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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Anthropologenkongreß

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Anthropologenkongreß (Münster 1890).

den Unternehmergewinn entspricht, die Hälfte oder auch z. B. von den ersten 10,000 Mk. über den Normalertrag 50 Proz. und für weitere Mehrerträge nur 25 Proz. ausbezahlt, während der Rest zur Schaffung eines Reservefonds Verwendung findet, welcher zur Begleichung von Mindererträgen in Anspruch genommen wird, indem der Anteilverwalter dem Normalertrag gegenüber keine Garantie übernimmt und aus dieser Ursache auch für einen etwanigen Unternehmerverlust nicht aufzukommen hat. Wenn der Reservefonds den Wert des halben oder ganzen Jahresnormalertrags erreicht hat, so tritt derselbe an Stelle der Kaution zur Sicherstellung des Normalreinertrags bei der Gewährverwaltung, womit der Übergang zu dieser gegeben ist.

Bei der Gewährverwaltung garantiert der Gewährverwalter dem Gutsherrn mit Kaution den Eingang des Normalreinertrages oder die durchschnittliche Verzinsung des Grund- und Betriebskapitals, welches auch hier, wie bei der Anteilverwaltung, von dem Gutsbesitzer beschafft wird. Der Unternehmergewinn fällt dann (neben einer baren Besoldung für die Verwaltung des Kapitals oder auch ohne diese) ganz oder bei ungenügender Kaution zur Deckung gegen das damit verbundene größere Risiko zu 75 Proz. oder weniger dem Gewährverwalter zu, welcher dagegen für jeden Unternehmerverlust aus der Kaution oder aus eignem Vermögen Ersatz zu bieten hat.

Bei der A. u. G. stellt somit der Besitzer das Grund- und Betriebskapital; die eventuelle Kaution hat nur den Zweck, den Normalertrag, nicht aber das Gutsobjekt sicherzustellen, weshalb denn auch dem Besitzer oder dessen Vertreter die Kassa und Buchführung auf Grund von Anweisung der Empfänge und Ausgaben von seiten des Anteil- und Gewährverwalters sowie die Kontrolle über alle Naturalvorräte und die Werterhaltung der Gutssubstanz zusteht, zum Unterschied von der Verpachtung, bei welcher die Kontrolle sich nur auf die Einhaltung der Bedingungen des Pachtkontrakts erstreckt. Der Anteil- und Gewährverwalter erhält dagegen vollständige Freiheit, solche Betriebsorganisationen einzuführen, welche ihm zur Erreichung der höchsten Rente am passendsten dünken, die Konjunkturen im Kauf und Verkauf ohne Einholung einer gutsherrlichen Genehmigung ausnutzen zu können, und das Recht, das erforderliche Hilfspersonal nach eignem Ermessen aufnehmen und entlassen zu können. Am Schluß des Rechnungsjahrs wird nach der Eingangs- und Ausgangsinventur, der Abschreibung der vereinbarten Amortisationen und der Rechnungsgebarung der bilanzmäßige Erfolg oder Verlust des abgelaufenen Wirtschaftsjahrs ermittelt und auf Grund deren der Anteil des Verwalters am Unternehmergewinn oder der von diesem zu leistende Ersatz berechnet. Dem kapitalschwachen Landwirt wird mit der A. u. G. die Möglichkeit geboten, eine Unternehmung auf eigne Rechnung und Gefahr zu übernehmen, während für den Gutsherrn gegenüber der Verpachtung die Möglichkeit gegeben ist, an der Steigerung des Reinertrags teilzunehmen und dabei über sein Eigentum mehr Herr zu bleiben. Nachteile sind die Schwierigkeit der Aufstellung eines zutreffenden Normalertragsanschlags und der Umstand, daß die Wirkung von Unterbilanzen, besonders am Beginn einer A. u. G., in allen Konsequenzen an der Hand thatsächlicher Verhältnisse noch nicht genügend geklärt und erprobt worden ist. Vgl. Krafft, Die Betriebslehre (5. Aufl., Berl. 1891); Hecke, Die landwirtschaftlichen Erträge und die Tantièmen (Wien 1890); Diebl, Die zeitgemäße Gestaltung der Gutswirtschaft und des Beamtenstandes (Brünn 1884).

Anthropologenkongreß. Die 21. allgemeine Versammlung der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte tagte vom 11.-14. Aug. 1890 in Münster. Die erste Sitzung wurde von dem Vorsitzenden Prof. Waldeyer - Berlin mit einer Ansprache eröffnet, welche die Beziehungen Westfalens zur Urgeschichte kennzeichnete. Das Land der roten Erde sei eins der ältesten Kulturgebiete unsers deutschen Vaterlandes, das Land, in welchem sich wie kaum irgendwo anders bei uns verbriefte Geschichte und Urgeschichte die Hand reichen, es sei aber auch das Land, in welchem zum erstenmal das Deutschtum als geschlossen wirkende Macht in der Abwehr gegen die Fremden erfolgreich in die Schranken trat, so erfolgreich, daß die Varusschlacht im Teutoburger Walde die ganze damalige Kulturwelt erschütterte. Jener Waffenklang töne heute noch an unser Ohr und solle immerdar daran tönen, nicht mehr mahnend zum Krieg, sondern zur Einigkeit aller deutschen Stämme in festem Zusammenhalten zu friedlicher Arbeit. Redner gab nun eine kurze Geschichte der Gesellschaft. Auf der Naturforscherversammlung in Innsbruck 1869 entstand in der anthropologischen Sektion der Plan, eine deutsche anthropologische Gesellschaft zu gründen. 1870 gelangte diese Gründung in Mainz zum Abschluß. Von den Leistungen der Gesellschaft ist, abgesehen von ihrem Korrespondenzblatt, anzuführen die in Arbeit befindliche prähistorische Karte von Deutschland, die Vereinbarung über die Methoden der Körpermessung, namentlich betreffs des Schädels, die Katalogisierung der sämtlichen in deutschen Museen befindlichen Schädel, die Anregung zu der erfolgten Untersuchung der germanischen Völker auf die Farbe ihrer Haut, Haare und Augen, die Verständigung mit den deutschen Staatsregierungen behufs Schutzes der Altertümer und behufs Erweiterung der ethnologischen Sammlungen mittels Inanspruchnahme der Marine etc. Was den Stand der urgeschichtliche Forschung in Westfalen betrifft, so sind zwar beachtenswerte Ergebnisse gewonnen: es besteht eine westfälische Gruppe der Deutschen anthropologischen Gesellschaft, die namentlich in Hamm, Iserlohn und Letmathe ihre Pflegestätten besitzt, es sind über die westfälischen Höhlen, so neuerdings über die Bilsteiner Höhle bei Warstein, ausführliche Untersuchungen angestellt; die bei Hamm gefundenen Totenbäume (Baumstämme, so ausgehöhlt, daß ein Leichnam gerade hineinpaßt) waren schon früher Gegenstand der Verhandlung in der Anthropologischen Gesellschaft, von Schaaffhausen sind viele Ausgrabungen veranlaßt, aber doch bleibt gerade in Westfalen noch viel zu thun übrig. - Nach den üblichen Begrüßungsreden begannen die wissenschaftlichen Verhandlungen mit einem Vortrag von Prof. Hosius - Münster über die Geognosie von Westfalen mit besonderer Berücksichtigung der für vorgeschichtliche Fundstellen wichtigen Formationsglieder. Zwei geognostische Gebiete kommen allein für die Urgeschichte in Betracht: das Höhlengebiet und das Diluvium. Die westfälischen Höhlen finden sich sämtlich im Stringocephalenkalk (Eifelkalk, Elberfelder Kalk, Massenkalk), einem festen, zähen, in sehr mächtigen Lagen anstehenden Kalkstein, der eben dieser Eigenschaften halber für Höhlenbildung besonders geeignet erscheint. Der Massenkalk, eins von den obern Gliedern des mittlern Devon, kommt an vier gesonderten Stellen vor, und zwar zieht sich die eine von Hagen über Letmathe, Limburg und das Gönnethal