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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Auslieferung von Verbrechern; Ausrückvorrichtung; Aussa; Aussatz

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Auslieferung von Verbrechern - Aussatz

Auslieferung von Verbrechern. Ein Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und der Südafrikanischen Republik vom 22. Jan. 1885 nimmt über die A. eine besondere Vereinbarung in Aussicht. Inzwischen sollen dem Deutschen Reich in der Südafrikanischen Republik dieselben Rechte und Begünstigungen, welche seitens dieser Republik einem andern Staat in dieser Einsicht eingeräumt sind, insoweit zustehen, als seitens des Deutschen Reichs bei Stellung des Antrags für gleichartige Fälle die Gegenseitigkeit zugesichert wird. Wie ferner zwischen Rußland und der preußischen Regierung ein Vertrag über die A. von Verbrechern abgeschlossen worden ist (1885), so ist dies auch von seiten Bayerns gegenüber dem russischen Reich geschehen. Die preußische, resp. bayrische Regierung hat sich hiernach gegenüber der russischen verpflichtet, russische Unterthanen auszuliefern, wenn es sich um eins der nachstehend bezeichneten Verbrechen oder Vergehen gegen den Kaiser oder gegen ein Mitglied der kaiserlichen Familie oder um Vorbereitungen zur Ausführung solcher Verbrechen oder Vergehen handelt, nämlich Totschlag, Thätlichkeit, Körperverletzung, vorsätzliche Beraubung der persönlichen Freiheit und Beleidigung. Außerdem wird ausgeliefert wegen Mordes und Mordversuchs und wegen strafbarer Herstellung und strafbaren Besitzes von Dynamit und andern Sprengstoffen. In andern Fällen soll ein Auslieferungsantrag in Erwägung genommen, und es soll ihm mangels eines Bedenkens Folge gegeben werden. Der Umstand, daß das Verbrechen oder Vergehen in einer politischen Absicht begangen, ist kein Grund, um die A. abzulehnen. In analoger Weise hat sich die russische Regierung dem andern Vertrag schließenden Teil gegenüber verpflichtet. - Zur Litteratur: Lammasch, Auslieferungspflicht und Asylrecht (Leipz. 1887).

Ausrückvorrichtung * für Motoren, s. Motor (Bd. 17).

Aussa *, Hauptort des Danakilstammes der Modaito, etwa 100 km westlich vom Golf von Tadschurra, am Südufer des gleichnamigen, 22 km langen und 11 km breiten Süßwassersees, in welchen der Hawasch mündet, ein wichtiger Handelsplatz, an welchem die Kaufleute des südlichen Abessinien mit den Afar und Danakil zusammentreffen, der aber in den letzten Jahren sehr heruntergekommen ist und gegenwärtig 5-6000 Einw. zählt.

Aussatz. Die Forschungen über den A. sind seit den Jahren 1879-82 auf eine völlig geänderte Grundlage gestellt durch die Entdeckung des Lepra-Bacillus (Armauer Hansen und Neißer). In allen dem leprösen Krankheitsprozeß eigentümlichen Erzeugnissen (Hautknoten, Schwellungen der Nerven, Geschwürsbildungen innerer und äußerer Teile) finden sich die Aussatzmikroben vor: feine, schlanke Stäbchen, an den Enden leicht verjüngt, deren Länge etwas mehr als die Hälfte des Durchmessers eines roten Blutkörperchens beträgt. Im Innern hegen sie 2-3 Sporen, ihr Wachstum in künstlichen Kulturen ist ein ungemein langsames. Durch den Nachweis dieses Mikroben ist einerseits die früher mögliche Verwechselung des Aussatzes mit äußerlich ähnlichen bloßen Hauterkrankungen wissenschaftlich beseitigt; als einer bacillären Allgemeininfektion entstehen ihm gegenüber die Aufgaben, die Einwanderung des geschilderten Krankheitskeims in den menschlichen Körper (seine Verbreitung innerhalb der einzelnen Gewebe), die zur Vernichtung der letztern führenden Kämpfe des eingewanderten Mikroben mit der lebenden

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Zelle zu verfolgen und in den groben pathologischen Erscheinungen, den klinischen Formen des Aussatzes das Widerspiel dieser innern Vorgänge zu entdecken. In diesem Sinn haben die fieberhaften Allgemeinleiden in den ersten Stadien der Aussatzertrankung, die plötzlichen Knotenausbrüche im weitern Verlauf, welche das Wesen einer Selbstinfektion zeigen, das Streben zur Ausheilung, allerdings nach Zerstörung und Abstoßung der befallen gewesenen Teile (lepra mutilans), neuerdings ihre richtige Würdigung erfahren. Eifriger noch ist man den Wanderungen des zerrüttenden Mikroorganismus durch die einzelnen Gewebe: die Nerven, die Lymphdrüsen, die Schichten der Lederhaut und des Unterhautbindegewebes, die Milz, die Leber, die männlichen Generationsorgane, mittels der Färbemethoden gefolgt (Doppelfärbungen mit Fuchsin und Methylenblau). Ein Streit über den wichtigen Punkt, ob die Leprabacillen innerhalb der Leprazellen ihren Hauptaufenthalt nehmen und hier ihr zerstörendes Werk verrichten, oder ob sie frei von einer Zellenumhüllung, wenn auch zu Klumpen geballt, innerhalb der Lymphbahnen sich ansiedeln, darf als dahin entschieden gelten, daß nur in Ausnahmen Bacillen frei gefunden werden: vielleicht ausschließlich im Zwischengewebe der Hautschichten und der Muskeln. Wo sie in den Lymph- und Blutgefäßen frei erscheinen, zeigt ein besonders verfeinertes Färbeverfahren sie doch als Bewohner der die Innenwand dieser Gefäße austapezierenden (Endothelzellen), und hinsichtlich ihres Hauptwohnsitzes innerhalb der in einer Art Entzündung begriffenen spezifischen Leprazellen bahnt sich mehr und mehr eine Einigung der Forscher an, seitdem man erkannt hat, daß die Erscheinungsform wie die Größe dieser Gebilde eine sehr variable ist. Die Leprazellen erscheinen auch auffällig indifferent gegenüber dem an ihnen nagenden Krankheitsgift. Dies stimmt völlig überein mit der so außerordentlich chronischen Natur des Aussatzes, der selbst so zarte Gebilde wie das Innere des Auges und die Schleimhaut des Kehlkopfes deshalb so langsam zerstört, weil seine Mikroben, für gewöhnlich in Zellen eingekerkert, in mehr lokalisierter Weise ihre Wirkungen ausüben und in ihren Allgemeinwirkungen nicht zu vergleichen sind mit den Bacillen des Milzbrandes oder der Blutvergiftung (Septichämie), welche in ungeheurer Vermehrung bald die ganze Blutmasse erfüllen.

Mit größter Spannung hat sich aber die Mehrzahl der Aussatzforscher dem Tierexperiment in der Form zugewandt, bacillenbewohnte Aussatzgewebe, besonders die Aussatzknoten, welche von Leprastäbchen wimmelten, auf Kaninchen, Meerschweinchen und andre warmblütige Tiere zu übertragen. Drei Meinungen über die experimentelle Übertragbarkeit oder Nichtübertragbarkeit der Lepra auf Tiere bekämpfen sich. Von einigen Seiten wird die Übertragung durch den Einimpfungsversuch beschränkt oder unbeschränkt zugegeben. Eine starke Gegenpartei leugnet jede Übertragung einschließlich jeder Spur übertragener krankhafter Reste. Vermittelnd tritt die Meinung ein, welche zwar die wirkliche Übertragung (besonders in Gestalt einer Allgemeininfektion) in Abrede stellt, jedoch als bewiesen annimmt, daß nicht selten an der Stelle (Auge, Unterhautbindegewebe, Bauchhöhle), auf welche die Übertragung ausgeführt wurde, deutliche Überbleibsel der übertragenen Parasiten nachzuweisen waren. Als Zufälligkeiten, welche wahrscheinlich dem Gelingen eines Teils der Experimente mehrfach hinderlich waren, bezeichnet man: nicht genügende Frische des Impfmaterials, Inokulationen