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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Rumänien

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Rumänien (Heer und Flotte, Wappen etc.; Geschichte).

Waltscha, Buzau und Ardschisch in der Walachei und zu Roman, Husi und für die untere Donau in der Moldau angehören. Die weltliche Geistlichkeit zählt 22,178 Personen mit 6765 Gotteshäusern; die Zahl der Klöster, welche in den beiden letzten Jahrzehnten sehr zurückgegangen ist, beläuft sich noch auf 168 mit 1429 Mönchen und 2709 Nonnen. Die Katholiken haben einen Erzbischof in Bukarest und einen Bischof in Jassy; protestantische Gemeinden finden sich in Bukarest, Plojesti, Pitesti, Turnu Severin, Krajowa etc. Die Juden besitzen 422, die Türken 238 Gotteshäuser. Für die Justizpflege bestehen ein Kassationshof (Bukarest), 4 Appellhöfe (in Bukarest, Jassy, Krajowa und Fokschani), 34 Tribunale (darunter 2 mohammedanische in der Dobrudscha) und 163 Friedensrichter (einer in jedem Bezirk). Für Strafsachen ist die Jury eingeführt, die Todesstrafe abgeschafft. Die Richter werden vom König ernannt, und nur die Räte des Kassationshofs sind unabsetzbar. Das Verfahren ist durchweg öffentlich und mündlich. Die Gesetze sind seit Cusa kodifiziert u. den französischen nachgebildet. Die Finanzen leitet der betreffende Minister; für die Kontrolle besteht ein Rechnungshof. Die Umlegung der direkten Steuern geschieht alle fünf Jahre. Das Budget für 1888/89 beziffert die Einnahmen wie die Ausgaben auf 181,066,324 Lei. Unter den Einnahmen sind die direkten Steuern auf 27,500,000, die indirekten auf 39,055,000, die Erträge aus den Staatsmonopolen (Tabak, Salz, Zündhölzchen) auf 41,305,000, aus den Domänen auf 22,916,533 Lei veranschlagt. Unter den Ausgaben erfordert die öffentliche Schuld 66,015,450, die Armee 32,817,711, Kultus u. Unterricht 14,253,401, die Finanzen 9,633,679, Inneres 10,211,142 Lei. Die Staatsschuld beträgt (1889) 788¾ Mill. Lei (wovon ¾ produktiv angelegt), darunter 34 1/3 Mill. Lei Schatzscheine.

In militärischer Hinsicht wird R. eingeteilt in vier Armeekorpsbezirke (Krajowa, Bukarest, Galatz, Jassy) und einen Divisionsbezirk (Dobrudscha). An der Spitze des Heers steht der König, während die Verwaltung vom Kriegsminister geleitet wird. Das Heer (Friedensstärke 33,714 Mann und 1430 Offiziere; Kriegsstärke, ohne Milizen, 2638 Offiziere, 113,500 Mann, 16,500 Pferde, 370 Geschütze) umfaßt drei Elemente: 1) das stehende Heer: Infanterie, Jäger, Kavallerie, Artillerie, Genie, Train; 2) die Territorialarmee: 33 Infanterieregimenter (Dorobanzen), 12 Regimenter Kavallerie (Kalaraschi), 18 Batterien; 3) die Miliz (32 Bataillone). Wehrpflichtig sind alle Rumänen vom 21. bis 46. Jahr; die Dienstzeit für das stehende Heer ist 3 Jahre aktiv, für die Territorialarmee bei den Dorobanzen 5 Jahre, bei den Kalaraschi 4 Jahre. Das Los entscheidet, ob jemand in das stehende Heer oder die Territorialarmee eintritt. Die aus der aktiven Armee Entlassenen gehören bis zum 30. Lebensjahr der Reserve, bis zum 46. Lebensjahr der Miliz an. Die Dorobanzen werden nur monatlich zehn Tage zum Dienst herangezogen; die Miliz übt Sonntags. Die Armee ist zum größten Teil mit Martiny-Gewehren bewaffnet, die Artillerie hat Kruppsche Kanonen. Es bestehen eine Militärwaffenfabrik, eine Offizierschule (Bukarest), eine Unteroffizierschule (Bistritza) und 14 Militärspitäler. Seit 1885 wird Bukarest in eine starke Festung mit 18 Gürtelforts umgeschaffen. Ebenso ist die Befestigung der Serethlinie nach Schumannschem System in Angriff genommen. Die Kriegsmarine besteht aus einem Torpedokreuzer, 2 Radavisos, 6 Kanonenbooten, 5 Torpedofahrzeugen, einem Schulschiff und 10 Schaluppen; die Bemannung zählt 1751 Mann (darunter 46 Offiziere und Ingenieure). - Das Wappen Rumäniens (s. Tafel "Wappen") ist ein schwarz und weiß quadrierter Mittelschild; im ersten, blauen Felde des Hauptschildes befindet sich ein gekrönter goldener Adler mit silbernem Kreuz im Schnabel (dem alten Wappen der Walachei entnommen), im zweiten, roten Feld ein schwarzer Stierkopf mit goldenen Hörnern, zwischen denen ein goldener Stern steht (für die Moldau); im dritten, roten Feld steigt aus einer Königskrone ein doppelschwänziger goldener Löwe zur Hälfte hervor; im vierten, blauen Feld zwei mit den Köpfen gegeneinander gekehrte Delphine. Schildhalter sind zwei Löwen; darunter die Devise: "Nihil sine Deo". Die Landesfarben sind Blau, Gelb und Rot; die Flagge ist vertikal gestreift (s. Tafel "Flaggen I"). An Orden bestehen: der Stern von R. (seit 1877) und die Krone von R. (seit 22. Mai 1881). Haupt- und Residenzstadt ist Bukarest.

Vgl. Neigebaur, Beschreibung der Moldau und Walachei (Bresl. 1854, 2 Bde.); Obédénare, La Roumanie économique (Par. 1876); Henke, R., Land und Volk (Leipz. 1877); Beaure u. Mathorel, La Roumanie (Par. 1878); Aurelian, Terra nostra (Bukar. 1880); Filek v. Wittinghausen, Das Königreich R. (2. Aufl., Wien 1881); W. Götz, Das Donaugebiet mit Rücksicht auf seine Wasserstraßen (Stuttg. 1882); Samuelson, Roumania past and present (Lond. 1882); E. de Laveleye, La péninsule des Balcans (Brüssel 1886; deutsch, Leipz. 1888 ff.); Blaramberg, Essai comparé sur les institutions, les lois et les mœurs de la Roumanie (Par. 1886); Bergner, R., Land und Leute (Bresl. 1887); "Statistica din Romania" (offizielles Sammelwerk); "Annuaire de Roumanie". Eine Generalkarte der Walachei (1:288,000) des militärgeographischen Instituts in Wien erschien 1867 in 6 Blättern. Eine systematische Landesaufnahme fehlt bis jetzt.

Geschichte.

Die Ufergebiete der untern Donau waren in den ältesten Zeiten von dem thrakischen Volk der Geten oder Dacier, der östliche Teil zeitweilig auch von den Skythen bewohnt. Zur Abwehr der häufigen Einfälle der kriegerischen Dacier in die benachbarten römischen Provinzen hatte Rom wiederholt seine Legionen gegen sie zu schicken. Kaiser Trajan eroberte in zwei großen Feldzügen (101-106) Dacien, verwandelte es in eine römische Provinz und kolonisierte es mit Römern. Die Blüte dieser Ansiedelungen dauerte bis zu den Einfällen der Goten (270). Kaiser Aurelianus zog die Legionen aus Dacien zurück und führte einen großen Teil der Kolonisten jenseit der Donau nach Mösien über, das fortan Aurelianisches Dacien hieß. Nunmehr ergoß sich der Strom der Barbaren über dieses Gebiet. Hunnen, Gepiden (450), Avaren (555), Slawen, Bulgaren (680), Ungarn (830), Petschenegen (900), Kumanen (1050) besetzten es nacheinander. Die germanischen Stämme verschwanden nach kurzem Aufenthalt, die slawischen und finnischen verschmolzen sich mit den dako-römischen Elementen allmählich zu dem rumänischen Volk, über dessen Schicksale während fast eines Jahrtausends wir wenig wissen (s. den Artikel Rumänen). Im 10. und 11. Jahrh. bildeten sich in verschiedenen Teilen Daciens kleinere Herzogtümer (Banate), von denen die in Siebenbürgen und an der Theiß gelegenen von den Ungarn unterworfen wurden. Die Fürstentümer südlich und östlich von den Karpathen widerstanden den Petschenegen, Kumanen und Tataren, bis sie sich im 14. Jahrh. zu zwei selbständigen Staaten, Moldau und Walachei, unter Führung kriegerischer Häuptlinge (Dra-^[folgende Seite]