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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Preisbewegung von 1870-90

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Preisbewegung von 1870-90 (Feststellung).

den nächstbeteiligten Interessentenkreisen), nicht minder aber auch von Forschern, Parlamenten und Regierungen auf sich gelenkt hat. Zur Orientierung über diese Frage ist es erforderlich: 1) die Thatsache festzustellen, wie weit, d. h. in welchem Umfang und für welche Dauer, erheblichere Preisveränderungen auf dem allgemeinen Markt wirklich eingetreten sind; 2) die Ursachen zu zeigen, welche diesen Preisveränderungen zu Grunde liegen; 3) endlich die aus der Gesamtheit dieser Erscheinungen sich ergebenden Schlußfolgerungen zu ziehen, bez. die Mittel anzudeuten, welche in Zukunft eine günstigere Preisgestaltung herbeiführen könnten.

1) Feststellung der Preisveränderungen. Eine Hauptschwierigkeit für genaue Ermittelung des Umfangs der Preisveränderungen besteht darin, daß selbst die sorgfältigsten offiziellen Preisstatistiken ihrem Gegenstand nach ziemlich beschränkt sind. Nur beiläufig sei hier erwähnt, daß dieselben sich vor allem auf Kaufpreise beschränken, hingegen Pacht- und Mietpreise (zu welch letztern im juristischen Sinne auch alle Arbeitslöhne, Gehalte und Honorare, Frachtsätze und Porti gehören) von ihren Ermittelungen regelmäßig ausschließen. Und selbst die Verkaufspreise pflegen sich in der Regel nur auf eine kleinere Anzahl wichtiger Handelsartikel zu beziehen, wobei noch sehr häufig die bloßen Rohstoffe oder Rohprodukte auch die große Zahl der daraus gefertigten Fabrikate, bez. deren Preisbewegung mit repräsentieren sollen, während in Wirklichkeit sich bei der Industrie doch ab und zu ein Auseinandergehen der Preisbewegung bei Rohstoffen und Fabrikaten nachweisen läßt. Unter Vorausschickung dieser Einschränkungen und Ungenauigkeiten kann man indes im allgemeinen über die thatsächliche P. folgendes feststellen. Alle Detail-Untersuchungen stimmen darin überein, daß bei den meisten Artikeln des Weltmarktes die Preistendenz von Anfang bis gegen Mitte der 70er Jahre sehr erheblich steigend war, was großenteils mit der Spekulations- und Gründungsperiode von 1871-73 zusammenhing; daß aber weiterhin, etwa von Mitte der 70er Jahre (zum Teil sogar schon seit Eintritt der Börsenkrisis von 1873) und fortgesetzt bis zum Ausgang der 70er Jahre, sich ein ungemein starker Preisdruck einstellte. Mit Beginn der 80er Jahre trat wiederholt eine vorübergehende Erholung der Preise ein, welche aber gegen Mitte der 80er Jahre und noch darüber hinaus bei zahlreichen Artikeln des Großhandels einem ganz ungewöhnlichen, für viele Produzenten sehr empfindlichen Tiefstand der Preise weichen mußte. Im Verlauf der zweiten Hälfte der 80er Jahre machte sich eine zum Teil erhebliche Besserung der Preise geltend, welche überwiegend bis zum Schluß der 80er Jahre anhielt. Von dieser allgemeinen Preisbewegung der Welthandelsartikel machten nur einige wenige Positionen eine durchgreifende Ausnahme, wovon weiter unten noch die Rede sein wird. Im einzelnen ersichtlich wird die eben geschilderte Preisgestaltung ganz vorzugsweise aus den Londoner und Hamburger Notierungen, welche beide für den Weltmarkt hervorragende Bedeutung haben; erstere sind in der englischen Wochenschrift »The Economist«, letztere in den Aufzeichnungen des handelsstatistischen Büreaus der Stadt Hamburg niedergelegt. Während aber die Londoner Preise nach dem Prinzip der Höchst- und Mindestnotierungen verzeichnet werden, stellen die Hamburger Notierungen Mittelpreise dar und sind als solche zu Vergleichungen besser geeignet. An Genauigkeit der Waren- und Preisbezeichnungen werden die Hamburger Notierungen nur durch die Preisnotizen des kaiserlichen statistischen Amtes zu Berlin übertroffen, welch letzteres die Monats- und Jahresdurchschnittspreise einiger wichtiger Waren im Großhandel regelmäßig in den »Monatsheften zur Statistik des Deutschen Reiches« sowie in dem »Statistischen Jahrbuch für das Deutsche Reich« veröffentlicht. Da aber diese Veröffentlichungen erst mit dem Jahre 1879 beginnen, so sollen im nachfolgenden für den Zeitraum von 1871 bis 1885 nur einige charakteristische Preisnotierungen des Hamburger Statistischen Büreaus angeführt werden, welche zudem den Vorzug haben, daß sie durch Zollverhältnisse unbeeinflußt waren. Danach betrug, um mit landwirtschaftlichen Produkten zu beginnen, der mittlere Hamburger Weizenpreis für 100 kg in den 15 Jahren 1871-85 resp. 23,96, 24,92, 25,94, 23,32, 20,50, 21,24, 24,32, 21,42, 21,36, 21,74, 22,21, 20,43, 18,66, 16,78, 15,33 Mk. Daraus ergibt sich als Durchschnittspreis für den Zeitraum von 1871 bis 1874 Mk. 24,54, ferner als Durchschnitt für die Jahre 1875-81: 21,83 Mk. und als Durchschnitt für die Jahre 1882-85: 17,18 Mk. Sieht man also von der Periode der hohen Preise in den Jahren 1871-74 auch ab, so ist doch selbst gegenüber dem Zeitraum von 1875 bis 1881 (welcher einen ähnlichen Weizenpreis wie das ganze Jahrzehnt 1861-70 aufweist) der Durchschnittspreis für Weizen in den Jahren 1882-85 noch um 4,65 Mk. für 100 kg gefallen. Einen nicht ganz so großen Rückgang weist der Hamburger mittlere Roggenpreis in den gleichen Zeiträumen auf. Dieser stellte sich in den 15 Jahren 1871-85 für 100 kg auf resp. 18,70, 15,82, 18,16, 18,48, 16,64, 17,20, 17,72, 14,32, 14,50, 18,37, 19,76, 16,07, 14,48, 13,97, 12,21 Mk. Danach betrug der Roggendurchschnittspreis für den Zeitraum von 1871 bis 1874: 17, 79 Mk. für 100 kg, wich aber in den Jahren 1875-81 auf 16, 93 Mk. und sank für 1882 bis 1885 auf 14, 18 Mk., d. h. noch 2, 75 Mk. unter den Durchschnittspreis von 1875 bis 1881. Sehr erheblich war auch der Preisfall bei Rübenzucker (Raffinade). Der Hamburger Mittelpreis in den Jahren 1871-85 betrug nämlich für 100 kg resp. 74,40, 75,86, 70,38, 64,98, 62,06, 61,14, 68,98, 61,30, 57,56, 60,33, 59,50, 58,02, 55,85, 46,79, 38,82 Mk. Daraus ergibt sich für die Jahre 1871-74 ein Durchschnitt von 71,38 Mk. für 100 kg Raffinade, für den Zeitraum von 1875 bis 1881 ein Durchschnitt von 61,55 Mk. und für die Jahre 1882-85 nur ein solcher von 49,62 Mk.; es macht also der Preisrückgang für 1882-1885 noch gegenüber den Jahren 1875-81: 11,93 Mk. für 100 kg aus. Unter den Rohstoffen, bez. Rohprodukten für die Textilindustrie seien Baumwolle und Schafwolle, unter den Rohstoffen, bez. Rohprodukten für die Montanindustrie nur Steinkohle und Roheisen als charakteristische Beispiele der Preisbewegung angeführt. Der Hamburger Mittelpreis für Baumwolle betrug in den Jahren 1871-85 für 100 kg resp. 147,56, 167,22, 153,64, 148,10, 131,38, 111,08, 111,50, 111,24, 113,34, 122,40, 110,22, 111,78, 101-102,91, 102,42 Mk. Hiernach war der Durchschnittspreis für 1871-74: 154,13 Mk., für 1875-81: 115,87 Mk. und für 1882-85 nur 104,82 Mk., so daß er in dem letztgenannten Zeitraum sich gegen die Jahre 1875-1881 noch um 11,05 Mk. für 100 kg niedriger stellte. Weit stärker noch war der Preisfall bei Schafwolle. Die mittlere Notierung hierfür in Hamburg betrug in den Jahren 1871-85 für 100 kg resp. 328,02, 387,38, 340,68, 301,22, 313,90, 270,42, 273,76, 302,28, 287,08, 284,75, 288,48, 260,59, 245,47, 200,72, 202,48 Mk. Daraus ergibt sich als Durchschnitt für 1871-1874: 339,33 Mk. für 100 kg, als Durchschnitt für