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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Elektrotechnik

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Elektrotechnik (neueste Entwickelung, Hygienisches).

dagegen bieten heutzutage noch ziemliche Schwierigkeiten in der Herstellung. Es sind zwar verschiedene Arten solcher Motoren vorhanden, allein bis heute kranken sie alle noch an einer Reihe von Übelständen. Teilweise laufen sie nur mit einer einzigen, ganz bestimmten Geschwindigkeit, gehen nur leer an, vertragen eine plötzliche Belastung nicht und müssen für gleiche Leistung viel größer gewählt werden als Gleichstrommotoren; teilweise benötigen sie drei und mehr Leitungen von der Strommaschine aus; dagegen ist die Behauptung, daß der Wirkungsgrad ein schlechter sei, völlig unbegründet, man hat bereits Motoren, die über 80 Proz. Nutzeffekt haben. Der Wirkungsgrad ist aber allein nicht maßgebend.

Die elektrische Beleuchtung war wohl das erste, was die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog. Hier waren die Vorteile gegenüber der alten Beleuchtungsart zu packend, als daß man lange auf eine weitverbreitete Anwendung verzichten konnte. Die Erfindung der Glühlampen, die Herstellung selbstregulierender Bogenlampen mußte einen gewaltigen Aufschwung bedingen; die Lösung des Problems der Teilung des Lichtes, d. h. die Lösung des Problems, jede einzelne Lampe unabhängig von der andern brennen zu können, durch das System der Parallelschaltung, sicherte der jungen Technik die praktische Durchführbarkeit, deren schönste Beweise die allerorts entstehenden elektrischen Zentralen sind (s. Elektrische Zentralstationen).

Ein andres, für die Zukunft noch weit bedeutenderes Feld ist die elektrische Kraftübertragung. Obwohl schon jetzt, namentlich in Amerika, zur praktischen Durchführung gelangt, so liegt sie immer noch in den ersten Anfängen, da ihre Vorzüge noch nicht so völlig in Fleisch und Blut übergegangen sind wie jene des elektrischen Lichtes. Bedenkt man aber, daß die elektrische Kraftmaschine die zugeführte Energie ohne Zwischenapparate unmittelbar in drehende Bewegung umsetzt, daß also alle diejenigen Teile fortfallen, welche zur Umsetzung der hin- und hergehenden in drehende Bewegung bei andern Betriebsmaschinen (Dampf-, Gaskraftmaschinen) nötig sind, Teile, welche bekanntlich sehr kostspielig und, da in fortwährender Bewegung, auch am meisten der Erneuerung bedürftig sind, bedenkt man ferner, daß die Zuleitung der Energie durch dünne Kupferdrähte die denkbar einfachste ist, daß keine toten Punkte vorhanden sind, daß Schmutz und Belästigung irgend welcher Art gänzlich ausgeschlossen sind, so müssen wir den Elektromotor, der überdies bei gleicher Kraftleistung das geringste Gewicht besitzt, den kleinsten Raum einnimmt und in der Anlage weitaus am billigsten ist, als das Ideal einer Betriebsmaschine ansehen. Dazu aber kommt, daß die elektrische Energie auf die weitesten Entfernungen ohne nennenswerten Verlust zu leiten ist (s. Elektrische Kraftübertragung).

Endlich aber sind es auch noch die chemischen Wirkungen des elektrischen Stromes, welche in der Technik Anwendung gefunden haben. Teilweise werden diese Wirkungen dazu benutzt, um elektrische Energie aufzuspeichern, teilweise um Substanzen in bestimmte Bestandteile zu zerlegen. Die Aufspeicherung elektrischer Energie in den sogen. Akkumulatoren ermöglicht es, die Maschinen nicht während der ganzen Zeit des Lichtbedürfnisses in Betrieb zu halten. Brennen z. B. in einer Anlage in den Abendstunden 100 Lampen gleichzeitig, während ca. 10-20 Lampen Tag und Nacht brennen sollen, so wäre es im höchsten Grade unwirtschaftlich, wollte man wegen dieser wenigen Lampen die Maschine Tag und Nacht in Betrieb halten. Da empfiehlt es sich vielmehr, die Maschine einige Stunden vor Beginn des Hauptlichtbedürfnisses anzulassen, teilweise die 10-20 Lampen zu speisen, den überschüssigen Strom aber in die Akkumulatoren zu schicken. Während vorher die Maschine Tag und Nacht hätte arbeiten müssen, genügt jetzt ein Maschinenbetrieb von nur 6-8 Stunden, indem die Akkumulatoren die übrige Zeit die Speisung der Lampen übernehmen. Neuerdings finden außerdem die Akkumulatoren eine großartige Anwendung bei Zentralstationen (s. Elektrische Zentralstationen).

Die Zerlegung chemischer Substanzen in bestimmte Bestandteile, die sogen. technische Elektrolyse, hat seit der Herstellung von Maschinen ganz gewaltige Fortschritte gemacht. Man unterscheidet bereits vier weite Gebiete, auf welchen sie sich bethätigt. Die Elektrometallurgie hat es mit der Reingewinnung von Metallen zu thun. Teilweise handelt es sich darum, die Metalle vollkommen rein zu erhalten, wie z. B. bei Kupfer, teilweise sind Metalle auf keinem andern Wege und in größerm Maße gleich vorteilhaft herstellbar, wie z. B. Aluminium. Ein andrer Zweig beschäftigt sich mit der Herstellung von chemisch-technischen Stoffen, z. B. Soda, die Galvanoplastik mit der Herstellung plastischer Abdrücke, die Galvanostegie endlich mit der Herstellung metallischer Überzüge (Verkupferung, Versilberung etc.).

[Hygienisches.] Seit der Einführung des elektrischen Lichtes, der elektrischen Kraftübertragung und der Benutzung des von Dynamomaschinen erzeugten Stromes zu medizinischen Zwecken sind elektrische Leitungen vielfach in bewohnte Räume geführt worden, und es entsteht die Frage, welche Gefahren für Leben und Gesundheit hiermit verbunden sein können und wie sich dieselben vermeiden lassen. Die elektrische Beleuchtung, welche so viele, auch hygienische Vorzüge vor der ältern Beleuchtung besitzt, zeichnet sich auch durch Vermeidung der Feuersgefahr so sehr aus, daß sie selbst dort angewandt werden kann, wo bisher die Benutzung offener Flammen ausgeschlossen war. Eine gewisse Gefahr ist freilich mit dem elektrischen Licht insofern verbunden, als unter Umständen Leitungsteile sich stark erhitzen und die Entzündung umgebender Teile bewirken können. Zur Vermeidung dieser Gefahr hat man hinreichend große Leitungsquerschnitte anzuwenden, damit die Drähte, auch wenn ein stärkerer Strom als der der gewöhnlichen Beanspruchung entsprechende hindurchgeht, sich nicht erhitzen, innerhalb der Gebäude sind alle Teile der Leitung, welche irgendwie mit brennbarem Material in Berührung kommen können, sorgfältig zu isolieren und zwar mit einem die Wärme schlecht leitenden Material, welches höhern Temperaturen, der Feuchtigkeit, dem Mäuse- und Rattenfraß und sonstigen äußern Einflüssen gut widersteht. Sehr empfehlenswert sind auch Einschaltungen von Bleisicherungen, die bei Erhitzungen leicht schmelzen und dadurch den Strom vollständig unterbrechen.

Viel bedeutsamer als die durch elektrische Leitungen herbeigeführte Feuersgefahr ist die zufällige unvermutete Einwirkung des elektrischen Stromes auf den Menschen. Wenn eine Berührung mit der nicht isolierten Stromleitung in der Weise stattfindet, daß der Körper des Betroffenen von dem Strom durchflossen wird, d. h. wenn der Körper die positive und die negative Leitung gleichzeitig berührt und so einen Schluß zwischen beiden bildet, oder wenn eine Leitung infolge