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Wiedenbrück - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
die Nationalität und Sprache der jetzt ausgestorbenen Kreewinen in Kurland« (das. 1871); »Grammatik der esthnischen Sprache« (das. 1875); »Aus dem innern und äußern Leben der Esthen« (das. 1876); »Syrjänisch-deutsches Wörterbuch nebst einem wotjakisch-deutschen im Anhang« (das. 1880); »Grammatik der syrjänischen Sprache mit Berücksichtigung ihrer Dialekte und des Wotjakischen« (das. 1884). Mit E. Weber gab er auch eine »Flora von Esth-, Liv- und Kurland« (Reval 1852) heraus.
2) Gustav, Physiker, geb. 2. Okt. 1826 zu Berlin, studierte dort seit 1844, habilitierte sich 1851 daselbst als Privatdozent an der Universität, wurde 1854 Professor der Physik in Basel, 1863 an der polytechnischen Schule in Braunschweig, 1866 in Karlsruhe und folgte 1871 einem Ruf als Professor der physikalischen Chemie an die Universität zu Leipzig, wo er 1887 die Professur der Physik als Nachfolger Hankels übernahm. Seine Thätigkeit war vorzugsweise dem Galvanismus und Magnetismus gewidmet. Ein großes Verdienst erwarb sich W. durch sein ausführliches Werk »Die Lehre vom Galvanismus und Elektromagnetismus« (Braunschw. 1860-63, 3. Aufl. u. d. T.: »Die Lehre von der Elektrizität«, das. 1882-85, 4 Bde.). Nach Poggendorffs Tod übernahm W. 1877 die Redaktion der »Annalen«, zu denen er die jährlich in einem Band erscheinenden Beiblätter hinzufügte, welche Referate über anderweitig erschienene Arbeiten bringen. Letztere redigiert sein Sohn Eilhard, geb. 1. Aug. 1852 zu Berlin und seit 1886 Professor der Physik in Erlangen. Sein jüngerer Sohn, Alfred, geb. 18. Juli 1856 zu Berlin, Dozent der Ägyptologie an der Universität Bonn, schrieb: »Geschichte Ägyptens von Psammetich I. bis Alexander d. Gr.« (Leipz. 1880); »Ägyptische Geschichte« (Gotha 1884, Suppl. 1888) u. a.
Wiedenbrück, Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Minden, an der Ems und der Linie Münster-Lippstadt der Preußischen Staatsbahn, hat eine evangelische und eine kath. Kirche, ein Franziskanerkloster, ein Amtsgericht, Zigarrenfabrikation, Seilerei, Gerberei, eine Gurtenfabrik, eine Dampfmahlmühle, Malerei und Bildhauerei und (1885) 2859 Einw. W., das schon 952 erwähnt wird, liegt in dem ehemaligen, zum Bistum Osnabrück gehörigen Amt Reckeberg, das 1815 zu Preußen kam.
Wiederaufnahme des Verfahrens, die nochmalige Verhandlung einer durch rechtskräftiges Urteil (Freisprechung oder Verurteilung) bereits endgültig entschiedenen Strafsache. Eine W. kann nach der deutschen Strafprozeßordnung dann geschehen, wenn der freigesprochene Angeklagte nachträglich vor Gericht oder außergerichtlich ein glaubwürdiges Geständnis der strafbaren Handlung ablegt. Zu gunsten eines verurteilten Angeschuldigten dagegen kann die W. erfolgen, wenn neue Thatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, welche die Freisprechung des Angeklagten oder doch in Anwendung eines mildern Strafgesetzes eine geringere Bestrafung desselben zu begründen geeignet sind, oder wenn ein zivilgerichtliches Urtheil, auf welches das Strafurteil gegründet war, durch ein andres rechtskräftig gewordenes Urteil wieder aufgehoben ist. Zu gunsten wie zu ungunsten des Angeschuldigten findet ferner die W. statt, wenn eine in der Hauptverhandlung gegen oder für den Angeschuldigten als echt vorgebrachte Urkunde fälschlich angefertigt oder verfälscht war, wenn ein Zeuge oder Sachverständiger sich durch Beeidigung eines gegen oder für den Angeklagten abgelegten Zeugnisses oder abgegebenen Gutachtens einer Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht, oder endlich, wenn bei dem Urteil ein Richter, Geschworner oder Schöffe mitgewirkt hat, welcher sich in Beziehung auf die Sache einer Verlegung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hatte. Im bürgerlichen Prozeß ist eine W. im Weg der Nichtigkeitsklage (s. Nichtigkeit) oder im Weg der »Wiedereinsetzung in den vorigen Stand« (s. d.) möglich. Vgl. Deutsche Strafprozeßordnung, § 399-413; Zivilprozeßordnung, § 541-554; v. Kries, Die Rechtsmittel des Zivilprozesses und des Strafprozesses (Bresl. 1880).
Wiederbewaldung, s. Schutzwaldungen (Frankreich).
Wiederbringung aller Dinge, s. Apokatastase.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Restitution, lat. Restitutio in integrum), Wiederherstellung eines frühern Rechtszustandes; im römischen und gemeinen deutschen Recht ein Rechtsmittel, vermöge dessen der von einem Rechtsnachteil Betroffene aus Gründen der Billigkeit eine Beseitigung jenes Rechtsnachteils und eine Wiederherstellung des verlornen Rechtszustandes erwirken konnte. Der Grundgedanke dieses Rechtsinstituts war der, eine Ausgleichung des strengen Rechts mit der Billigkeit herbeizuführen. Daher fand Restitution namentlich dann statt, wenn Handlungen oder Unterlassungen eines Verletzten auf einen Irrtum desselben zurückzuführen, oder wenn Zwang oder Betrug den also Geschädigten zu der Handlung oder Unterlassung bestimmt hatten. Ebenso war bei Unterlassungen die Abwesenheit des Verletzten ein Restitutionsgrund. Am wichtigsten von allen Gründen aber war die Minderjährigkeit, indem das Gesetz den Schutz für Minderjährige auf Gemeinden und kirchliche Korporationen, die Praxis aber auch auf andre Bevormundete und auf andre juristische Personen ausdehnte. Die moderne Gesetzgebung hat jedoch die W. als ein privatrechtliches Rechtsmittel nicht beibehalten, wohl aber als ein solches für den Zivil- und Strafprozeß, namentlich zur Beseitigung von Rechtsnachteilen, welche durch die unverschuldete Versäumnis von Fristen und Terminen erwachsen sind. Der Entwurf eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs kennt das Institut der W. nicht. Dagegen gibt die deutsche Zivilprozeßordnung (§ 211 ff.) das Rechtsmittel der W. gegen die unverschuldete Versäumnis einer Notfrist. War eine Partei oder deren Bevollmächtigter durch höhere Gewalt, d. h. durch ein Naturereignis oder einen andern unabwendbaren Zufall, an der Einhaltung einer Notfrist, z. B. an der rechtzeitigen Einlegung der Berufung, verhindert, so kann der Verletzte um Restitution nachsuchen. Das Rechtsmittel ist aber auch dann gegeben, wenn das Schriftstück, dessen Zustellung zur Wahrung der Notfrist erforderlich war, spätestens am dritten Tag vor Ablauf dieser Notfrist dem Gerichtsvollzieher oder, wo die Zustellung durch Vermittelung des Gerichtsschreibers zulässig ist, dem letztern zum Zweck der Zustellung übergeben ist. In dem letztern Fall muß der Antrag auf W. innerhalb eines Monats seit Ablauf der versäumten Notfrist gestellt werden, während außerdem hierzu eine Frist (Restitutionsfrist) von zwei Wochen von der Beseitigung des Hindernisses an läuft. Im Strafprozeß kann die W. gegen die Versäumung von Fristen und Terminen überhaupt stattfinden, wofern unabwendbare Zufälle die Versäumnis herbeiführten, also namentlich Naturereignisse oder der Umstand, daß der Antragsteller ohne sein Verschulden keine Kenntnis von einer Zustellung erhielt. Das Gesuch um W. muß binnen einer Woche nach Beseitigung des Hindernisses, d. h. des Versäum-^[folgende Seite]