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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schaf

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Schaf (Schafzucht).

b) Das deutsche (mecklenburgische, Boldebuker) Kammwollmerino mit gleichfalls langer Wolle, aber, obschon von dem französischen abstammend, infolge mangelhafterer Ernährung kleinerm Körper. Von geringerer Bedeutung ist das hier noch zu nennende Mauchampschaf mit langer (10 cm), seidenglänzender Wolle. Dieser Schlag von hornlosen, mastfähigen Schafen verdankt dem Umstand seine Entstehung, daß 1828 in der Merinoherde von Graux in Mauchamp zufällig ein Bocklamm mit langer, seidenartiger Wolle fiel, das dann weiter zur Zucht benutzt wurde.

Außer diesen Gruppen werden die englischen Schafe besonders im Zusammenhang genannt, weil wegen der vielen Kreuzungen ihre Einreihung in die obigen Gruppen nicht wohl durchführbar ist. Man bringt sie am passendsten in zwei Abteilungen, in langwollige (Niederungs-, Marschschafe) und in kurzwollige (Downs, Höhenschafe). Unter den langwolligen muß in erster Linie das Leicesterschaf (s. Tafel) genannt werden, welches von dem berühmten Züchter Robert Bakewell seit 1755 zu Dishley in der Grafschaft Leicester aus der heimischen, der friesischen ähnlichen Rasse gezüchtet wurde. Zuchtziel war ihm: größtmögliche Frühreife des Tiers bei größtmöglicher Produktion von Fleisch und Fett sowie leichte Mastfähigkeit. Dies ist in dem Leicesterschaf erreicht. Dasselbe hat einen leichten, nackten, ungehörnten Kopf mit leicht gewölbter Profillinie und kleinen, seitlich abstehenden Ohren, einen kurzen Hals, eine lange Stirn und Kruppe, einen hoch angesetzten, bei neugebornen Lämmern sehr langen Schwanz, hohe, weiß behaarte Beine. Die Körperhöhe beträgt 75 cm, das Gewicht der Mutterschafe 60-70 kg. Dabei trägt es eine kräftige, weiße, wenig fettschweißige, über 20 cm lange Kammwolle; das Schurgewicht beträgt 6 kg und darüber. Es ist aber empfindlich, wählerisch im Futter und wenig fruchtbar. Außerdem gehören zu derselben Abteilung das Cotswoldschaf mit kürzerer Wolle, aber größerm, starkknochigem, noch mehr mastfähigem Körper: das Lincolnschaf mit weicher, seidenglänzender, über 20 cm langer Kammwolle, 3,5-6 kg Schurgewicht, hervortretender Stirn und nacktem Kopf, aber von nicht so guter Frühreife und Mastfähigkeit; das Romney-Marsch- oder Kentschaf mit langem, schmalem, weißem Kopf, langen, spitzen, aufrecht stehenden Ohren und ziemlich hohen, dünnen Beinen; endlich das Devonshire- und das Tenswaterschaf.

Zu den kurzwolligen englischen Schafen, deren Wolle indessen immer noch bedeutend länger ist als die der langwolligsten Kammwollmerinos, gehören die Southdowns, Schafe von großer Frühreife und Mastfähigkeit. Der Rumpf hat ausgesprochene Parallelogrammform, Brust, Rücken und Kruppe sind breit und fleischig, dabei der knöcherne Brustkasten, wie man bei Betrachtung des lebenden Tiers kaum glauben sollte, und ebenso die Lunge auffallend klein, das Brustbein kurz. Der Kopf ist klein, kurz, schwarzbraun, ungehörnt, bis zu den Augen bewachsen, mit Vertiefungen über den Augen und kleinen, schwach herabhängenden Ohren versehen; die Beine sind fein, kurz und ebenfalls schwärzlich, das ganze Knochengerüst fein. Die Wolle ist weiß, mäßig fein, 8-10 cm lang, ziemlich gekräuselt und als Kammwolle zu verwenden; das Schurgewicht beträgt 1,50-2 kg. Ursprünglich von John Ellman in der Grafschaft Sussex seit 1770 gezüchtet, haben sie sich bald über ganz England und den Kontinent verbreitet. Weit weniger verbreitet sind die Shropshires, die Oxfordshiredowns, die Hampshiredowns, die Suffolks und die Cheviotschafe.

Schafzucht.

Die Zucht der Schafe ist besonders bei extensivem Wirtschaftsbetrieb in Gegenden mit großem Grundbesitz am Platz. Wo ausgedehnte Weideflächen ausgenutzt werden müssen, sind die Schafe ein unentbehrlicher Faktor in der Wirtschaft. Aber auch bei intensivem Betrieb, wo das wesentlichste Gewicht auf die Haltung des Rindviehs gelegt wird, sind die Schafe wertvoll durch Ausnutzung von sterilen, nicht zu Ackerland brauchbaren Höhenweiden, von Stoppelfeldern und Brachschlägen. Wo die Weide fehlt, wirft höchstens die Haltung von Fleischschafen eine Rente ab. Nach diesen wirtschaftlichen und den Absatzverhältnissen richtet es sich, ob die Schafzucht als Wollschäferei, als Fleischschäferei, als Stamm- oder Zuchtschäferei am zweckmäßigsten betrieben wird. Bei der Wollschäferei macht man wieder einen Unterschied, ob man hochfeine, zur Streichgarnfabrikation geeignete Wolle, Tuchwolle, oder mittelfeine, zur Kammgarnfabrikation taugliche Wolle, Kammwolle, oder endlich Wolle für mehrseitigen Gebrauch, à deux mains, gewinnen will. Bei der Produktion von Tuchwolle wird auf möglichste Reichwolligkeit der Tiere gesehen, während der Körper, das spätere Schlachtergebnis, mehr in den Hintergrund tritt; bei der Produktion von Kammwolle dagegen wird gleichzeitig bedeutendes Gewicht auf großen Körper und gute Mastfähigkeit der Tiere, also auf die Erzielung reichlicher Mengen von Fleisch und Fett, gelegt. Für die feine Tuchwolle sind geeignet die Elektorals, Elektoral-Negrettis und Negrettis, für gröbere Tuchwollen die verschiedenen Rassen von Landschafen, für Kammwolle die Rambouillets und deutschen Kammwollmerinos sowie einige englische Schafe, namentlich die Southdowns, zur Fleischschafzucht die verschiedenen englischen Rassen, besonders die Leicesters, Cotswolds, Southdowns, Oxfordshires und Hampshiredowns oder Kreuzungen dieser mit Merinos oder Landschafen. Wer Stammschäferei betreibt, will außer Wolle und Fleisch auch noch einen erklecklichen Gewinn aus dem Verkauf von Zuchttieren erzielen. Nächst der Rasse kommt es bei der Auswahl der Zuchttiere auf die Qualität der Individuen an. Bei Wollschafen ist natürlich das größte Gewicht auf die Beschaffenheit des Vlieses zu legen. Der zur Zucht benutzte Bock soll einen kräftigen, kurzen, breiten Kopf, behaarte, nicht rötlich durchscheinende Ohren, einen kurzen, muskulösen Hals, breiten, gerundeten Widerrist und Rücken, ein breites, nicht abfallendes Kreuz, eine breite, tiefe Brust, gute Rippenwölbung, nicht zu hohe, kräftige, weit auseinander und gerade gestellte Beine besitzen. Legt man außer dem Quantum der Wolle weniger auf die Feinheit derselben als auf gutes Schlachtergebnis Gewicht, so darf den Zuchttieren die erforderliche Größe nicht fehlen. Bei Fleischschafen fällt dieser Punkt (großer, parallelogrammförmiger Körper mit kleinem Kopf und kurzen Beinen, welche die Eigenschaft der Frühreife und guten Mastfähigkeit dokumentieren) in erster Linie ins Gewicht. Mit 2-2½ Jahren werden die Schafe zur Zucht verwendet. Die Dauer der Trächtigkeit beträgt etwa 5 Monate; Merinos tragen 150, Southdowns nur 144 Tage. Trotzdem läßt man nur einmal im Jahr (Winter, Frühjahr oder Sommer) lammen; nur in Stammschäfereien, wo der Verkauf von Zuchttieren hohe Einnahmen bringt, hält man wohl zuweilen an einer zweimaligen Lammung fest. Während der Trächtigkeit muß man