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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Otte; Ottin; Öttingen; Otto; Oudemans

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Otte - Oudemans.

16-18jährige Ehemänner sind zu unerfahren und unselbständig, um einen eignen Haushalt anzufangen; sie bleiben daher auch nach ihrer Verheiratung bei den Eltern wohnen. Die Töchter folgen im Alter von 12-14 Jahren dem Gatten, mit dem sie im 8.-10. Jahre verlobt worden sind, und gehen in die despotische Gewalt eines andern Familienhauptes über. Ein natürlicher Ausfluß des patriarchalischen Systems ist die unselbständige Stellung der Frauen. In der Kindheit, so lautet eine häufig wiederkehrende Maxime der indischen Gesetzgeber, soll das Weib dem Vater, in der Jugend dem Manne, im Alter den Söhnen unterthan sein; niemals verdient die Frau Selbständigkeit. Daraus folgt in vermögensrechtlicher Beziehung der Grundsatz, daß die Frau alles, was sie erwirbt, nicht für sich, sondern für ihren Gewalthaber erwirbt, und daß sie absolut kein Erbrecht besitzt. Doch sind diese theoretischen Maximen früh durchbrochen worden. Während im ältern Rechte die weiblichen Familienmitglieder nur einen Anspruch auf standesgemäßen Unterhalt hatten, der bei den Töchtern sich nur bis zur Verheiratung erstreckte, aber die bedeutenden Kosten der luxuriösen Hochzeitsfeste in sich schloß, wurde späterhin den Frauen, namentlich der Witwe und der Mutter, ein ziemlich weitgehendes Erbrecht eingeräumt. Nach dem modernen indischen Rechte, wie es in der Mitakshara niedergelegt ist, erbt, wenn kein Sohn vorhanden ist, die Witwe das ganze Vermögen ihres Mannes, falls derselbe nicht in Gütergemeinschaft mit seinen Brüdern oder sonstigen männlichen Anverwandten lebte; nach dem modernen Rechte der Provinz Bengalen erbt die Witwe sogar in diesem Falle. Aus diesem weitgehenden Erbrecht der Witwe ergibt sich zugleich, daß der grausame und berüchtigte Brauch der Witwenverbrennung niemals allgemeine Geltung in Indien gehabt haben kann. Die Erbfolgeordnung ist, wie in dem ältesten römischen Erbrecht, das auf den gleichen Grundsätzen aufgebaut ist, ursprünglich streng agnatisch. Doch sind nach und nach auch die Kognaten in gewissen Fällen zur Erbschaft berufen worden und werden in der Provinz Bengalen sogar zwischen die Agnaten eingereiht. Testamente wurden erst durch die Engländer eingeführt.

Eine so eigenartig entwickelte Rechtsordnung wie die indische konnte, nachdem sie die Zeiten der mohammedanischen Fremdherrschaft überdauert hatte, auch durch die englische Eroberung nicht zerstört werden. Nur die barbarischen und ungerechten Bestimmungen des indischen Strafrechts verschwanden schon in der mohammedanischen Epoche. Die Engländer führten 1838 einen neuen Strafrechtskodex, Penal Code, für Indien ein, welcher den bekannten englischen Historiker Macaulay zum Verfasser hat. (Vgl. Starling, Indian criminal law, 4. Aufl., Lond. 1886.) Dagegen ist im Zivilverfahren schon im vorigen Jahrhundert, als die indische Gerichtsverfassung nach europäischem Muster reorganisiert wurde, die Geltung des einheimischen Rechtes der Hindu und Mohammedaner ausdrücklich anerkannt und seitdem nie angetastet worden. Als Warren Hastings, der berühmte englische Staatsmann und Feldherr, 1772 von der Ostindischen Kompanie zum Statthalter von Bengalen ernannt wurde, war einer seiner ersten Regierungsakte die Anerkennung und gesetzliche Sanktionierung des Rechtes der Hindu und Mohammedaner, in allen in das Gebiet des Erbrechts und ehelichen Güterrechts sowie ihrer besondern Kastengebräuche einschlagenden Fällen nur nach ihrem eignen Rechte gerichtet zu werden. Auch berief er eine Kommission von elf Brahmanen zur Ausarbeitung eines indischen Kodex auf Grund der alten Gesetze und ließ diese Kompilation von dem Engländer Halhed ins Englische übersetzen. Dieser Übersetzung, die 1776 erschien, gebührt der Ruhm, zuerst die Aufmerksamkeit der europäischen Gelehrten auf die Schatze der Sanskritlitteratur gelenkt zu haben; aber eine sichere Grundlage für die englische Rechtsprechung lieferten erst zwei Dezennien später die sorgfältigen und genauen Übertragungen von Colebrooke, denen nachher viele andre gefolgt sind. Um ganz sicher zu gehen, pflegten die englischen Richter außerdem indische Panditen zu konsultieren, welche die für den bezüglichen Rechtsfall in Betracht kommenden Stellen aus den indischen Gesetzbüchern beizubringen hatten und zu diesem Zwecke den Gerichtshöfen attachiert waren. Erst in neuerer Zeit ist diese Einrichtung wieder abgeschafft worden. Die »Präcedenzfälle« (Precedents), welche in den periodischen Veröffentlichungen der anglo-indischen Appellationsgerichte von Kalkutta, Bombay, Madras und Allahabad gesammelt vorliegen, liefern dem englischen Richter eine genügende Grundlage für die Urteilsfällung. Auch liegt für viele einzelne Teile des Rechtes, namentlich für das Patentwesen, Gebührenwesen und andre moderne Einrichtungen sowie für den Zivil- und Kriminalprozeß, jetzt eine Kodifikation vor. (Vgl. Stokes, The Anglo-Indian Codes, Oxf. 1887-88, 2 Bde.) Die Anzahl der Prozesse, welche an den anglo-indischen Gerichtshöfen zur Aburteilung gelangen, ist sehr bedeutend. Namentlich die vermögensrechtliche Stellung der Witwe, der Grad ihrer Dispositionsfähigkeit über das von ihrem Manne ererbte Vermögen, gibt zu vielen Streitigkeiten Veranlassung. Die Gerichtskosten sind sehr hoch, doch wird die Unbestechlichkeit der englischen Richter auch von den Eingebornen rühmend anerkannt, und sie ziehen, wenn sie die Wahl haben, einen englischen Richter einem ihrer Landsleute bei weitem vor. Vgl. West und Bühler, A digest of the Hindu law (3. Aufl., Bombay 1884, 2 Bde.); Jolly, Tagore law lectures (Kalkutta 1885); L. v. Schröder, Indiens Litteratur und Kultur (Leipz. 1887).

Otte, 1) Heinrich, Kunstschriftsteller, starb 12. Aug. 1890 in Merseburg.

Ottin, Auguste Louis Marie, franz. Bildhauer, starb 9. Dez. 1890 in Paris.

Öttingen, 1) Alexander von, Theolog, Professor an der Universität Dorpat, trat 1891 in den Ruhestand.

Otto, 1) O. I., der Große, deutscher Kaiser. Vgl. Stein, O. der Große und seine Brüder (Halle 1888, Volksschrift).

3) O. III., deutscher Kaiser. Vgl. Kehr, Die Urkunden Ottos III. (Innsbr. 1890).

16) O. I. Friedrich Ludwig, König von Griechenland. Vgl. »La Grèce du roi Othon. Correspondance de M. Thouvenel avec sa famille et ses amis«, herausgegeben von L. Thouvenel (Par. 1890).

18) O. Heinrich (Ottheinrich), Kurfürst von der Pfalz. Vgl. Salzer, Beiträge zu einer Biographie Ottheinrichs (Heidelb. 1886).

Oudemans, Corneille Antoine Jean Abraham, Botaniker, geb. 7. Dez. 1825 zu Amsterdam, studierte Medizin in Leiden, promovierte 1847, wurde Professor der Medizin und der Botanik am (damaligen) Athenäum in Amsterdam, 1877 Professor der Botanik und Pharmakognosie an der Universität und Direktor des botanischen Gartens. Er veröffentlichte: »Aanteekeningen op de Pharmacopoea Neerlandica« (1854-56); »Annotationes