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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Türkische Sprache und Litteratur

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Türkische Sprache und Litteratur.

kräftigster Weise hervor. Erstere ermöglicht namentlich die Bildung einer bedeutenden Menge von Konjugationen, wobei der Stamm des Verbums stets unverändert an der Spitze des Wortes stehen bleibt. So heißt sev-mek "lieben", sev-isch-mek "einander lieben", sev-isch-dir-mek "einander lieben machen", sev-isch-dir-il-mek "einander lieben gemacht werden", sev-isch-dir-il-me-mek "nicht einander lieben gemacht werden" etc. Während so der grammatische Bau rein uralaltaisch ist, hat der Wortschatz eine mannigfache Versetzung mit europäischen, namentlich aber mit arabischen und persischen Sprachelementen erfahren. Die natürliche Folge dieser Vermischung mit fremden Sprachelementen ist eine beträchtliche Verminderung des ursprünglichen türkischen Wortschatzes gewesen. Ihr Alphabet haben die Türken von den Arabern entlehnt, den 28 arabischen Konsonantenzeichen aber fünf neue Konsonanten hinzugefügt, von denen drei ihnen mit den Persern gemein sind, einer rein persisch und einer rein türkisch ist. Wie die Araber und Perser, schreiben und lesen die Türken von rechts nach links. In der Schrift und im Druck werden die Zeichen des Alphabets in verschiedener Weise kalligraphisch gemodelt. Es gibt daher besondere Schriftgattungen für den Bücherdruck, die Fermane (amtlichen Erlasse), die Poesie, den Briefverkehr (Kursivschrift) etc. Vgl. Grimm, Über die Stellung, Bedeutung und einige Eigentümlichkeiten der osmanischen Sprache (Ratib. 1877, Schulprogramm); ferner die Grammatiken von Redhouse ("Grammaire raisonnée de la langue ottomane", Par. 1846; "Simplified grammar", Lond. 1884) und Kazem Beg (deutsch von Zenker, Leipz. 1848), die zur praktischen Erlernung der Sprache dienenden Handbücher von Bianchi ("Guide de la conversation en français et en turc", Par. 1839), Wahrmund ("Praktisches Handbuch der osmanisch-türkischen Sprache, mit Wörtersammlung etc.", 2. Aufl., Gieß. 1884), Wells ("A practical grammar of the Turkish language", Lond. 1880), A. Müller ("Türkische Grammatik", Berl. 1889) u. a. und die Wörterbücher von Meninski ("Thesaurus linguarum orientalium", Wien 1660; 2. Ausg., das. 1780, 4 Bde.), Kieffer und Bianchi ("Dictionnaire-turc-français", 2 Tle., 2. Aufl., Par. 1850), von Bianchi ("Dictionnaire français-turc à l'usage des agents diplomatiques", 2. Aufl., das. 1843-46, 2 Tle.), Redhouse ("Turkish dictionary", 2. Aufl., 1880), Barbier de Meynard ("Dictionnaire turc-français", Par. 1881 ff., bisher 2 Bde.), Zenker ("Türkisch-arabisch-persisches Handwörterbuch", Leipz. 1866-76, 2 Bde.), Mallouf ("Dictionnaire français-turc", 3. Aufl., Par. 1881); für seinen besondern Zweck sehr wertvoll ist v. Schlechta-Wssehrds "Manuel terminologique français-ottoman" (Wien 1870), ein bequemes Handbuch Vambérys "Deutsch-türkisches Handwörterbuch" (Konstantinop. 1858). Für Reisezwecke dienen Finks "Türkischer Dragoman" (2. Aufl., Leipz. 1879) und Heintzes "Türkischer Sprachführer" (das. 1882). Die beste Chrestomathie ist diejenige von Wickerhausen (Wien 1853), für Anfänger recht praktisch die von Dieterici (Berl. 1854, mit grammatischen Paradigmen und Glossar).

Wie den Islam, haben die Türken auch ihre geistige Bildung durch die Araber und Perser erhalten. Die türkische Litteratur bietet uns daher wenig Originelles dar, sie ist vielmehr größtenteils eine Nachahmung persischer und arabischer Muster. Eins der ältesten poetischen Denkmäler der osmanischen Sprache ist das "Bâz nâmeh", ein Gedicht über die Falknerei, welches Hammer-Purgstall mit einem neugriechischen und mitteldeutschen von ähnlichem Inhalt zusammen unter dem Titel: "Falknerklee" herausgegeben und übersetzt hat (Pest 1840). Die osmanischen Dichter sind sehr zahlreich; Hammer-Purgstall hat in seiner "Geschichte der osmanischen Dichtkunst" (Pest 1836-38, 4 Bde.) uns allein 2200 Dichter mit Proben aus ihren Werken und kurzen biographischen Notizen vorgeführt. Hier heben wir nur die hauptsächlichsten hervor. Vor allen ist Lami (s. d.) zu nennen, wohl der fruchtbarste unter den osmanischen Dichtern (gest. 1531) und besonders durch seine vier großen epischen Gedichte berühmt. Ein sehr selbständiger Dichter ist Fasli, der unter Soliman d. Gr. lebte und 1563 starb. Sein allegorisches Gedicht "Gül u Bülbül" ("Rose und Nachtigall", deutsch von Hammer-Purgstall, Pest 1834) ist unter allen türkischen Gedichten europäischem Geschmack am meisten entsprechend. Der größte Lyriker der Osmanen ist Baki (gest. 1600), dessen "Diwan" Hammer-Purgstall (Wien 1825, wozu noch zu vergleichen "Geschichte der osmanischen Dichtkunst", Bd. 2, S. 360 ff.) deutsch herausgegeben hat. Die Osmanen selbst haben eine erhebliche Anzahl von Blumenlesen aus ihren Dichtern zusammengestellt. Die größte unter denselben ist "Subdet-ul-esch'âr" ("Creme der Gedichte") von Mollah Abd ul hajj ben Feisullah, genannt Kassade (gest. 1622), welche Auszüge aus 514 Dichtern nebst biographischen Notizen enthält. Auf dem Gebiet der Märchen und Erzählungen sind zu erwähnen: das "Humajunnâme" ("Kaiserbuch", vgl. v. Diez, Über Vortrag, Entstehung und Schicksale des Königlichen Buches, Berl. 1811; gedruckt Bulak 1836), eine Übersetzung der persischen Bearbeitung der Fabeln des Bidpai von Ali Tschelebi; ferner das "Tutinâme" ("Papageienbuch") des Sari Abdallah, ebenfalls aus dem Persischen (gedruckt Bulak 1838, Konstantinop. 1840; übers. von G. Rosen, 2 Bde., Leipz. 1858, und Wickerhauser, Hamb. 1863); die aus dem Arabischen übersetzten Geschichten der vierzig Wesire von Scheich Sade (türkisch hrsg. von Belletête, Par. 1812; deutsch von Behrnauer, Leipz. 1851). Zur Volkslitteratur gehören vor allem der unter dem Namen "Sîret-i Sejjid Batthâl" bekannte Ritterroman (vgl. Fleischer, Kleinere Schriften, Bd. 3, S. 226 ff.; gedruckt Kasan 1888, übers. von Ethé, Leipz. 1871, 2 Bde.) und die "Latha'if-i Chodscha Nassreddin Efendi" ("Schwänke des Herrn Meisters Nassr ed din", des türkischen Eulenspiegel, Konstantinop. 1837 u. ö., Bulak 1838; franz. von Decourdemanche, Par. 1876, Brüss. 1878; deutsch von Murad Efendi, Oldenb. 1877). Türkische Volkslieder veröffentlichte I. ^[Ignácz] Kunos in der Wiener "Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes", 2. u. 3. Bd. (1888-89); Volksmärchen derselbe (ungarisch, Budapest 1887; deutsch in der "Ungarischen Revue" 1888-89), ebenso ein Volksschauspiel ("Ortaojunu", Budapest 1888, türk. u. ungar.). Zahlreich und charakteristisch sind die türkischen Sprichwörter, von denen eine beliebte Sammlung Schinasi veranstaltet hat (gedruckt Konstantinop. 1863 u. öfter); eine andre ist von der Wiener orientalischen Akademie herausgegeben worden ("Osmanische Sprichwörter", Wien 1865, mit deutscher und franz. Übersetzung); "1001 proverbes turcs" übersetzte Decourdemanche (Par. 1878). Für die Geschichte ihres Reichs haben die Osmanen viel Material zusammengetragen. Ihre Reichsannalen beginnen mit dem Ursprung des osmanischen Herrscherhauses und reichen bis in die Gegenwart. Die Verfasser derselben sind: Saad ed