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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Vereinigte Staaten von N.-A.

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Vereinigte Staaten von N.-A. (Geschichte 1812-1832).

Der Verlauf des Kriegs (1812-15) entsprach freilich keineswegs den hoch gespannten Erwartungen. Wenn die amerikanischen Kaper auch zahlreiche (1400) englische Prisen aufbrachten, so behaupteten die Engländer doch die Herrschaft zur See und blockierten sämtliche Häfen der Union. Mehrere Unternehmungen der Unionstruppen zur Eroberung Kanadas scheiterten und endeten im Dezember 1813 mit der Eroberung des Forts Niagara durch die Engländer, welche 1814 in das Gebiet der Union einfielen, 25. Juli bei den Niagarafällen einen großen Sieg erfochten und 24. Aug. sogar, nach einem Sieg über die Milizen bei Bladensburg, Washington besetzten, wo sie das Kapitol und andre öffentliche Gebäude zerstörten. Zwar gelang es Jackson, die Engländer, welche 13. Dez. 1814 mit 15,000 Mann bei New Orleans gelandet waren, 8. Jan. 1815 entscheidend zu schlagen; aber inzwischen war bereits 24. Dez. 1814 in Gent Friede geschlossen worden, in welchem beide Teile ihre Eroberungen zurückgaben, die Amerikaner den Streit über den Grundsatz »Frei Schiff, frei Gut« fallen ließen und sich verpflichteten, zur Unterdrückung des Negerhandels mitzuwirken. Der wiederhergestellte Friede ermöglichte dem Handel und Gewerbe einen großartigen Aufschwung, so daß die Bundesregierung aus dem Ertrag der Zölle alle ihre Ausgaben bestreiten und die innern Zölle und Steuern aufheben konnte. Indiana schloß sich 1816 als 19., Mississippi 1817 als 20., Illinois 1818 als 21., Alabama 1819 als 22., Maine 1820 als 23. Staat der Union an; 1819 trat Spanien gegen 5 Mill. Doll. die beiden Floridas ab, die 1822 der Union einverleibt wurden. Als durch den Abfall der spanischen Kolonien und die Trennung Brasiliens von Portugal Amerika völlig von Europa losgelöst schien, fühlte sich die Union als der mächtigste Staat der Neuen Welt zur Führung derselben berufen, und dies Selbstgefühl gab sich 1824 in der Erklärung des Präsidenten Monroe (Monroedoktrin), welcher 1817-25 das Präsidium inne hatte, kund, daß keine europäische Macht die Befugnis habe, ihre Kolonien in Amerika auszudehnen oder neue zu begründen oder sich in die innern Angelegenheiten der amerikanischen Staaten zu mischen.

Parteikämpfe im Innern.

Im Innern bewirkten der Aufschwung von Handel und Industrie und die bedeutende Vermehrung der Bevölkerung im Norden der Union eine durchgreifende Veränderung der Verhältnisse. Hier entstand neben dem handel- und gewerbtreibenden oder dem gelehrten Beruf obliegenden Mittelstand eine zahlreiche nach politischer Gleichberechtigung strebende Arbeiterbevölkerung, während in den Südstaaten nur die Sklavenbevölkerung sich erheblich vermehrte (auf 1⅓ Mill.) und neben der reichen Grundaristokratie nur eine an Zahl geringe, geistig und materiell unbedeutende Mittelklasse sich behaupten konnte. Der Süden sah durch die großartige Entwickelung und Ausbreitung der Nichtsklavenstaaten seinen bisher maßgebenden Einfluß auf die politische Leitung der Union ernstlich bedroht; nach dem Zensus von 1820 fielen von 223 Repräsentanten nur noch 90 auf den Süden. Damit nicht auch im Senat die Sklavenstaaten zur Minderheit herabgedrückt würden, betrieben diese die Aufnahme von sklavenhaltenden Staaten und bekämpften die von Nichtsklavenstaaten. Dieser Streit brach besonders heftig 1818-20 bei der Verhandlung über die Aufnahme von Maine und Missouri im Kongreß aus, bis auf Clays Antrag eine Vereinbarung, der sogen. Missourikompromiß, geschlossen wurde, wonach die Sklaverei in Missouri gestattet, in Zukunft aber nur südlich von 36° 30' nördl. Br. erlaubt sein solle. Ferner begünstigte die Aristokratie des Südens die Beseitigung des Zensus und die Einführung des allgemeinen Stimmrechts, weil es den Agitationen und Ränken der südlichen Politiker einen freiern Spielraum bot als die bisherige Herrschaft des Mittelstandes. Schon die Präsidentenwahl von 1824 zeigte, wie sich die Dinge verändert hatten. Der von den Vertrauensmännern des Kongresses begünstigte Kandidat, Quincy Adams, wie alle Präsidenten seit Washington bisher Staatssekretär, erhielt kaum die Majorität der Stimmen und nur durch Entscheidung des Kongresses das Amt; der von den südlichen Aristokraten und den gewerbsmäßigen Politikern des Nordens aufgestellte »irreguläre« Kandidat General Jackson hätte beinahe bei der Wahl gesiegt. Adams regierte 1825-29 nach den Grundsätzen seiner Vorgänger, nur versuchte er durch einen neuen Zolltarif (vom 1. Sept. 1828) der Industrie des Nordens größern Schutz zu gewähren. Fortwährend hatte er mit einer systematischen erbitterten Opposition im Kongreß zu kämpfen; in den Südstaaten verfochten die Nullifiers von neuem das Nullifikationsrecht, d. h. das Recht des Einzelstaats, Beschlüsse der Zentralregierung für ungültig zu erklären. Bei der Präsidentenwahl 1828 siegte denn auch die vereinigte Opposition, die sich die demokratische Partei nannte, glänzend über die Dynastie der Staatssekretäre: mit 178 gegen 83 Elektoralstimmen wurde General Jackson erwählt, der, 1832 wieder gewählt von 1829 bis 1837 an der Spitze der Regierung stand.

Jackson fügte sich von Anfang an den Forderungen der Partei, die ihn auf den Präsidentenstuhl erhoben hatte. Während die nördlichen Gewerbspolitiker, welche die Arbeitermassen leiteten, durch Staatsämter belohnt wurden, deren Verteilung an die siegreiche Partei bei jedem Präsidentenwechsel Jackson als System einführte, wurden die Interessen des Nordens von Jackson ebenso entschieden bekämpft, wie die der Sklavenstaaten begünstigt. Die Opposition, welche die Sklaverei vom christlichen, sittlichen und wirtschaftlichen Standpunkt in immer größern Kreisen fand, wurde möglichst unterdrückt: im Dezember 1835 wurde dem Kongreß ein Gesetz gegen die Verbreitung aufreizender, an die Leidenschaften der Sklaven gerichteter Schriften vorgelegt und 26. Mai 1836 vom Kongreß beschlossen, alle Petitionen und Vorschläge, die sich auf die Sklaverei bezögen, unbeachtet zu lassen. Nur als Virginia, Kentucky und Südcarolina auf Anstiften Calhouns sich herausnahmen, den von Jackson 1829 erlassenen ebenfalls schutzzöllnerischen Tarif für null und nichtig zu erklären, wies der Präsident durch eine energische Proklamation (Dezember 1832) die Nullifikationstheorie zurück, bewog aber gleichzeitig den Kongreß, den Tarif in mehreren Punkten herabzusetzen und ein allmähliches Sinken der Zollskala anzuordnen. Er duldete, daß mehrere Südstaaten, wie Georgia, Alabama und Florida, um neues Land für ihren Raubbau zu gewinnen, die durch Bundesverträge geschützten Indianer aus ihrem Gebiet vertrieben und die Union in den langwierigen Seminolenkrieg (bis 1842) verwickelten. Als die Vereinigte Staaten-Bank sich weigerte, die Anstellung ihrer Beamten der Parteipatronage zu unterwerfen, begannen Jackson und seine Anhänger einen förmlichen Krieg gegen dies Institut, welches als Hauptstütze des Handels und Verkehrs der Nordstaaten den südlichen Sklavenhaltern besonders verhaßt war. Die alte gemäßigte Partei im Kongreß, welche sich unter Clay und Web-^[folgende Seite]