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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Pisa

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Pisa (Geschichte der Stadt).

mit überreicher Ornamentierung; San Paolo a Ripa d'Arno (805 gegründet); San Sepolcro, ein interessanter (restaurierter) zehneckiger Zentralbau (von Diotisalvi 1150 errichtet). Hervorragende weltliche Gebäude sind: der Palazzo reale am Lungarno; der erzbischöfliche Palast; der Palast des Stephaniterordens, von Niccolò Pisano erbaut, von Vasari umgestaltet, mit Marmorbüsten von Großmeistern des Ordens; der Palazzo Lanfreducci (jetzt Upezzinghi), 1590 in karrarischem Marmor erbaut; der Palazzo Lanfranchi, dessen Zeichnung Michelangelo zugeschrieben wird; die Loggia dei Banchi (Markthalle); das Universitätsgebäude (1472 eröffnet) mit schönem Hof in Frührenaissance; der Palazzo pretorio mit Uhrturm; der Palazzo Agostini, ein gotischer Ziegelbau aus dem 15. Jahrh., u. a.

Die Zahl der Einwohner beträgt (1881) mit den fünf Vorstädten 37,704, als Gemeinde 53,957 Seelen. Industrie und Handel sind gegen früher bedeutend zurückgegangen; erstere ist durch mehrere Baumwollspinnereien und -Webereien, Seidenmanufakturen, Bandfabriken, Unternehmungen für Korallen- und Alabasterarbeiten u. a. vertreten. Der ehemals so blühende Handel Pisas ist zum größten Teil auf Livorno übergegangen, da die Stadt immer weiter vom Meer abgerückt ist. Unter den 19 Wohlthätigkeitsanstalten ist das große, 1258 gestiftete Krankenhaus zu nennen. Die Universität zu P. (1338 gegründet, durch Cosimo V. de' Medici erneuert) stand in frühern Zeiten in hohem Ruf und gehört noch immer zu den besten Hochschulen Italiens. Sie umfaßt vier Fakultäten: für Jurisprudenz, Medizin, Mathematik und Naturwissenschaften, Philosophie und Litteratur, und zählt 80 Lehrer und 1050 Studierende. Mit der Universität sind eine Bibliothek von 73,000 Bänden, ein naturhistorisches Museum, ein botanischer Garten und eine Agrikulturschule verbunden. Andre Bildungsinstitute sind: ein königliches Lyceum und Gymnasium, ein erzbischöfliches Seminar, eine technische Schule, eine Lehrerbildungsanstalt, eine Akademie der schönen Künste mit interessante Gemäldesammlung, ein erzbischöfliches und ein Staatsarchiv. Die Stadt besitzt ferner 4 Theater. P. ist der Sitz eines Präfekten, eines Erzbischofs, einer Finanzintendanz, eines Zivil- und Korrektionstribunals, eines deutschen Konsulats, einer Handelskammer und hat an Kreditinstituten eine Filiale der Nationalbank, eine Hypotheken- und Depositenbank, eine Volksbank etc. In der Umgebung von P. befindet sich die große königliche Meierei Cascine di San Rossore mit schönen Pinienwaldungen, großer Stuterei und Zucht von Dromedaren; im SW. an der Straße nach Livorno die alte, im 13. Jahrh. umgebaute dreischiffige Basilika San Pietro in Grado mit einer Reihe antiker Säulen, ein ehemals sehr besuchter Wallfahrtsort; gegen O. in der Valle di Calci ein Kartäuserkloster (Certosa), ein schöner, 1347 gegründeter Marmorbau mit Gemälden aus dem 17. Jahrh., und darüber der höchste Gipfel der Pisaner Berge, La Verrucca, 550 m hoch, ehemals mit Festung gekrönt; im NO. der berühmte Badeort Bagni San Giuliano (s. Bagni 2). Von P. stammen die Visconti und die Grafen della Gherardesca (berühmte Ghibellinen), Petrus Diaconus, Lehrer Karls d. Gr., die Päpste Eugen III. und Nikolaus V., die Bildhauer Niccolò und Giovanni Pisano, der Mathematiker Leonardo Fibonacci und der berühmte Physiker Galileo Galilei, deren Denkmäler teils im Campo santo, teils im Universitätsgebäude aufgestellt sind.

[Geschichte.] P., im Altertum Pisä, war eine der Zwölfstädte Etruriens, am Zusammenfluß des Auser (Serchio) und Arnus, die jetzt getrennt fließen, und wegen ihres gleichen Namens mit der elischen Stadt P. am Alpheios in der Sage mit dieser verknüpft (daher auch ihr Beiname Alphea). 180 v. Chr. ward sie römische Kolonie, erhielt unter Augustus den Namen Colonia Julia Pisana und die Rechte eines Munizipiums. Eine Stunde nördlich von der Stadt waren die Aquae Pisanae, heiße Mineralquellen. Auch besaß die Stadt einen guten Hafen, Portus Pisanus. Nach dem Untergang des weströmischen Reichs gehörte P. zum langobardischen und später zu dem mit dem fränkischen, dann dem Deutschen Reich verbundenen Königreich Italien. Da der Arno damals südwestlicher mündete und bis P. große Kriegsschiffe trug, so entwickelte sich P. früh zu einer Seestadt. Schon 980 stellten die Pisaner Otto II. Schiffe für seine Unternehmung gegen Unteritalien und kämpften seit Beginn des 11. Jahrh. mit Erfolg zur See gegen die Sarazenen, denen sie 1022 Sardinien entrissen, die sie 1030 in Afrika selbst überfielen und 1063 bei Palermo besiegten. Handel und Verkehr entwickelten sich mit der wachsenden Seemacht zu hoher Blüte, die Stadt füllte sich mit fremden Kaufleuten an, der Reichtum Pisas wurde sprichwörtlich, und das Pisaner Handelsstadt vom Jahr 1078 diente allen mittelalterlichen Handelsvölkern als Norm. Am ersten Kreuzzug nahmen 120 pisanische Schiffe teil, und die Pisaner erlangten in den syrischen Handelsstädten wichtige Freiheiten und eigne Gerichtsbarkeit. Durch die Eroberung der Balearen 1114 wurden sie Herren des westlichen Mittelmeers. Die Rivalität mit Genua führte bereits im 11. Jahrh. zu feindlichen Zusammenfließen, die, beigelegt, immer wieder ausbrachen und durch den Anschluß Pisas an die ghibellinische Partei noch verschärft wurden. Durch den Freiheitssinn und den Handelsgeist seiner Bürger hob sich aber Pisas Macht so sehr, daß es in der Mitte des 12. Jahrh. unter den Hohenstaufen ein fast unabhängiger Freistaat war, dessen Gebiet damals die ganze sehr angebaute Maremma von Lerici bis Piombino am Tyrrhenischen Meer umfaßte. Zu den Konsuln, welche damals an der Spitze der Republik standen, kamen 1190 ein Podesta und 1254 Capitani des Volkes, zuweilen auch Capitani del Massade (Feldhauptleute der Republik). Ihre eifrige Parteinahme für die Sache der Staufer verwickelte die Pisaner auch in heftige Kämpfe mit dem aufblühenden Florenz, welche von wechselvollem Ausgang waren. Der Untergang des staufischen Geschlechts aber, verbunden mit dem Verlust der christlichen Besitzungen in Asien, schwächte die Macht Pisas zu einer Zeit, wo es durch die Errichtung des Campo santo (1278) den höchsten Triumph seiner Kunst feierte. Die Nebenbuhlerschaft wegen Corsicas und Sardiniens veranlaßte 1282 einen neuen Krieg zwischen Genua und P., in welchem letzteres 1284 in der Seeschlacht bei Molara seine Flotte verlor, ein Schlag, von welchem sich die Stadt nie wieder erholte. Ihre übrigen Feinde, Lucca, Pistoja, Florenz, Siena, Prato, Volterra etc., verbanden sich mit Genua, und während dieses P. zur See angriff, bekämpften jene es zu Land, und nur der Umstand, daß auch in P. 1285 die guelfische Partei an das Ruder kam, rettete die Stadt. Das Haupt dieser Guelfen war Ugolino della Gherardesca (s. d.), der aber 1288 von den Ghibellinen gestürzt wurde und mit zweien seiner Söhne im Hungerturm endete. Nach ihm war Guido, Graf von Montefeltro, ein Ghibelline, Herr der Stadt. 1290-92 bestand P. einen neuen un-^[folgende Seite]