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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Elektrotechnik

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Elektro-induktive Abstoßung - Elektrotechnik.

gerichtet, und es tritt Anziehung ein. Werden die Stromunterbrechungen in der Spule in rascher Aufeinanderfolge bewirkt, oder schickt man durch dieselbe Wechselströme, die von einem Induktionsapparat oder einer Wechselstrom-Dynamomaschine geliefert werden, so müßte der Ring, da er rasch hintereinander in gleichen Zeitintervallen schwache Anziehungen und Abstoßungen erfährt, in Ruhe bleiben. Dies könnte aber nur dann der Fall sein, wenn die sekundären Ströme genau gleichzeitig mit den primären verlaufen, wenn z. B. in demselben Zeitintervall, in welchem der primäre Strom von Null bis zu seiner Maximalstärke ansteigt, der entgegengesetzt gerichtete sekundäre Strom von seinem Maximum bis Null herabsinkt. Dieser genaue Synchronismus der induzierten Ströme mit den induzierenden findet aber thatsächlich nicht statt, weil in dem Ring Selbstinduktion auftritt, indem die in seiner Masse entstehenden Extraströme (s. Induktion, Bd. 8) das Anwachsen des Induktionsstroms auf seinen Maximalwert und ebenso seine Abnahme auf Null verzögern. Wächst z. B. die Stärke des induzierenden Stromes von Null bis zu ihrem Maximum, so fällt das Maximum des induzierten Stromes mit jenem Nullwert nicht zusammen, sondern tritt etwas später ein und rückt daher dem Maximum des primären Stromes zeitlich näher. Hierdurch wird die Zeitdauer, während welcher die Ströme entgegengesetzt gerichtet sind und sich daher abstoßen, verlängert auf Kosten derjenigen, während welcher die gleiche Richtung der Ströme Anziehung zu bewirken strebt; zugleich wird das Übergewicht der abstoßenden Wirkung noch dadurch begünstigt, daß während der Periode der Abstoßung beide Ströme ihre Maximalwerte erreichen, wogegen sie in der Periode der Anziehung nur geringere Werte besitzen. Da sonach abwechselnd während längerer Zeitabschnitte Abstoßung stattfindet, bewirkt durch stärkere entgegengesetzte Ströme, innerhalb kürzerer Zeitintervalle aber Anziehung infolge schwächerer gleichgerichteter Ströme, so muß die resultierende Wirkung Abstoßung sein.

Diese e. A. hat Elihu Thomson durch eine Reihe bemerkenswerter Versuche veranschaulicht. Legt man einen Kupferring auf den aus einem Bündel weicher Eisendrähte bestehenden Kern eines aufrecht stehenden Elektromagnets und erregt letztern durch einen starken Wechselstrom, so springt der Ring nach oben von seiner Unterlage ab. Hängt man eine Kupferplatte, an einem Wagebalken ins Gleichgewicht gebracht, horizontal über dem Magnetpol auf, so steigt dieselbe bei Erregung durch Wechselstrom beträchtlich in die Höhe. Diese Abstoßung ist so kräftig, daß ein Kupferring, der durch Fäden in vier Punkten an die Tischplatte geheftet ist, entgegen der Wirkung der Schwerkraft frei schwebend in der Luft erhalten wird. Zwei oder mehrere geschlossene Stromkreise, der Einwirkung des wechselnden Magnetpols ausgesetzt, ziehen sich gegenseitig an, weil die in ihnen induzierten Ströme die gleiche Richtung haben, und werden gemeinsam von dem Magnetpol zurückgestoßen. Eines der schönsten Experimente von E. Thomson ist das folgende: Eine elektrische Glühlampe ist an die Enden einer horizontalen Drahtspule angeschlossen, und Lampe und Spule schweben in einem mit Wasser gefüllten Glasgefäß über dem Kern des Elektromagnets. Wird dieser durch Wechselströme kräftig erregt, so bringen die in der Spule induzierten Ströme die Lampe zum Glühen, während gleichzeitig die abstoßende elektrodynamische Wirkung sich durch Emporsteigen der Lampe samt Spule offenbart. Die induzierende und elektrodynamische Wirkung geht durch das Glas und das Wasser ungehindert hindurch. Bringt man aber eine Kupferplatte zwischen den Magnetpol und die mit der Lampe verbundene Spule, so erlischt die Lampe; die Kupferplatte (und ebenso überhaupt jeder Leiter der Elektrizität) wirkt nämlich wie ein Schirm, welcher die Spule vor der induzierenden Wirkung des Poles schützt, indem er dieselbe zu seiner eignen Induktion gleichsam absorbiert. Bringt man ferner eine Kupferplatte über den einen Pol des von Wechselströmen erregten Elektromagnets und nähert eine zweite, um eine Achse drehbare Kupferplatte, so gerät diese in rasche Drehung. Die feststehende Platte schützt nämlich einen Teil der drehbaren Platte vor der Induktionswirkung; die in jener induzierten Ströme ziehen die in der drehbaren Scheibe unsymmetrisch verteilten induzierten Ströme an und erzeugen eine Kraft, welche nicht durch die Drehungsachse geht und daher Drehung bewirkt. Zwei drehbare Scheiben, von welchen jede einen Teil des Poles überdeckt, ziehen einander an und rotieren in entgegengesetzten Richtungen.

Elektrotechnik umfaßt das Gebiet der in der Technik verwerteten Eigenschaften des elektrischen Stroms. Sie hat es zunächst zu thun mit der Erzeugung des elektrischen Stromes. Neben der Herstellung von galvanischen Elementen befaßt sich dieser Zweig vor allem mit der Herstellung elektrischer Maschinen, denn nur die maschinelle Erzeugung des elektrischen Stromes machte dessen Eigenschaften allererst praktisch nutzbar. Für die elektrischen Maschinen, wie überhaupt für die eigentliche E. kann das Jahr 1867, das Jahr der Entdeckung des dynamoelektrischen Prinzips von Werner v. Siemens (s. Magnetelektrische Maschinen, Bd. 11), als Geburtsjahr gelten. Von da ab erst sehen wir eine fabrikmäßige Herstellung elektrischer Maschinen beginnen. Allein die ersten Maschinen waren weit davon entfernt, ihrer Grundbedingung, der Umsetzung mechanischer Energie in elektrische ohne nennenswerte Verluste, zu genügen. Erst als gegen Ende der 70er Jahre die berühmten Abhandlungen der Gebrüder Hopkinson und Kapp Aufschluß über die günstigsten Eisen- und Kupferverhältnisse bei elektrischen Maschinen gegeben hatten, war es möglich, nicht nur Maschinen herzustellen, welche über 90 Proz. der mechanischen Energie in nutzbare elektrische Energie umsetzten, nein, man hatte sogar die Mittel, Maschinen voraus zu berechnen. Und so konnte denn der Bau der Dynamomaschinen jenen Aufschwung nehmen, welcher uns heute noch mit Staunen erfüllt. Wurden früher Maschinen von 10 Pferdekräften als sehr groß angesehen, so sieht man heute schon eine ganze Anzahl Maschinen von 500 Pferdekräften laufen, Maschinen also, von welchen jede 5-6000 Glühlampen von 16 Normalkerzen speisen kann. Dies gilt zunächst für die Gleichstrommaschinen. Aber auch die Wechselstrommaschinen, welche mit der Verbesserung der Gleichstrommaschinen mehr und mehr in den Hintergrund getreten waren, erfuhren mannigfache Ausbildungen, namentlich von jenem Zeitpunkt ab, wo die ersten brauchbaren Wechselstromtransformatoren hergestellt wurden. Die Gleichstrommotoren waren gleichzeitig mit der Vervollkommnung der Gleichstrommaschinen ausgebildet, da ja bei Gleichstrom eine und dieselbe Maschine als Strommaschine und als Motor verwendet wird. Es nimmt daher kein wunder, wenn auch die Gleichstrommotoren einen Wirkungsgrad von über 90 Proz. besitzen. Die Wechselstrommotoren