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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Savoyen

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Savoyen (Geschichte).

rühmte Thal von Chamonix), außer dem Genfer See, von welchem 190 qkm hierher gehören, noch den See von Annecy sowie zahlreiche Mineralquellen und wird vom Rhône (Grenzfluß im W. gegen das Departement Ain), der Arve, Drance und mehreren andern Nebenflüssen desselben bewässert. Dampfschiffahrt findet auf dem Genfer und dem Annecysee statt. Die Bevölkerung belief sich 1886 auf 275,018 Einw. Von der nur zum kleinern Teil produktiven Bodenfläche kommen 13,216 Hektar auf Acker- und Gartenland, 44,448 auf künstliche, 34,791 auf natürliche Wiesen, 110,084 auf Waldungen, 8582 Hektar auf Weinland. Bodenprodukte sind: Weizen und Hafer (gegen 1 Mill. hl), Kartoffeln, Hanf, Tabak, Obst, insbesondere Kastanien, Wein (180,000 hl) und Holz. Die Viehzucht ist ziemlich ausgedehnt (133,239 Stück Rindvieh, 29,594 Ziegen) und liefert viel Käse. Die Industrie erstreckt sich im wesentlichen auf Spinnerei und Weberei in Baumwolle und Seide, Gerberei, Fabrikation von Papier, Bijouterien und Uhren. Die Eisenbahnen von Aix über Annecy nach Genf und von Collonges über Annemasse nach St.-Gingolph durchschneiden das Departement. Es zerfällt in die vier Arrondissements: Annecy, Bonneville, St.-Julien und Thonon und hat Annecy zur Hauptstadt. Das Departement S. umfaßt den südlichen Teil des Landes, grenzt im N. an das Departement Obersavoyen, im O. und Süden an die italienische Provinz Turin und das Departement Oberalpen, im W. an die Departements Isère und Ain und umfaßt 5759 qkm (104,57 QM.). Es ist ein hochalpines Land und enthält als Hauptfluß die Isère, welche hier viele kleine Nebenflüsse aufnimmt. Die Bevölkerung belief sich 1886 auf 267,428 Einw. (1861: 275,039). Der Boden ist zum Ackerbau wenig geeignet, nur ein Drittel ist anbaufähig. Von der Gesamtfläche kommen 90,028 Hektar auf Acker- und Gartenland, 65,033 auf künstliche Wiesen, 55,482 auf natürliche Wiesen, 122,615 auf Waldungen, 9912 Hektar auf Weinland. Die wichtigsten Bodenprodukte sind außer Getreide (ca. 1 Mill. hl): Kartoffeln, Tabak, Hanf, Kastanien und Wein (ca. 140,000 hl). Bei dem ausgedehnten Weideland ist die Viehzucht, namentlich auf Rinder und Schafe (1882 von erstern 140,375, von letztern 89,533 Stück), sehr lohnend, auch die Seidenkultur ist nennenswert. Vom Mineralreich ist das treffliche, allenthalben vorhandene Baumaterial, ferner Steinkohle und Eisenerz zu erwähnen. Hervorragende Mineralquellen finden sich zu Aix les Bains. Die Industrie erstreckt sich vornehmlich auf Seidenweberei, dann Papierfabrikation und ist im übrigen unbedeutend. Die Mont Cenis-Bahn mit den Zweigbahnen nach Albertville, Grenoble u. Annecy durchschneidet das Departement. Dasselbe zerfällt in vier Arrondissements: Albertville, Chambéry, Moutiers und St.-Jean de Maurienne; Hauptstadt ist Chambéry. Vgl. Mortillet, Géologie et minéralogie de la Savoie (Chambéry 1858); Barbier, La Savoie industrielle (Lyon 1875, 2 Bde.); Reiseführer von Mortillet, Joanne u. a.

[Geschichte.] S. (Sapaudia) wird schon im 4. Jahrh. v. Chr., als von Allobrogern bewohnt, erwähnt. 122 unterwarfen es die Römer und vereinigten es mit Gallia, von dem es später die Provinz Alpes Graiae et Poeninae bildete. 437 n. Chr. wurde es von den Burgundern besetzt, gelangte mit dem Untergang des burgundischen Reichs an das Frankenreich und wurde 880 dem arelatischen Reich (s. Burgund) einverleibt, mit dem es 1032 endlich an Deutschland kam. Seit 880 ward es durch Grafen als Vasallen des Reichs verwaltet. Als der mächtigste in dieser Zeit wird der Markgraf von Susa genannt, dessen Linie jedoch schon 1036 erlosch. Seine Macht vererbte sich auf die Grafen von Maurienne, welche als Stammväter der Herzöge von S. angesehen werden. Der erste bekannte derselben, Humbert I., mit den weißen Händen, der durch seinen Vater, den Sachsen Bertold, von Widukind abstammen, nach andern ein Sohn Irmengards, der zweiten Gemahlin König Rudolfs III. von Burgund, aus erster Ehe gewesen sein soll, ward von Rudolf III. 1016 zum Statthalter ernannt und von Kaiser Konrad II. 1034 mit Chablais und andern Besitzungen belehnt. Sein zweiter Sohn, Oddo, erwarb durch seine Vermählung mit Adelheid, einer Tochter Maginfrieds, Susa, Aosta und Turin; sein Sohn Amadeus II. (gest. 1080), der Bruder der Kaiserin Bertha, erhielt für seinen Beistand bei dem Zug Heinrichs IV. nach Canossa 1076 von diesem reichen Lohn. Sein Sohn Humbert II. unterwarf sich 1097 die Herrschaft Tarantaise. Unter Amadeus III., Humberts Sohn, wurden dessen Besitzungen 1111 von Heinrich V. zur Reichsgrafschaft erhoben; er war der erste, welcher neben seinem Titel eines Markgrafen von Turin auch noch den eines Grafen von S. führte. Thomas I. erwarb durch Kauf die Stadt Chambéry und das Waadtland und erhielt von König Philipp mehrere Reichslehen; er starb 1233. Sein Sohn und Nachfolger Amadeus IV. eroberte 1245 Turin und ward als treuer Anhänger Kaiser Friedrichs II. von diesem zum Herzog von Chablais und Aosta erhoben; er starb 1253. Seine Großneffen Thomas III. und Amadeus V. wurden die Stifter der beiden Linien Piemont und S. Der Stifter der Linie Piemont, Thomas, brachte das Schloß Pignerol und Toulouse an sich und starb 1282. Sein ältester Sohn, Philipp, vermählte sich 1301 mit Isabella von Villehardouin, die ihm Achaia und Morea zubrachte. Ersteres vertauschte er jedoch 1307 an den König Karl II. von Neapel gegen die Grafschaft Alba in den Abruzzen. Als die Linie mit Ludwig, welcher 1405 die Hochschule zu Turin stiftete, 1418 erlosch, fiel Piemont wiederum an die Linie S. Der Stifter der letztern, Amadeus V., der Große, wußte sein Gebiet sehr zu erweitern, unter anderm durch die Grafschaft Asti, und ward zum Reichsfürsten und Reichsvikar ernannt; er starb 1323. Sein Sohn Eduard (1323-29) verlor beträchtliche Gebiete an den Dauphin von Vienne, aber dessen Bruder Aymon (1329-43) erwarb durch Vermählung die Anwartschaft auf Montferrat. Amadeus VI. vergrößerte sein Gebiet durch Eroberung und Kauf, ward von Kaiser Karl IV. zum Reichsstatthalter in einem Teil der Schweiz ernannt, focht gegen die Türken in Griechenland, setzte die Primogenitur und die Unteilbarkeit der Lande fest und starb 1383. Sein Sohn Amadeus VII. erwarb die Schutzherrschaft über Nizza, Ventimiglia und Barcelonette, starb 1391. Dessen Sohn Amadeus VIII. erwarb durch Kauf 1401 die Grafschaft Genf, vergrößerte sein Gebiet noch durch viele andre Landstriche, ward 1416 von Kaiser Siegmund zum Herzog von S. erhoben, legte aber 1433 die Regierung nieder und ward 1439 vom Baseler Konzil unter dem Namen Felix V. zum Papst erwählt, dankte 1448 freiwillig ab und starb 1451 als Kardinal. Sein Sohn und Nachfolger Ludwig (1433-65) stellte 1445 in einem Grundgesetz die Unveräußerlichkeit der savoyischen Krongüter fest, erwarb ebenfalls mehrere Landstriche und vermählte sich mit Anna von Lusignan, der Tochter des Königs Johann II. von Cypern. Seine Nachfolger waren: Amadeus IX., starb 1472; Philibert I., starb 1482; Karl I., der seine Rechte kühn gegen Papst Sixtus IV.