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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Schlangen - Schlangenwurzel.

Schlangen, 30-40, zuweilen noch mehr Kaliber lange Geschütze im Gegensatz zu den Kartaunen; vgl. Feldschlange und Geschütz, S. 222.

Schlangenbad (Karlsthaler Bad), Badeort im preuß. Regierungsbezirk Wiesbaden, Untertaunuskreis, in einem schönen, waldreichen Thal des Taunus, 310 m ü. M., hat (1885) 403 Einw. Die Heilquellen von S. bestehen in neun wasserreichen, indifferenten Thermen (Wildbädern) von 28-32,5° C., deren Hauptbestandteile kohlensaures und salzsaures Natron sind; sie werden in Bädern gegen Krämpfe, Lähmungen, Hysterie, Neuralgie, Hautkrankheiten, Rheumatismen, Gicht und schleichende, entzündliche Vorgänge in den Unterleibsorganen sowie gegen Gebrechen des Alters angewendet. Zur Trinkkur dienen die sogen. Schlangenquelle und die Marienquelle. Den Namen hat S. von der dort vorkommenden Äskulapnatter (Coluber flavescens). Vgl. die Schriften von Riehl (Wiesbad. 1851), Bertrand (Heidelb. 1878), Baumann (Schlangenbad 1884), Großmann (Wiesb. 1888).

Schlangendienst (Schlangenanbetung, Schlangenkultus, Ophiolatrie), die Verehrung der Schlangen, eine über alle Weltteile mit Ausnahme des schlangenlosen Australien verbreitete Kultusform, bei welcher man in gewissen einheimischen Schlangenarten entweder die Verkörperung der Gottheit überhaupt oder besonderer Erd-, Feuer-, Wasser- und Heilgötter oder des Genius loci, des Volksstammvaters und namentlich des bösen Prinzips vermutete. Am häufigsten scheint der Schlangenkultus einerseits aus der Verehrung der Unterweltsgottheiten und anderseits aus dem ehemals weitverbreiteten Feuerdienst hervorgegangen zu sein, indem man die züngelnde, zischende, beißende Flamme als Schlange personifizierte, daher die Darstellung der indischen, ägyptischen, persischen und griechischen Feuergottheiten als Schlange oder mit Schlangenfüßen. Sofern diese Götter häufig bei einem Umsturz des alten Religionssystems zum bösen Prinzip erklärt wurden, ging dieselbe Auffassung meist auf dieses über, daher die Darstellung des indischen aus dem Himmel gestürzten Feuergottes Ahi, des persischen Ahriman, der griechischen Titanen, des altnordischen Loki, des christlichen Lucifer etc. als "alte" Schlange, und deshalb treten auch so viele alte Heroen und selbst christliche Heilige als Drachentöter auf. In manchen Kirchen wurde die Drachenfigur, z. B. der Grauouilli (s. d.) in Metz, bis zur neuern Zeit aufbewahrt und das Fest seiner Tötung mit kirchlichen Aufzügen gefeiert. Indessen wurde aber auch anderseits die Schlange vielfach als wohlthätiger Dämon verehrt, als Genius der Heilquellen und Personifikation des Äskulap (eines Sohns des Feuergottes bei Ägyptern, Phönikern und Griechen). Doch mischten sich auch andre durch die abweichende Gestalt und Bewegungsweise sowie durch die geheimnisvolle Wirkung des Gifts angeregte Vorstellungskreise ein, und somit liegt hier eine so vielfache Symbolisierung von Naturkräften und religiösen Vorstellungen vor, daß die mehrfach versuchte Zurückführung auf Eine dem gesamten S. zu Grunde liegende Idee notwendig scheitern mußte. Besonders berühmt durch ihren S. waren die Ophiten (s. d.), welche davon ihren Namen erhielten. Zur Zeit der Entdeckung Amerikas wurde der S. bei den Indianern des Nordens, bei den Mexikanern und in Peru allverbreitet gefunden; heute blüht er insbesondere noch in manchen Ländern Afrikas und namentlich in einzelnen Distrikten Ostindiens, wo besondere Schlangenfesttage mit großartigen Tempelfütterungen unzähliger Brillenschlangen abgehalten werden. Sogenannte Schlangenzauberer und Giftdoktoren tragen in allen diesen Ländern viel zur Erhaltung des abergläubischen Nimbus der Schlange bei. Die Lösung des sich hierin darbietenden Rätsel- und Sagenknäuels haben (oft in sehr einseitiger Richtung!) versucht: Fergusson, Tree and serpent worship; mythology and art in India (Lond. 1868, Hauptquellenwerk); Mähly, Die Schlange im Mythus und Kultus der klassischen Völker (Leipz. 1867); Schwartz, Die altgriechischen Schlangengottheiten (Berl. 1858).

Schlangengift, die von den Giftdrüsen gewisser Schlangen abgesonderte, farblose oder schwach gelbliche, geruch- und geschmacklose, etwas schleimige Flüssigkeit, welche, in den Blutstrom eines andern Tiers gebracht, alsbald heftige Vergiftungserscheinungen hervorbringt, während sie im Magen sich völlig unschädlich erweist. Über die chemische Beschaffenheit des Schlangengifts ist wenig bekannt, doch scheint seine Wirkung auf Gegenwart von fermentartigen Substanzen zu beruhen. An der gebissenen Stelle zeigen sich sehr bald Anschwellung, dunkelbläuliche Rötung und heftige Schmerzen, dann treten Schwindel, Atemnot, Krämpfe, Betäubung ein, und oft erfolgt der Tod in kurzer Zeit. Die Behandlung hat vor allem den Übergang des Gifts aus der Wunde ins Blut zu verhindern. Umschnüren des Gliedes oberhalb der Wunde, festes Aufbinden eines platten und glatten Gegenstandes auf die Wunde, Aussaugen derselben (wobei der Aussaugende auch nicht die kleinste Wunde an den Lippen oder im Mund haben darf), Ausbrennen, Ätzen mit Ätzkali, Ammoniak, Karbolsäure ist am geratensten. Auch wird wiederholtes Einspritzen einer filtrierten 1proz. Lösung von übermangansaurem Kali unter die Haut in der nächsten Umgebung der Wunde empfohlen. Besonders aber haben sich sehr starke Alkoholgaben bewährt (vgl. Kreuzotter).

Schlangengras, s. Scorzonera.

Schlangenholz, s. Letternholz und Strychnos.

Schlangenindianer, s. Schoschonen.

Schlangeninsel (griech. Ophidonisi), rumän. Insel im Schwarzen Meer, 44 km nordöstlich von der Sulinamündung, mit hohen Ufern und einem Leuchtturm, nur 1 qkm groß; die alte Insel Leuke, welche einen Tempel des Achilleus trug und für den Ort galt, wohin Thetis ihres Sohns Leichnam brachte (daher auch Achillea genannt). Am 9. Sept. 1854 vereinigten sich hier die Franzosen mit der englisch-türkischen Flotte zu dem Feldzug gegen die Krim.

Schlangeninseln, s. Columbretes.

Schlangenköpfchen, s. Kauri.

Schlangenkraut, s. Calla und Arum.

Schlangenkultus, s. Schlangendienst.

Schlangenmoos, s. Lycopodium.

Schlangenrohr, s. Schlange.

Schlangensäule, ein aus drei zusammengewundenen Schlangenleibern bestehendes altgriech. Bronzedenkmal auf dem Atmeidanplatz zu Konstantinopel, ursprünglich der Untersatz eines goldenen Dreifußes, welchen die griechischen Staaten nach dem Sieg bei Platää (479 v. Chr.) als Weihgeschenk in Delphi stifteten. Auf den Windungen liest man die Namen der beteiligten Staaten.

Schlangenschwanzlinie, s. Ophiuride.

Schlangenstab, s. Caduceus.

Schlangenstein, s. Brillenschlange.

Schlangensterne, s. Asteroideen.

Schlangenträger, Sternbild, s. Ophiuchus.

Schlangenwurzel, s. Aristolochia.