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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Vereinigte Staaten von N.-A.

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Vereinigte Staaten von N.-A. (Geschichte 1767-1780).

geschärft, daß die neue Zollbill, welche der Schatzkanzler Townshend 1767 erließ, und die niedrige Hafenzölle für nur wenige Artikel festsetzte, zahlreiche Proteste hervorrief und die Amerikaner veranlaßte, sich gegenseitig zur völligen Enthaltung von englischen Waren zu verbinden. 1770 wurde daher auch die Townshendsche Zollbill wieder aufgehoben und nur ein sehr niedriger Theezoll beibehalten, der aber fast nichts einbrachte, da die Amerikaner sich alles englischen Thees enthielten. Gerüchte von der Absicht der Regierung, die freie Verfassung von Massachusetts aufzuheben, steigerten die Aufregung, und als 1773 die Ostindische Kompanie die amerikanischen Häfen mit einer Masse Thee überschwemmte, wurde 18. Dez. im Hafen von Boston ein Theeschiff von einer Schar als Mohawkindianer verkleideter Bostoner erstiegen und seine Ladung, 340 Kisten, ins Meer geworfen. Das Parlament beschloß hierauf, daß der Hafen von Boston vom 1. Juni 1774 ab gesperrt und die bisherige Verfassung von Massachusetts aufgehoben werden solle. Zugleich wurde General Gage mit vier Regimentern abgeschickt, um Boston zu besetzen und sich der Rädelsführer der Rebellion zu bemächtigen. Er fand in Boston keinen Widerstand. Aber der Bund der Söhne der Freiheit rief alle Amerikaner zur Verteidigung ihrer Rechte auf, und im September 1774 versammelten sich in Philadelphia die Vertreter der 13 Kolonien: Massachusetts, New York, Rhode-Island, New Hampshire, Pennsylvanien, Maryland, Virginia, Nord- und Südcarolina, Connecticut, Georgia, New Jersey und Delaware zu einem Kongreß, der am 26. Okt. eine Petition an den König und eine Erklärung an das britische Volk erließ, in der er zwar die Vereinigung mit dem Mutterland als seinen Wunsch betonte, aber die Aufhebung einer Reihe von Parlamentsakten als Bedingung derselben bezeichnete und Freiheit und Gerechtigkeit für die Kolonien forderte; zugleich verpflichteten sich die Kolonien, vom 1. Dez. ab nichts mehr von England und Irland einzuführen und nichts dahin auszuführen, bis ihren Beschwerden abgeholfen wäre. In England erregte dies energische Auftreten beim Hof und beim Parlament die höchste Entrüstung. Die Petition an den König wurde nicht beantwortet, dagegen beim Parlament beantragt und 9. Febr. 1775 genehmigt, daß Massachusetts in Aufruhrzustand zu erklären und jeder Handelsverkehr mit Neuengland zu untersagen sei. So begann der Kampf.

Zum ersten blutigen Zusammenstoß kam es 19. April bei Lexington und Concord, als General Gage ein von der eigenmächtig weiter tagenden Legislatur von Massachusetts angelegtes Kriegsmagazin wegnehmen lassen wollte. Nicht lange darauf, 17. Juni, bestanden die Amerikaner das blutige, aber ehrenvolle Gefecht von Bunker Hill bei Boston. Der zweite Generalkongreß der Kolonien, der am 10. Mai 1775 in Philadelphia zusammentrat, beschloß daher die Errichtung einer gemeinsamen Armee und ernannte 16. Juni Washington zum Oberbefehlshaber derselben, vermied es aber, die Losreißung von England offen auszusprechen. Die erste Unternehmung der amerikanischen Truppen, ein Einfall in Kanada, hatte freilich keinen Erfolg; sie erlitten 31. Dez. vor Quebec eine entschiedene Niederlage, in der ihr Anführer Montgomery fiel, und mußten im Frühjahr 1776 das Land wieder räumen. Die englische Regierung hatte inzwischen mit aller Macht gerüstet und schickte im Frühjahr 1776 eine große Flotte unter Admiral Howe mit 40,000 Mann (ein großer Teil waren deutsche Mietstruppen) nach Amerika, welche in drei Abteilungen in das Innere vordringen sollten: Clinton in die südlichen Provinzen, General Howe, der im März Boston geräumt hatte, von New York aus in Pennsylvanien, Bourgoyne in die nördlichen Staaten. Dem gegenüber vermochte Washington, ohne Autorität, ohne ausreichende Geldmittel, ohne tüchtige Gehilfen, keine ebenbürtige Streitmacht (nur 17,000 Mann) aufzustellen. Im Süden herrschte Uneinigkeit: hier waren die Royalisten oder Loyalisten, Gegner der Losreißung vom Mutterland, besonders stark. Da vereinigte sich die Mehrheit des Kongresses von Philadelphia, der sich einige Staaten erst in den nächsten Tagen anschlossen, 4. Juli 1776 zu der von Jefferson entworfenen Unabhängigkeitserklärung, welche nach Darlegung der natürlichen Grundrechte aller Menschen verkündete, daß »die Vereinigten Kolonien freie und unabhängige Staaten seien und von Rechts wegen sein müßten«, und daß sich die versammelten Vertreter zur Aufrechterhaltung dieser Erklärung gegenseitig ihr Leben, ihren Besitz und ihre heilige Ehre verbürgten. Allerdings mußte Washington nach dem Verlust New Yorks, welches Howe besetzte, und zwei Gefechten bei White Plains über den Delaware zurückweichen, der Kongreß nach Baltimore flüchten; aber die englischen Generale wußten ihre militärische Überlegenheit nicht auszubeuten. Der in allem Mißgeschick unerschütterliche Washington erfocht 26. Dez. 1776 bei Trenton und 3. Jan. 1777 bei Princeton Siege über die Engländer, unter deren Eindruck ihm endlich der Kongreß diktatorische Vollmacht zur Bildung einer Nationalarmee von 88 Bataillonen und zur Beschaffung der erforderlichen Geldmittel und Kriegsbedürfnisse erteilte. Im Lauf des Sommers 1777 mußte Washington wieder vor Howes Übermacht zurückweichen und erlitt am Brandywine (11. Sept.) und bei Germantown (3. Okt.) empfindliche Niederlagen; Philadelphia wurde von den englischen Truppen besetzt. Dagegen scheiterte der Feldzug der Engländer im Norden gänzlich: Bourgoyne wurde 6. Aug. bei Oriskany geschlagen und 17. Okt. mit 6000 Mann und 42 Geschützen von Gates zur Kapitulation von Saratoga gezwungen.

Dieser Erfolg bewog Frankreich, wo die Sache der Amerikaner teils aus Begeisterung für die Freiheit, teils aus Eifersucht gegen England bei allen Ständen lebhafte Sympathien fand, und von wo ihnen unterderhand bereits bedeutende Unterstützungen an Geld, Kriegsmaterial und Freiwilligen (besonders Lafayette) zugeflossen waren, 6. Febr. 1778 mit den Vereinigten Staaten einen Freundschafts- und Handelsvertrag zu schließen, dem sich 12. April 1779 auch Spanien anschloß. Dieses Bündnis kam den Amerikanern sehr zu statten; denn wenn sich auch Washington 1778 und 1779 gegen die Engländer, welche von New York aus die ganze Ostküste beherrschten, im Besitz der Alleghanies und ihrer Abhänge behauptete, so drohten doch der selbstsüchtige Geist in den einzelnen Staaten, der geringe Kredit des von dem Kongreß ausgegebenen Papiergeldes, dessen Folgen verhängnisvoller Geldmangel und die Unmöglichkeit, das Heer zu verstärken, waren, ferner die Unbotmäßigkeit und Unfähigkeit der Unterbefehlshaber auch Washingtons Standhaftigkeit zu erschüttern. Die Engländer boten dagegen alle ihre Kräfte zu Land und zur See auf, um die Rebellen vollends zu unterdrücken. Seit 1779 richteten sie ihre Hauptmacht nach dem Süden, nach Georgia und Carolina, wo sich zahlreiche Royalistenhaufen ihnen anschlossen; sie eroberten Savannah und Charleston, und 16. Aug. 1780 siegte Cornwallis bei Camden über Ga-^[folgende Seite]