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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Rio de Janeiro

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Rio de Janeiro (Stadt).

Feuerwehr und zahlreiche Pferdebahnen, die den Verkehr auch mit den entferntesten Vorstädten vermitteln. Unter den Straßen der Altstadt ist die Rua direita hinter dem Kai die belebteste. Sie ist Sitz der Kaufleute, und in ihr liegen das Zollhaus, die Börse, das Postgebäude und die Kathedrale; südlich mündet sie in den Largo do Paco mit dem alten kaiserlichen Palast (in welchem die bei Hoffesten benutzten Galaräume liegen, der aber nicht vom Kaiser bewohnt wird), dem Abgeordnetenhaus und einer Markthalle. Die in die Rua direita einmündende Rua do Ouvidor ist eine der schönsten der Stadt mit zahlreichen luxuriös ausgestattete Läden; sie führt auf den Largo de São Francisco de Paulo, den eine Statue José Bonifacios ziert. Schön angelegt ist der Praça da Constitução mit dem zweiten Theater der Stadt (São Pedro d'Alcantara) und dem Denkmal des Kaisers Pedro I. Der ausgedehnte Praça de Acclamação, zur Erinnerung an die Erklärung der Unabhängigkeit Brasiliens so genannt, trennt die Altstadt von der Cidade nova. An diesem zu einem Park umgeschaffenen Platz liegen die St. Annakirche, eine große Kaserne, die Münze, der Senatspalast, das Nationalmuseum, das Stadthaus, das Opernhaus und der Bahnhof der Dom Pedro II.-Bahn. In der Neustadt sind die Straßen breiter und weniger belebt als in der Altstadt, sie bietet aber sonst nichts Bemerkenswertes, wogegen sich die Vorstädte durch zahlreiche Villen und üppige Gärten auszeichnen. In der Vorstadt Matoporcos, beim Morro de São Rodrigues (117 m), im SO., befindet sich das großartige Zuchthaus; an sie grenzt Engenho velho. Nördlicher, an der Bai, liegt São Christovão mit dem kaiserlichen Schloß Boa Vista in unvergleichlich schöner Lage. Wichtiger sind die südlichen Vorstädte, zunächst Ajudá und da Gloria, mit dem Jardim publico, einem englischen Park, am Ufer der Bai, der Nationalbibliothek und dem reich ausgestatteten Casino Fluminense, einem Klub. Auf dieses folgt Cateba, dessen Villen sich die Hügelhänge hinanziehen, mit dem Hospital des Portugiesischen Wohlthätigkeitsvereins. Im Hintergrund einer Bai, zwischen dem Corcovado und einer gegen den offenen Ozean hin liegenden Hügelreihe, erstreckt sich die südlichste Vorstadt, Botafogo, mit der großen Irrenanstalt Dom Pedros II. und dem Quartél de Praia Vermelha, einer befestigten Kaserne, jetzt Militärschule. Südwestlich von Botafogo liegt der botanische Garten mit seiner berühmten Allee von Königspalmen. Alt- und Neustadt von R. sind nur 3000 m lang und etwa 1600 m breit, aber mit ihren Vorstädten mißt die Stadt fast 10 km von NW. nach SW. und erstreckt sich 16 km weit längs der Bai. Das Klima galt früher für gesund, aber seit 1849 fordert das gelbe Fieber fast jährlich seine Opfer (Januar bis Mai). Nach Beobachtungen auf der Sternwarte ist die Temperatur des Januars 26,5° C., die des Juli 21,4° C., und es fallen jährlich an 99 Tagen 1110 mm Regen.

R. soll 1872: 228,743 Bewohner gehabt haben, von denen 37,567 Sklaven waren; 1885 schätzte man aber die Bevölkerung auf 357,332 Seelen. Unter den Ausländern sind, abgesehen von den Portugiesen, die Franzosen am zahlreichsten; ihnen gehören die reichsten Verkaufsläden, sie beteiligen sich aber auch am Großhandel. Ihnen zunächst kommen die Deutschen (etwa 5000), meist Kaufleute, Gastwirte, Lehrer und Handwerker, mit eignen Schulen, protestantischer Kirche (seit 1845) und dem schönen Germaniaklub. Auf sie folgen die Engländer, die indes im Großhandel die hervorragendste Stellung einnehmen. R. ist vorwiegend Handelsstadt, hat aber auch bedeutende gewerbliche Anstalten. Abgesehen von dem Arsenal da Corte (der Marinewerkstätte auf der Ilha dos Cobras), sind hier zu erwähnen: Eisengießereien, Maschinenbauwerkstätten, Baumwoll- u. Segeltuchwebereien, Tabaks- und Zigarrenfabriken, Destillationen, Brauereien, Korn-, Säge- und Ölmühlen, Hutfabriken, Diamantenschleifereien, Gerbereien etc. Eigentümlich ist R. die Herstellung von Blumen aus dem vielfarbigen Gefieder der Vögel. Der Handel ist ungemein wichtig, denn R. ist der Hauptstapelplatz Brasiliens sowie der ganzen Ostküste Südamerikas. Monatlich gehen 15 Postdampfer nach Europa und 2 nach Nordamerika ab, und noch häufiger ist die Verbindung mit den Küstenstädten. Auch führen bereits mehrere Eisenbahnen in das Innere. Die Stadt bietet jegliche Bequemlichkeit für die Reparatur von Schiffen und hat mehrere Docks. Unter den Anstalten, die den Handel fördern, sind auch seine 9 größern Banken zu erwähnen (darunter die Banco do Brazil mit 33 Mill. Milreis Kapital). Im J. 1885/86 liefen 11,160 Schiffe von 1,287,119 Ton. Gehalt vom Ausland ein. Unter den vom Ausland eingelaufenen Schiffen waren 503 englische, 112 französische, 120 deutsche, 53 brasilische, 80 schwedische und 84 nordamerikanische. Die Ausfuhr (ohne Küstenhandel) betrug 1863-64: 54,225,000 Milreis, 1882-83: 90,994,216, 1885-86: 92,469,238 Milreis; die Einfuhr in denselben Jahren belief sich auf bez. 20,075,000, 99,196,638 und 100,164,914 Milreis. Von der Ausfuhr kommen etwa 94 Proz. auf Kaffee (1885-86: 86,827,722 Milreis). Wichtig sind ferner: Zucker, Gold, Tabak, Häute, Rosenholz, Jakaranda und Diamanten. Die Einfuhr besteht zwar vorwiegend aus Fabrikwaren (namentlich Zeugen, Gold-, Silber- und Platinawaren, Maschinen etc.); daneben werden aber auch Getreide, Fleisch, Fische und andre Lebensmittel in Masse eingeführt. Von der Einfuhr kamen 1885-86: 40 Proz. aus England, 12 Proz. aus Frankreich und 9½ Proz. aus Deutschland; von der Ausfuhr gingen 66 Proz. nach den Vereinigten Staaten. R. ist Sitz eines deutschen Berufskonsuls. Unter den zahlreichen Wohlthätigkeitsanstalten ist die Santa Casa de Misericordia, ein 1605 gegründetes Krankenhaus mit einem Vermögen von 17 Mill. Milreis, wohl die bedeutendste. Ebenbürtig schließt sich derselben die Irrenanstalt Dom Pedros II. an. Ferner verdienen Erwähnung: die Blinden- und Taubstummenanstalt, das Findelhaus, das Waisenhaus, ein Hospital für Aussätzige und die Erziehungsanstalt von Santa Theresa. Als Sitz des Hofs und der vorzüglichsten wissenschaftlichen und Kunstinstitute des Landes ist R. der Mittelpunkt des geistigen Lebens Brasiliens. Unter den Anstalten dieser Art verdienen Beachtung: die Sternwarte, das Nationalmuseum (mit naturhistorischen und anthropologischen Sammlungen) und die Nationalbibliothek (130,000 Bände). An Bildungsanstalten besitzt die Stadt: eine medizinische Schule, eine polytechnische Schule, eine Akademie der schönen Künste (mit Gemälde- und Skulpturengalerie), eine Kriegsschule, eine Seeschule, eine Handelsschule, eine Gewerbeschule, eine landwirtschaftliche Schule, ein Konservatorium der Musik und das vortrefflich eingerichtet Collegio Dom Pedros II. (ein Realgymnasium). Unter den wissenschaftlichen Vereinen sind das historisch-geographische Institut, die medizinische Akademie, ein Juristenverein, die Vellosische Gesellschaft (für Naturgeschichte und Anthropologie), ein Landwirtschaftlicher