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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Württemberg

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Württemberg (Industrie, Handel).

waren in Blech und Holz findet hauptsächlich in Stuttgart, Biberach, Ellwangen, Ludwigsburg, Böblingen statt. Die Papierfabrikation ist eine sehr alte Industrie Schwabens; die erste Papierfabrik Deutschlands war vielleicht in der nunmehr württembergischen Reichsstadt Ravensburg. 1882 waren 64 Papier- und Pappefabriken im Lande, die namhaftesten in Heilbronn, Baienfurt, Dettingen, Faurndau, Höll, Mochenwangen, Oberlenningen, Pfullingen. Die Erfindung, aus Holzfaser Papierzeug zu machen, ging von einem Württemberger (Fabrikant Völter in Heidenheim) aus. Die an die litterarische und künstlerische Thätigkeit sich anschließenden Gewerbe, insbesondere die Buchdruckereien und Buchhandlungen Württembergs, sind von der größten Bedeutung. Als Verlagsplatz nimmt Stuttgart für den Süden Deutschlands die gleiche Stellung ein, welche Leipzig für Norddeutschland besitzt. Die Zahl der Buch- und Antiquariatshandlungen in Stuttgart allein beträgt über 100; neben Stuttgart sind hauptsächlich die Plätze Ulm, Tübingen und Heilbronn von Bedeutung. In den vervielfältigenden Künsten: Lithographie, Photographie, Photographiedruck, Zinkdruck, Kupferdruck, Farbendruck, in der Holzschneidekunst sowie im Kunsthandel nimmt Stuttgart gleichfalls eine achtunggebietende Stellung ein. Die Gerberei blüht in Reutlingen, Backnang, Kalw, Künzelsau, Friedrichshafen etc., die Fertigung von sämisch- und alaungarem sowie von lackiertem Leder in Hirsau, Bopfingen und Ulm. Die Fabrikation lederner Handschuhe ist von Bedeutung in Eßlingen, Stuttgart und Balingen. Die Seidenzwirnerei Württembergs ist die bedeutendste im Deutschen Reich; schon 1875: 11 Großbetriebe mit 1100 Arbeitern von 44 mit 4600 Arbeitern im Reich. Seidenweberei wird in Sindelfingen, Waiblingen und Tettnang betrieben. Die Wollindustrie Württembergs hat gegenüber der norddeutschen und englischen Konkurrenz einen schweren Stand, ist aber neuestens in der (Jägerschen) Trikotfabrikation zu hoher Blüte gelangt. Es wurden 1882 gezählt: 66 Betriebe für Wollspinnerei mit 2078 Personen, Kammgarnspinnereien in Eßlingen, Salach, Bietigheim, Öthlingen; Streichgarnspinnereien in 23 Orten. Die Wollweberei beschäftigte 1731 Personen in 645 Betrieben; die Fabrikation wollener Decken blüht in Mergelstetten und Kalw. Die Baumwollfabrikation ist über das ganze Land verbreitet. In der Spinnerei waren 1882: 3621 Personen in 184 Betrieben beschäftigt, die meisten in Eßlingen, Kuchen, Unterhausen, Unterboihingen, Wangen, Altenstadt, Hall, Urach etc.; die Weberei beschäftigte in 2632 (mit den gemischten und andern Waren: 3704) Betrieben 6112 (8933) Personen. Große Webereien mit Kraftstühlen bestehen in Kuchen, Eßlingen, Heidenheim, Dettingen, Reutlingen, Bühlingen, Göppingen etc.; Bleicherei, Färberei und Appretur in Heidenheim, Reutlingen, Uhingen etc. Die Leinenindustrie Württembergs hat sich wieder gehoben; größere mechanische Spinnereien sind in Urach, Schornreute, Westheim etc.; in der Leinweberei zählte man 4179 Hauptbetriebe mit 5386 Personen, dazu 3602 Nebenbetriebe (besonders in Blaubeuren, Laichingen, Urach, Göppingen). Die Stickerei hat außer in Stuttgart und Reutlingen ihren Hauptsitz in Oberschwaben (Ravensburg, Sießen, Reute etc.). Die Strickerei von Wollartikeln aller Art ist sehr verbreitet. Die Arbeit geschieht großenteils als Nebenbeschäftigung, vielfach mit der Handstrickmaschine, hauptsächlich in und um Reutlingen, wo die seit 1863 bestehende Frauenarbeitsschule diese Industrie sehr gehoben hat. Die Korsettfabrikation Württembergs umfaßte schon 1875 über 66 Proz. der Betriebe im Deutschen Reich; Hauptplätze sind: Stuttgart, Kannstatt, Göppingen, Reutlingen, Ebingen etc. Hutmacherei ist in größerm Maß in Ulm, Ebingen, Stuttgart etc. vertreten. In Geflechten aus Stroh, Bast, Roßhaaren etc. liefert eine weitverbreitete Hausindustrie den Arbeitgebern in den Schwarzwaldorten Schramberg, Alpirsbach, Dunningen etc. Hüte aller Sorten, Taschen, Körbchen, Borten, Sohlen etc. Getreidemühlen bestehen über 3000 im Land, wovon ein nicht unbedeutender Teil für den Handel arbeitet. Die Zahl der im Land befindlichen Runkelrübenzuckerfabriken beträgt 5, welche 1887/88: 5945 Ton. Rohzucker und 1943 T. Melasse lieferten. Die Konditorei wird fabrik- und kunstmäßig in Stuttgart, Ludwigsburg, Vaihingen an der Enz, Nagold, Biberach und Ulm betrieben, wo auch die Devisen- (Tragantwaren-) Fabrikation eine große Vollkommenheit erlangt hat. Von großer Ausdehnung ist die Schokoladenfabrikation in Stuttgart und noch mehr die Zichorienfabrikation und Bereitung andrer Kaffeesurrogate, besonders in Ludwigsburg und Heilbronn, nicht unbedeutend die Fabrikation von Essig und Senf. Die Schaumweinfabrikation, schon 1825 durch eine noch bestehende Fabrik in Eßlingen eingeführt, ist seitdem vermehrt worden. Neuestens hat ein Württemberger, Ad. Reihlen, ein vielversprechendes neues Verfahren der Schaumweinbereitung erfunden. Bierbrauereien zählt das Land über 2500, das jährliche Erzeugnis beträgt über 3⅓ Mill. hl.

Für den Handel sind die bedeutendsten Plätze: Heilbronn, Stuttgart, Ulm, Friedrichshafen, Kalw, Reutlingen und Tuttlingen. Die wichtigsten Ausfuhrartikel sind: Holz, Hopfen, Getreide, Zement, Gips, Maschinen, Gold-, Silber-, Bronze- und versilberte Waren, Feuerspritzen, Blechwaren, Zichorien, Droguen, pharmazeutische Chemikalien, Farbewaren, Woll- und Baumwollwaren, Korsette, Handschuhe, Hüte, Messerwaren, chirurgische Instrumente, Uhren, Papier, Spielwaren, Elfenbeinwaren, musikalische Instrumente, Bücher. Die Haupteinfuhrartikel sind: Steinkohlen, Getreide, Kolonialwaren, Südfrüchte, Öl, Petroleum, Tabak, Hanf, Eisenwaren, Häute und Felle, Seide und Seidenwaren, Wolle, Baumwolle, Pelze, Glas und Glaswaren, Galanteriewaren etc. Stark besuchte Wollmärkte werden zu Kirchheim, Heilbronn, Ulm, Tuttlingen, Stuttgart und Ellwangen abgehalten. Der Zwischenhandel ist besonders für Farbe-, Material- und Kolonialwaren sowie für Vieh von Bedeutung. Hauptspeditionsplätze sind: Heilbronn, Stuttgart, Friedrichshafen und Ulm. Schiffahrt findet auf dem untern Neckar und dem Bodensee statt. Die Dampfschiffahrt auf dem letztern ist in den Händen des Staats. Eigentum des Staats sind auch, mit Ausnahme der beiden Privatbahnen nach Kirchheim und Urach mit zusammen 17 km sowie der kleinen Nebenbahnen Stuttgart-Hohenheim und Ravensburg-Weingarten, die Eisenbahnen (1889 zusammen 1553 km). Die Linien sind: die Hauptbahn Bretten-Friedrichshafen (261 km), die untere Neckarbahn (Bietigheim-Jagstfeld, 41 km), die untere Jagstbahn (Jagstfeld-Osterburken, 38 km), Kocherbahn (Heilbronn-Hall-Krailsheim, 88 km), obere Jagstbahn (Krailsheim-Goldshöfe, 30 km), Tauberbahn (Krailsheim-Mergentheim, 59 km), Remsbahn (Kannstatt-Nördlingen, 112 km), Brenzbahn (Aalen-Heidenheim-Ulm, 73 km), obere Neckarbahn (Plo-^[folgende Seite]