagen, und sein Heer mußte sich nach Perpignan zurückziehen, wo P. 5. Okt. 1285 aus Gram starb. Vermählt war er mit Isabella von Aragonien, dann mit Maria von Brabant, die wegen der falschen Anklage, daß sie Isabellas Sohn Ludwig getötet habe, auf Philipps Befehl hingerichtet wurde. Vgl. Langlois, Le règne de Philippe III le Hardi (Par. 1887).

11) P. IV., der Schöne, König von Frankreich, Sohn des vorigen, geb. 1268, bestieg 1285 den Thron, nachdem er sich 1284 mit der jungen Königin Johanna von Navarra vermählt hatte, weshalb er auch den Titel eines Königs von Navarra führte. Den Krieg von Aragonien endete 1291 ein Vergleich. Eine zwischen normännischen und englischen Matrosen ausgebrochene Fehde benutzend, lud P. 1294 den König Eduard I. von England als seinen Lehnsmann vor sein Parlament, nahm, als derselbe nicht erschien, die Landschaft Guienne weg und rückte 1297 in das mit England verbündete Flandern ein; doch ward der Krieg 1299 durch einen Vertrag beigelegt, wonach Eduards I. Sohn Philipps Tochter heiratete. Nachdem P. den Grafen Guido gefangen genommen, vereinigte er Flandern mit der Krone. Die Härte seines Statthalters Châtillon gegen die Vlämen brachte diese jedoch 1302 zum allgemeinen Aufstand, und Philipps Heer erlitt 11. Juli 1302 bei Courtrai eine furchtbare Niederlage, so daß er im Frieden von 1305 das ganze jenseit der Lys gelegene Flandern zurückgeben mußte. Seinen Geldverlegenheiten suchte er durch Konfiskationen und Erpressungen aller Art, durch Aneignung des Münzrechts als Regal, durch Prägung schlechter Münzen (weswegen er beim Volk der Falschmünzer, faux monnayeur, hieß), durch die Beraubung und Vertreibung der Juden und Lombarden und durch Einführung einer regelmäßigen Steuer abzuhelfen. Da diese Bedrückungen auch den Klerus betrafen, so erließ Papst Bonifacius VIII. schon 1296 die Bulle "Clericis laïcos", in welcher der Geistlichkeit die Entrichtung von Abgaben ohne päpstliche Erlaubnis bei Strafe des Bannes untersagt wurde. P. rächte sich dafür durch ein strenges Verbot der Abgaben an die Kurie. Als der Papst 1302 in einem Schreiben (Ausculta fili) den König nicht nur in geistlichen, sondern auch in weltlichen Dingen dem päpstlichen Stuhl untergeordnet nannte, ließ P. diese Anmaßungen durch eine Reichsversammlung zurückweisen, und als Bonifacius durch die berüchtigte Bulle "Unam sanctam" antwortete, befahl P., dieselbe zu verbrennen, appellierte an eine allgemeine Kirchenversammlung und ließ schließlich den Papst in seinem Palast zu Anagni aufheben und gefangen setzen. Schon 1303 aber stellte Bonifacius' Nachfolger Benedikt IX. die Einigkeit zwischen Frankreich und Rom wieder her. Nach dem Tod Benedikts erhob P. 1305 den Erzbischof von Bordeaux, Bertrand de Got, als Clemens V. auf den päpstlichen Stuhl, verlegte aber gleichzeitig den Sitz des Papstes nach Avignon und verpflichtet diesen, seine Hand zur Aufhebung des Tempelherrenordens zu bieten, dessen Reichtum längst die Habsucht des Königs gereizt hatte. Am 12. Okt. 1307 wurden in Frankreich alle Templer gefangen genommen, durch Martern zu Geständnissen gezwungen und 113 Ritter zu Paris verbrannt, ihre Schätze aber zum Besten der Krone eingezogen. P. starb 29. Nov. 1314 in Fontainebleau. Unter seiner tyrannischen Regierung wurde die Macht der Vasallen gebrochen, die Kirche gedemütigt und das Krongebiet bedeutend konsolidiert. P. hinterließ drei Söhne, Ludwig X., Philipp V. und Karl IV., mit dem 1328 der direkte männliche Stamm der Kapetinger erlosch. Vgl. Boutaric, La France sous Philippe le Bel (Par. 1861); Jolly, Philippe le Bel (das. 1869); Zeller, Philippe le Bel et ses trois fils (das. 1885).

12) P. V., der Lange, König von Frankreich, zweiter Sohn des vorigen, geb. 1293, folgte 1316 seinem Bruder Ludwig X. in der Regierung und ließ sogleich von den Reichsständen das Salische Gesetz anerkennen. Er beschränkte die Tyrannei der Großen gegen ihre Unterthanen und schloß mit Flandern 1320 Waffenstillstand und dann Frieden, verfolgte dagegen auch die Ketzer in Südfrankreich und die Juden. Er starb 3. Jan. 1322, vielleicht an Gift. Vermählt war er mit Johanna von Burgund; von seinen Kindern überlebten ihn nur vier Töchter, daher ihm sein Bruder Karl IV. in der Regierung folgte.