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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Zeus

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Zeus (Kunstdarstellungen).

sowie das Widerstreben des Prometheus fallen in die Periode der schon befestigten olympischen Zeusherrschaft und der entwickelten olympischen Götterfamilie. Von einem Kampf des Z. mit den Olympiern, die ihm sonst nur in leicht bezähmbarer Art widerstrebten, erzählt die Ilias (I, 396 ff.). Seine Gattin Hera, Poseidon und Athene haben ihn gebunden; da bringt Thetis den hundertarmigen Ägäon vom Meer hinauf auf den Olymp, der die aufrührerischen Gottheiten verscheucht (eine Symbolik kämpfender Naturmächte). In dem Mythus vom Widerstreben des Prometheus (s. d.) kämpft nicht materielle Gewalt gegen materielle Gewalt, sondern Intelligenz, die titanische nämlich, mit der höhern olympischen. Die Verteilung der Weltherrschaft erscheint in der ältern Sage in der Form des Loses, während bei Hesiod (Theog., 881) die Götter den Z. gleich nach dem Titanenkampf freiwillig zu ihrem Herrscher wählen und zwar auf den Rat der Mutter Erde und darauf Z. die Weltämter unter den Göttern verteilt. Hera ist bei Homer und überhaupt im ältern Epos die einzige Gemahlin des Z., die älteste und mächtigste der weiblichen Gottheiten vom Kronidenstamm, die Herrin neben dem Herrn. Später unterschied man mehrere Ehen des Z., unter denen die mit Hera keineswegs immer die erste ist. Bei Hesiod (Theog., 886 ff.) ist die erste die mit der Metis, der personifizierten Weisheit; dann folgen die mit Themis, Eurynome, Demeter, Mnemosyne und zuletzt erst die mit Hera. Überhaupt pflegte die Poesie mit diesen Verbindungen frei zu verfahren. Z. ist das patriarchalische Haupt des gesamten Olymp: die ältern Götter sind beseitigt, die beiden Brüder Pluton und Poseidon erkennen die Oberhoheit des Herrschers im Olymp an, die übrigen Gottheiten sind meist dessen Kinder. Ihm zur Seite steht Hera als Gemahlin, die aber immer ihre Schranken zu überschreiten sucht. In besonders inniger Verbindung erscheint Athene mit Z., als die aus seinem Haupt Geborne, gleichsam die hypostasierte, von ihm ausgeschiedene Metis, sowie Apollon, des Z. liebster Sohn, der Mund ist, welcher des Vaters Satzungen den Menschen verkündet und mit jener dem Vater in den Theomachien Beistand leistet. Ares, Hephästos, Artemis, Aphrodite, Hermes sind Kinder des Z., Ausflüsse seiner Persönlichkeit. Ihnen schließen sich in entfernterer Stellung, gleichsam als minder individualisierte Wesen und als dienende, die Hauptgottheiten begleitende Genien, die übrigen olympischen Gottheiten an, so Themis, die Horen, Musen, Chariten, Mören etc. Die von der Poesie mit besonderer Vorliebe verarbeiteten Mythen von den Liebschaften des Z. sind ihrem Ursprung nach meist landschaftliche Sagen, in denen Z., der Himmelsgott, ein Liebesverhältnis entweder mit andern Gottheiten des Himmels oder des Erdbodens, oder mit Nymphen der Landschaft als das zeugende, befruchtende Prinzip eingeht, oder sie knüpfen sich an die Genealogien edler Geschlechter an, wie der Äakiden und Herakliden. Z. erscheint aber in der Sagendichtung vorzugsweise als der verliebte Gott, und die Ilias ist naiv genug, ihn selbst seiner Hera in einer Schäferstunde ein ganzes Register dieser außerehelichen Neigungen vorerzählen zu lassen (XIV, 315-328). Am meisten besungen sind des Z. Liebesabenteuer mit Io, Europa, Danae, Antiope, Ägina, Alkmene, Kallisto und Maia. Obgleich Z. selbst Vater der Chariten ist, so wird er doch durch deren Gürtel leicht bezwungen, und die Sage erzählt sogar, daß die Liebe zur Io ihn, den unversöhnlichen Rächer des Meineides, zu einem falschen Schwur verleitet habe. Wie Z. speziell der Gründer der Heroengeschlechter ist, so geht auch neben allen andern Sagen von der Entstehung der Menschen durch Hephästos, Prometheus etc. das Bild des Z. als des eigentlichen Vaters der Menschen nebenher. Vgl. Welcker, Griechische Götterlehre (Götting. 1857, Bd. 1, S. 129 ff.; Bd. 2, S. 178 ff.).

In den Kunstdarstellungen erscheint kein Gott so häufig wie Z., keiner aber auch in so wechselnder Auffassung. Wie sich in Z. alle Seiten des hellenischen Charakters widerspiegeln, so ist auch der Typus des Gottes bald milder, bald strenger, schlicht und auch wieder imposant gestaltet worden. Der jugendliche Z. findet sich nur gelegentlich an Orten, welche sich das Heimatsrecht des Gottes beimaßen. Die allermeisten Denkmäler stellen Z. im vollreifen Mannesalter dar, in blühender Kraft, ohne den Zug des Greisenhaften, der bei Poseidon und Hades auftritt und hier leicht erklärlich ist. Als dem Vater der Götter und Menschen kommt ihm das Thronen vorzugsweise zu und die würdevolle Bekleidung mit dem Mantel, der häufig den Oberkörper, wenigstens die eine Brust, frei läßt. Charakteristisch ist das reich wallende, auf der Stirn sich aufbäumende Haupthaar und ein mäßig gelockter Vollbart, der in der Mitte geteilt ist. Diese Züge, verbunden mit dem Ausdruck ernsten Sinnes und doch auch gütigen Wohlwollens, finden sich am vollendetsten ausgeprägt an der berühmten, in Otricoli gefundenen Kolossalbüste des Vatikans (Fig. 1), einem Meisterwerk der nachalexandrinischen Zeit, welches man früher für eine Nachbildung des olympischen Z. des Pheidias hielt. Dieses letztere Werk, die größte Leistung der antiken Kunst, war aus Gold und Elfenbein gebildet (s. Goldelfenbeinkunst) und mit Emailverzierungen, mit Edelsteinen und Malereien aufs reichste geschmückt. Z. saß auf einem prächtigen Thron, hielt in der Rechten eine dem Beschauer zugewendete, eine Siegesbinde tragende Nike und in der Linken das Zepter mit dem Adler. Das Haupt war mit einem Kranz von Ölzweigen, dem olympischen Siegespreis, bedeckt. Die Füße ruhten auf einem Sessel. Zahlreicher Figuren- und Reliefschmuck war allenthalben angebracht, selbst die Schranken um das Bild waren mit bedeutungsvollen Gemälden versehen. Das ganze

^[Abb.: Fig. 1. Zeus, Büste von Otricoli (Rom, Vatikan).]