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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Vervins; Verwachsung; Verwahrungsvertrag; Verwaltung

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Vervins - Verwaltung.

und durch einen Kanal mit dem Bassin der Gileppe verbunden (s. Vesdre), ist Grenzstation der Rheinisch-Belgischen Eisenbahn (Linie Aachen-Lüttich), hat eine schöne neue Kirche, ein interessantes Rathaus, ein Theater und (1888) 47,744 Einw., welche Tuch- und Kasimirfabrikation, Kammgarnspinnerei, Wollkratzenfabrikation, Wollfärberei, Seifensiederei, Gerberei, Metallgießerei, Maschinenbau, Bierbrauerei, Vitriolsiederei betreiben. V. hat ein Athenäum, eine höhere Knabenschule, eine Handwerkerschule, Lehrerseminar, öffentliche Bibliothek, Gemäldegalerie und ist Sitz eines Tribunals erster Instanz und eines Handelsgerichts. In der Umgegend baut man viel Tuchmacherkarden und gewinnt Walkererde.

Vervins (spr. werwäng), Arrondissementshauptstadt im franz. Departement Aisne, am Vilpion und der Nordbahnlinie Laon-Hirson, hat einen Gerichtshof und ein Handelsgericht, ein Collège, eine Zeichenschule, Fabrikation von Leinwand, Baumwoll- und Schafwollgeweben, Getreidehandel und (1886) 2858 Einw. Hier 2. Mai 1598 Friedensschluß zwischen Heinrich IV. von Frankreich und Philipp II. von Spanien.

Verwachsung, eine organische Verschmelzung zweier Gewebsoberflächen. V. kommt vor als angeborne Abnormität und wird durch mannigfache pathologische Prozesse erworben. Zwei Fötus können ganz oder teilweise miteinander verwachsen (Doppelmonstra, s. Mißbildung), auch verwachsen die Finger oder Zehen vor der Geburt (s. Syndaktylie). Die V. ganzer Glieder bildet die Symmelie (s. d.), die V. von Kanälen (Darm, Scheide) die Atresie (s. d.). Bei sehr zahlreichen chronischen Entzündungen der äußern Haut, der harten und weichen Hirnhaut, des serösen Brustfelles oder Bauchfelles und des Herzbeutels ist der Ausgang eine V. (Synechie, Adhaesio); die V. der Gelenke bildet die Anchylosis. Der Volksmund bezeichnet als »verwachsen« die buckelige Verkrümmung der Wirbelsäule (Skoliosis, s. Pottsches Übel).

Verwahrungsvertrag, s. v. w. Hinterlegungsvertrag (s. Hinterlegung).

Verwaltung (Administration), im allgemeinen die Besorgung eigner oder fremder Angelegenheiten. So spricht man z. B. von der V. einer Stiftung, eines Mündelvermögens, eines Landguts (s. Landwirtschaftliche Unternehmungsformen), von der V. einer Gemeinde etc. Ganz besonders ist es aber die Staatsverwaltung (Regierung), welche als V. schlechthin bezeichnet wird, und zwar kommt dabei der Ausdruck V. in weiterer und in engerer Bedeutung zur Anwendung. Indem man nämlich unter der Bezeichnung »Gesetzgebung« die gesamte Thätigkeit des Staats zusammenfaßt, welche in dem Erlaß von allgemeinen Vorschriften (Rechtssätzen) besteht, tritt derselben die V. (Exekutive, Exekutivgewalt, vollziehende Gewalt) gegenüber, welche einzelne bestimmte Verhältnisse und Angelegenheiten des Staats und der Staatsbürger regelt. In diesem Sinn gehört auch die Rechtsprechung (Justiz, Jurisdiktion, Gerichtsbarkeit) zu der V. Der Begriff der V. wird jedoch regelmäßig enger gefaßt, indem man gerade die Justiz und die V. einander gegenüberstellt. Die Rechtsprechung ist Sache der Gerichte, für die V. dagegen sind besondere Verwaltungsbehörden bestellt, welch letztern folgende Thätigkeiten zugewiesen sind: I) die auswärtige (äußere) V., d. h. die Regelung des Verkehrs mit andern Staaten; 2) die Finanzverwaltung, d. h. die Beschaffung der für die Erreichung der Staatszwecke erforderlichen wirtschaftlichen Mittel; 3) die V. des Militärwesens; 4) die Justizverwaltung, d. h. die Anstellung der Justizbeamten und die Überwachung ihrer Amtsführung; 5) die innere V., welche Lorenz v. Stein als »die Verwendung der Macht und der Mittel des Staats für die Förderung des Einzelnen in seinen individuellen Lebensverhältnissen« definiert. In den Kreis dieser innern Verwaltungsthätigkeit fallen folgende Gegenstände: das Gesundheitswesen; das Bevölkerungswesen (Paßwesen, Volkszählung, Beurkundung des Personenstandes, Heimatswesen, Angelegenheiten der Staatsangehörigkeit); ferner die V. des geistigen Lebens (Pflegschafts-, Bildungswesen), namentlich das Volksschulwesen und die V. der Preßangelegenheiten; dann das ganze Gebiet der Polizei (s. d.); sodann die V. des wirtschaftlichen Lebens, wohin die Ablösung von Grundlasten, Separationen, Expropriationen, die Angelegenheiten des Wasserrechts, das Versicherungs-, Verkehrs-, Maß-, Gewichts- und Geldwesen, ferner die V. einzelner wirtschaftlicher Unternehmungen gehören, wie Landwirtschaft, Fabrik- und Gewerbewesen, Berg-, Jagd-, Forst- und Fischereiwesen; endlich die V. des gesellschaftlichen Lebens, des Familien-, Gesinde-, Armen- und Vereinswesens. Es ist das physische, geistige und wirtschaftliche Leben der Nation, welches den Gegenstand der innern V. bildet, die vorzugsweise V. genannt zu werden pflegt. Die wissenschaftliche Behandlung und Darstellung der auf die V. bezüglichen Grundsätze ist der Gegenstand der Verwaltungslehre oder Verwaltungswissenschaft, welch letztere einen wichtigen Teil der Staatswissenschaft bildet. Die Rechtsgrundsätze über die V. bilden das Verwaltungsrecht (Regierungsrecht), welches als ein Teil des Staatsrechts (s. d.) zu betrachten ist. Zu dem Verwaltungsrecht nimmt die Verwaltungspolitik dieselbe Stellung ein wie die Politik (s. d.) zu dem Recht überhaupt. Sie prüft das geltende Verwaltungsrecht auf seine Zweckmäßigkeit und sucht die Grundsätze festzustellen, welche für eine zweckmäßige Handhabung und Ausbildung desselben maßgebend sein mochten. Die Verwaltungsorganisation ist in Deutschland zumeist nach den Grundsätzen des Selfgovernment oder der Selbstverwaltung (s. d.) erfolgt, indem neben die staatlichen Verwaltungsbehörden die Organe der Kommunalverbände und zwar sowohl der einzelnen Gemeinden als der Kommunalverbände höherer Ordnung (Amtsbezirk, Kreis, Provinz) treten (s. Kreisverfassung und Provinzialverfassung). Da aber im gegenwärtigen Deutschen Reich die Verwirklichung der Aufgaben der V. zwischen dem Reich und den Einzelstaaten geteilt ist, so besteht hier der Unterschied zwischen Reichsverwaltung und Landesverwaltung (Staatsverwaltung) und zwischen Reichsbehörden (s. d.) und Landes- (Staats-) Behörden. Die Zuständigkeit der Reichsbehörden ist durch die Reichsgesetzgebung bestimmt.

[Justiz und Verwaltung.] Die vollständige Trennung der V. von der Justiz wurde in Deutschland erst in der Neuzeit durchgeführt. Früher waren es vielfach dieselben Behörden, vor welche Justiz- und Verwaltungssachen gehörten. Das französische Gerichtsverfassungsgesetz (Décret sur l'organisation judiciaire) von 1790 nahm zuerst eine grundsätzliche Scheidung vor. Heutzutage ist auch in Deutschland allenthalben den ordentlichen Gerichten das Privatrecht und das Strafrecht als das Hauptgebiet ihrer Thätigkeit zugewiesen. Dazu kommt noch die sogen. freiwillige Gerichtsbarkeit, d. h. die Mitwirkung der Gerichte bei der Begründung gewisser Rechtsverhältnisse unter Privatpersonen, und das Pflegschaftswesen. Die vor