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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ungarn

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Ungarn (Bodenbeschreibung, Bewässerung, Klima, Areal).

ebene des Landes wird durch die Alpenausläufer in zwei Hälften geteilt, deren kleinere sich gegen W., die größere gegen O. erstreckt. Die kleine oder oberungarische Tiefebene (Preßburger Becken), zu beiden Seiten der Donau zwischen Preßburg und Komorn, etwa 12,000 qkm (220 QM.) groß, breitet sich in Eiform aus, liegt 130 m ü. M., ist meist von Bergen umschlossen und sehr fruchtbar, besonders der nördliche Teil und die Donauinsel Schütt (s. d.). Im N. und S. breiten sich auf bald flachem, bald hügeligem Boden die gesegnetsten Gefilde aus mit Äckern, Gärten, Wald, Obsthainen und Weinpflanzungen und dringen zungenförmig an den Flußthälern in die Vorkarpathen, Voralpen und den Bakonyer Wald ein. Die östliche große oder niederungarische Tiefebene (Alföld oder Pester Becken) wird im N. und O. von den Karpathen, im W. von den Voralpen, im S. von den alpinen Vorhöhen und dem Balkan umsäumt, erstreckt sich an der Donau von Budapest und an der Theiß von Szatmár bis zum Strompaß von Orsova und nimmt, ein ununterbrochenes Flachland bildend, im ganzen 96,910 qkm (1760 QM.) ein. Ausgedehnte Sumpfstrecken, Torf- und Moorgründe an der Donau und Theiß, unabsehbare Sandflächen, hier und da mit niedrigen Flugsandhügeln, wasser-, baum- und schattenlose Heideflächen, unterbrochen von Grasangern und fruchtbarem Ackerboden, weit auseinander liegende Meierhöfe auf den Pußten (s. d.), wenige, aber weitläufige und volkreiche Ortschaften bilden den Charakter der eigentlichen Heidelandschaft. Der nördliche Landstrich zwischen Donau und Theiß führt den Namen Kecskeméter Heide; südlich davon, in der sogen. Bácska, liegt das 169 m hohe Plateau von Telecska und südöstlich an der Theißmündung das Titler Plateau; ferner im NO. unterhalb des Theißbogens der Nyir und südlich hiervon die Debrecziner Heide oder Hortobágyer Pußta. Über 600 Flüsse und Bäche durchkreuzen U. nach allen Richtungen und gehören mit Ausnahme von Poprád und Dunajec, welche der Weichsel zufließen, sämtlich zum Gebiet der Donau, die bei Theben das Land betritt, sich bei Waitzen südwärts bis zur slawonischen Grenze wendet und das ungarische Gebiet bei Orsova verläßt. Sie nimmt rechts die Leitha, Raab, den Sárviz, die Drau mit der Mur und die Save, links die March, Waag, Neutra, Gran, Eipel, die mächtige Theiß, die Temes und die Aluta auf. In die Theiß münden rechts der Bodrog, Sajó mit dem Hernád und die Zagyva, links die Szamos, die dreifache Körös und die Maros. Alle Flüsse, insbesondere aber die Theiß mit ihren Nebenflüssen, verursachen durch Überschwemmungen fast jährlich bedeutenden Schaden; um diesen zu verhindern und zur Erleichterung der Schiffahrt wurden seit 1771, besonders aber seit 1845, umfassende Regulierungen vorgenommen und zahlreiche Kanäle erbaut, unter denen der Franzenskanal (zwischen der Donau und Theiß), der Begakanal (zwischen der Bega und Theiß), der Sárviz- oder Palatinkanal (zwischen Stuhlweißenburg und Szegszárd), der Albrechtskanal zur Entsumpfung des Bodens im Baranyaer Komitat, der Kapos oder Zichykanal im Tolnaer Komitat und der Siókanal (zwischen Plattensee und Donau) die bedeutendsten sind. In den Karpathen finden sich viele kleine Seen (Meeraugen), darunter in der Hohen Tatra allein 58 meist sehr romantisch 1260-1990 m ü. M. gelegene Seen. Größere Seen in der Ebene sind der Plattensee, der größte Südeuropas, und der Neusiedler See. Von den zahlreichen Morästen und Sümpfen sind zu nennen: der mit dem Neusiedler See in Verbindung stehende Hanság, der Ecseder Sumpf bei Szatmár, der Sárrét am Berettyó, der Alibunárer, Hoßzuréter Sumpf etc. Die Sümpfe an der Theiß und Donau sind durch Abzugskanäle meist trocken gelegt worden. Überhaupt ist sowohl von seiten der Regierung als der einzelnen sehr vieles zur Trockenlegung oder doch Einschränkung der Sümpfe geschehen. Für die Theißregulierung allein, um welche sich Graf Széchényi große Verdienste erworben hat, wurden seit 1845 mehr als 26 Mill. Guld. verwendet. Das Ackerland der großen ungarischen Tiefebene besteht zumeist aus schwarzem Thonboden mit mehr oder weniger Humus und ist in manchen Gegenden auch ohne Dünger ebenso fruchtbar wie die zwischen hohen Bergen liegenden lieblichen Thäler (z. B. das äußerst romantische Waagthal). Dagegen gibt es aber auch große unfruchtbare Sandflächen; in der westlichen Ebene erstrecken sie sich nur von Raab und Komorn bis zum Komitat Zala; in der östlichen Ebene jedoch bilden sie, von Waitzen ausgehend, zwischen der Donau und Theiß bis nahe an den Franzenskanal ein wahres Sandmeer.

[Klima.] Schon die geographische Lage Ungarns, noch mehr aber die Gestalt seiner Oberfläche machen es zu einem klimatisch milden Land. Mit Ausnahme des nach N. geöffneten Popráder Thals ist es vor rauhen Nordwinden durch hohe Gebirge geschützt; im S. aber öffnet es sich den warmen Südwinden, deren oft heftigen Andrang die zahlreichen Gewässer mäßigen. Am Fuß der hohen Karpathen und des Königsbergs (in Gömör), in der Árva, Liptau und Zips reift selbst die Pflaume kaum, und oft bedeckt schon im September Schnee den noch stehenden Hafer, während 60 km südlicher der edelste Wein gedeiht. Mitten im ehemaligen Pannonien, das einem fortlaufenden Obst- und Weingarten gleicht, reift in der rauhen Bakony auch die Traube nicht. In Syrmien blüht oft schon im Februar der Haselstrauch, im April überall das Obst, Anfang Mai Roggen und Gerste, in den ersten Junitagen der Weinstock, und frisches Grün schmückt acht Monate lang die Wälder, während weiter nach S. zu wieder die rauhe Karpathengegend auftritt. Charakteristisch ist der starke Temperaturwechsel, namentlich der Unterschied zwischen Tages- und Nachtwärme, so im Alföld, wo die Temperatur im Sommer des Morgens nur 45° C. beträgt und mittags auf mehr als 30° steigt; noch größer aber ist der Unterschied der von den Sonnenstrahlen erzeugten Bodenwärme; daher treten dort auch häufig Wechselfieber und andre Krankheiten auf. Im allgemeinen ist aber das Klima in U. gesund. Die mittlere Jahrestemperatur bewegt sich zwischen +5,9° und +14° C. und beträgt in Schemnitz 6°, Preßburg 9,6°, Budapest 11°, Klausenburg 9,12°, Semlin 11,6°, Fiume 14,1°. Eine gewöhnliche Erscheinung ist im Alföld die Fata Morgana, hier Délibáb ("Mittagszauber") genannt.

Areal und Bevölkerung.

Das Areal von U. samt Nebenländern beträgt 322,940 qkm (5865 QM.), wovon auf das eigentlich U. samt Siebenbürgen 280,387 qkm (5092 QM.), auf Fiume samt Gebiet 20 qkm (0,36 QM.) und auf Kroatien und Slawonien 42,533 qkm (772 QM.) entfallen. Das eigentliche U. wurde früher in administrativer Beziehung in vier Kreise eingeteilt und zwar in den Kreis a) diesseit und b) jenseit der Donau, c) diesseit und d) jenseit der Theiß. Seit der 1876 erfolgten Einverleibung Siebenbürgens und der Regelung der Munizipalgebiete jedoch teilt man U. in nachstehende sieben Gebiete ein: