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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Säule

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Säule (Säulenordnungen: dorische, ionische, korinthische).

die dorischen (s. Tafel "Säulenordnungen", Fig. 1 bis 3) die einfachsten Formen und schwersten Verhältnisse, die ionischen (Fig. 4-6) flüssigere Formen und leichtere Verhältnisse, die korinthischen (Fig. 7) die reichsten Formen und schlanksten Verhältnisse zeigen. Nachdem man diese Formen und Verhältnisse als Richtschnur für spätere Bauperioden aufgenommen und zusammengestellt hat, unterscheidet man die dorische, ionische und korinthische Säulenordnung. Als Beispiele der römischen (der griechisch-korinthischen nachgebildeten) Säulenordnung können die Fig. 8 und 9 dienen. Unter den Säulen der übrigen Baustile sind diejenigen des altchristlichen und mohammedanischen sowie des romanischen und gotischen Stils (s. Tafeln "Baukunst VII-IX" und Tafeln "Kölner Dom") als eigenartige Stützen gewölbter Decken hervorzuheben, wenn sie auch nicht so typisch auftreten wie in den griechischen Säulenordnungen mit wagerechten Balkendecken.

Die drei Hauptteile jeder Säulenordnung sind: das die Decke bildende Gebälk, die jene Decke tragende lotrechte S. und der wagerechte, die S. unterstützende Unterbau (Säulenstuhl, Stylobat). Das Gebälk zerfällt wieder in drei Teile, wovon der unterste, der Architrav, den eigentlichen Deckenträger, der oberste, das Kranzgesims (Geison), die Abdeckung, der mittlere, der Fries, den Träger der Deckenquerbalken bildet (s. Tafel "Säulenordnungen", Fig. 1 u. 9). Auch die S. zerfällt in drei Teile, wovon der oberste, das Kapitäl, den Architrav aufnimmt, der unterste, die Basis, auf dem Unterbau ruht und der mittlere, der Schaft, den eigentlichen Körper der S. bildet (Fig. 9). Der mehr oder minder hohe Unterbau eines Tempels (Stereobat) besteht meist aus drei oder mehreren hohen Stufen, auf deren oberster die Säulen stehen. Die einzelnen Teile des Gebälks und der S. gestalten sich in den einzelnen Säulenordnungen in folgender Weise.

In der dorischen Säulenordnung, welche übrigens, wie uns die Überreste der besten dorischen Tempel, z. B. in Pästum (Fig. 1 u. 1a), das Parthenon in Athen (Fig. 2 und 2a), der Tempel des nemeischen Zeus (Fig. 3), lehren, in sehr verschiedenen Verhältnissen auftritt, besteht das Geison nur aus einer mit einfacher Kranzleiste gekrönten glatte, deren Unterfläche durch hervortretende, mit Tropfen (guttae) als Symbolen des Freischwebenden besetzte Platten (mutuli) a charakterisiert ist. Der Fries besteht aus den mit Dreischlitzen (Triglyphen) versehenen Trägern b des Geison und den zwischen denselben befindlichen Feldern (Metopen) c, welche bei ältern Tempeln dieser Gattung offen und bisweilen durch hineingestellte Gefäße geziert, bei spätern Tempeln geschlossen und zwar mit glatten oder mit Reliefs geschmückten Platten ausgefüllt waren. Unter dem Fries befindet sich der glatte, nur mit einem schmalen Plättchen bekrönte Architrav, an welchem häufig metallene Schilde oder vergoldete Weihinschriften oder Weihgeschenke angebracht waren. Unter jenen Plättchen befindliche Tropfen vermittelten Architrav und Triglyphen, deren einer über jeder S. und je einer oder je zwei über jedem Säulenzwischenraum angebracht waren, wonach man den monotriglyphischen und ditriglyphischen Bau unterscheidet. Den Architrav stützt ein stark verjüngter, mit einer leichten Anschwellung (Entasis) versehener und durch etwa 20 Kannelierungen e belebter runder Schaft mit seinem konsolenartig vorspringenden Echinus (Wulst). Dieser letztere bildet mit dem quadratischen Abakus als dem natürlichen Vermittelungskörper zwischen dem parallelepipedischen Architrav und dem zentralen Säulenschaft bis zu dem konkaven, oben durch einige vorspringende Plättchen (Riemchen) d und unten durch seichte Einschnitte begrenzten Säulenhals das dorische Kapital (Fig. 1a u. 2a). Dagegen hatte die dorische S. keine besondere Basis, sondern ersetzte dieselbe durch die starke Verbreiterung ihres Schafts und die damit verbundene Vermehrung seiner Stabilität. Die Höhe der S. mißt bei den Monumenten der besten Zeit 5½, bei den frühern und spätern Tempeln bez. 4 und 6½ ihrer untern Durchmesser, während der Säulenabstand etwa 1⅓ untere Durchmesser und das Verhältnis ihrer Gebälk- zu ihrer Säulenhöhe bez. etwa 1:2,4; 1:3 und 1:4 beträgt. Legt man den untern Halbmesser der S. als Einheit (Modulus) zu Grunde und teilt denselben in 30 Teile (Partes), so ergeben sich die in Fig. 1, 2 und 3 eingetragenen Verhältniszahlen zwischen der S., dem Gebälk und deren Teilen.

In der ionischen Säulenordnung, welche, wie uns die Überreste der besten ionischen Tempel, z. B. am Ilissos in Athen (Fig. 4), der Athene Polias in Priene (Fig. 5), der Athene Polias in Athen (Fig. 6), zeigen, ebenfalls in verschiedenen Verhältnissen auftritt, besteht das Geison aus einer meist unterschnittenen Hängeplatte, welche oben durch ein bisweilen mit Ornamenten geschmücktes Glied (Kymation) bekrönt und unten durch ein etwas ausgeladenes, gleichfalls ornamentiertes Glied, ohne oder mit Zahnschnitten (Fig. 6 u. 5), unterstützt wird. Der ionische Fries, welcher die Triglyphen nicht kennt, ist glatt oder mit durchlaufenden Skulpturen in Relief geschmückt und oben mit einem durch eine Perlschnur angehefteten, mit Blattwerk geschmückten Vermittelungsglied (Kymation) versehen. Durch ein glattes oder ornamentiertes Trennungsglied geschieden, folgt der meist durch schwache, bisweilen durch Perlschnüre vermittelte Vorsprünge in drei wagerechte Streifen zerlegte Architrav, der hierdurch ein wesentlich leichteres Ansehen erhält. Durch Vermittelung einer mit Blattwerk geschmückten quadratischen Platte nimmt die S. den Architrav, bez. das Gebälk auf. Sie zerfällt in das (aus einem durch eine Perlschnur angehefteten Kymation [Eierstab] und einer die Vermittelung des wagerechten Architravs als Last und der lotrechten S. als Stütze herstellenden Doppelspirale bestehende) Kapitäl (Fig. 4a bis 6a), den mit meist 24 durch schmale Stege voneinander getrennten Kannelüren versehenen Schaft und die meist durch eine Hohlkehle mit ihm vermittelte, oben und unten durch zwei wulstförmige Trennungsglieder begrenzte Basis (Fig. 4a u. 6a). Zu dieser attischen Basis, welche unmittelbar auf dem gemeinsamen Stylobat ruht, tritt bei der ionischen Basis (Fig. 5a), als Vermittlerin zwischen diesem und dem zentralen Säulenschaft, noch eine quadratische Unterlagsplatte. Die Höhe der S. mißt 8½-9½, der Säulenabstand 2 untere Durchmesser, während das Verhältnis der Gebälk- zur Säulenhöhe 1:4 bis 1:4,5 beträgt. Legt man auch hier den untern Halbmesser der S. als Einheit zu Grunde und teilt denselben in 30 Teile, so ergeben sich die in Fig. 4-6 eingetragenen Verhältniszahlen zwischen der S., dem Gebälk und deren Teilen.

Die korinthische Säulenordnung, so genannt nach der Stadt Korinth, schließt sich, wie Fig. 7 zeigt, in ihren Hauptteilen der ionischen Ordnung an, zeigt ein ähnliches Gebälk, dessen Geison mit Zahnschnitten versehen, dessen Fries glatt und dessen Architrav