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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Privatnotenbanken

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Preußen - Privatnotenbanken.

ten v. Caprivi, als er sich dem Landtag vorstellte, daß zwar der alte Kurs beibehalten werden solle, naturgemäß aber die kollegialische Verfassung des Staatsministeriums und damit mehrere bisher zurückgedrängte Bestrebungen fortan mehr zur Geltung kommen würden, erkennen, daß nach dem Rücktritt Bismarcks die Reformthätigkeit in Gang kommen solle. Ein Zeichen dafür, daß es der Staatsregierung damit ernst sei, war der Rücktritt des Finanzministers v. Scholz, der wohl infolge von Kränklichkeit alle Initiative verloren hatte, und die Berufung des bisherigen Oberbürgermeisters von Frankfurt a. M., Miquel, an seine Stelle, welche Ende Juni 1890 erfolgte. Miquel, der, obwohl Führer der Nationalliberalen, sich doch von einseitigem Parteitreiben und von Vorurteilen frei gehalten hatte, genoß das Vertrauen des Kaisers in besonderm Maße, und auch die übrigen Minister begrüßten seinen Eintritt in ihre Mitte mit besten Hoffnungen. Auch noch einige andre Veränderungen fanden im Ministerium statt. An Stelle des Kriegsministers v. Verdy trat im Oktober der General v. Kaltenborn-Stachau; der landwirtschaftliche Minister v. Lucius wurde im November durch v. Heyden ersetzt.

Nun kamen die unter Bismarck vertagten Reformen wieder in Fluß. Durch die rastlose Thätigkeit der Minister wurden die Arbeiten so schnell gefördert, daß schon 12. Nov. der Landtag zusammenberufen werden konnte, um die neuen Gesetzvorlagen zu beraten. Als solche kündigte die Thronrede, mit welcher der Kaiser den Landtag eröffnete, ein neues Einkommensteuergesetz, welches an Stelle der bisherigen Klassensteuer und klassifizierten Einkommensteuer eine einheitliche Steuer mit Deklarationspflicht setzte, eine Erweiterung der Erbschaftssteuer und eine Reform der Gewerbesteuer an. »Das Ziel dieser Gesetzentwürfe«, hieß es, »ist eine gerechtere und gleichmäßigere Veranlagung der direkten Steuern und im Zusammenhang damit eine verhältnismäßige Entlastung der kleinern und mittlern Einkommen und gewerblichen Betriebe... Der nach dem Abschluß der ersten Veranlagung der direkten Steuern auf der neuen Grundlage aufkommende Mehrertrag soll schon jetzt durch eine ausdrückliche Gesetzesvorschrift ausschließlich zu weitern Entlastungen insbesondere der Kommunalverbände mittels Überweisung von Grund- und Gebäudesteuer bestimmt werden.« Ferner wurden ein Volksschulgesetz, welches mit bedeutender Beihilfe des Staates die Unentgeltlichkeit des Volksschulunterrichts durchführen, das Einkommen des Lehrerstandes erhöhen und eine gerechtere Verteilung der Volksschullasten bewirken sollte, und eine neue Landgemeindeordnung für die alten Provinzen als besonders wichtige Reformen bezeichnet. Die Finanzen des Staates befanden sich in guter Ordnung, und die erheblichen Überschüsse der letzten Jahre konnten zur Verringerung der Staatsschulden verwendet werden.

Die Fraktionsverhältnisse im Abgeordnetenhaus schienen der Regierung günstig. Die 120 Konservativen, 66 Freikonservativen und 84 Nationalliberalen bildeten eine genügende Mehrheit. Seit die Zentrumspartei unter der Führung Windthorsts im Reichstag eine freundliche Stellung zur Regierung eingenommen hatte, brauchte man auch im Landtag keine scharfe Opposition von ihr zu befürchten, und die 29 Deutschfreisinnigen kamen schon ihrer geringen Zahl wegen wenig in Betracht. Bei der dreitägigen Debatte über die drei Steuergesetze in erster Lesung im November wurde die Reform Miquels fast vom gesamten Abgeordnetenhaus sympathisch begrüßt und nach gründlicher Beratung in der Kommission und nach eingehender Erörterung bei der zweiten und dritten Lesung im Hause selbst, welch letztere im Februar und März 1891 mehrere Wochen in Anspruch nahm, mit großer Mehrheit angenommen; die Änderungen, welche das Haus beschloß, veränderten den Grundgedanken der Reform nicht. Die Landgemeindeordnung stieß in der Kommission auf Widerstand bei den Konservativen, die sich aber schließlich mit der Regierung einigten. Gegen das Volksschulgesetz, welches das ausschließliche Aufsichtsrecht des Staates über die Volksschule scharf betonte, erhoben sich die Ultramontanen und bemühten sich, durch Anträge und lange Verhandlungen die Arbeiten des Ausschusses so zu verzögern, daß das Gesetz in dieser Tagung nicht zu stande käme. Um die Zentrumspartei für die großen Reformgesetze günstig zu stimmen, entschloß sich die Regierung, einer Anregung der Bischöfe nachgebend, im Januar 1891 dem Landtag ein neues Sperrgeldergesetz vorzulegen, welches die im Frühjahr 1890 energisch zurückgewiesenen Ansprüche der Ultramontanen (s. oben) einfach erfüllte und das ganze angesammelte Geld bedingungslos der römisch-katholischen Kirche auslieferte. Der Ministerpräsident Caprivi und der Kultusminister v. Goßler suchten den peinlichen Eindruck, den diese völlig veränderte Haltung der Regierung gegen die kirchlichen Ansprüche, diese durch kein Staatsinteresse gerechtfertigte weitgehende Nachgiebigkeit hervorrufen mußte, dadurch abzuschwächen, daß sie der evangelischen Kirche die Entschädigung für die Stolgebühren im nächsten Jahre in Aussicht stellten. Das Zentrum zeigte sich mit der neuen Vorlage zufrieden, die Freikonservativen und Nationalliberalen verwarfen sie durchaus. Die Konservativen stellten im März einen Vermittelungsantrag, welcher zwar die Auszahlung des Kapitals an die kirchlichen Behörden zuließ, aber die Verwendung desselben der Kontrolle des Staates unterwarf. Das Staatsministerium ging auf diesen Mittelweg ein. Hierdurch wurde die Stellung des Kultusministers v. Goßler, die schon bei den Beratungen der Schulkonferenz gewankt hatte (s. den Artikel Höhere Lehranstalten, S. 429), erschüttert; dazu kam, daß seine Bemühungen, die Beratung des Volksschulgesetzes zu beschleunigen, scheiterten. So erbat und erhielt er denn 12. März 1891 seine Entlassung und wurde durch den Grafen von Zedlitz und Trützschler ersetzt. Dieser Wechsel hatte die Vertagung des Volksschulgesetzes bis zur nächsten Session zur Folge. Auch der Staatshaushaltsetat für 1891/92 konnte vor dem 1. April 1891 im Landtag nicht zu Ende beraten werden, so daß wiederum die nachträgliche Genehmigung der nach diesem Tage geleisteten Ausgaben in das Gesetz ausgenommen wurde.

Zur neuern Litteratur über die Geschichte Preußens vgl. die Übersicht Historische Litteratur, S. 416.

Privatnotenbanken. Dem Reiche stand das Recht zu, am 1. Jan. 1891 mittels vorausgehender einjähriger Kündigung sämtlichen neben der Reichsbank bestehenden Zettelbanken das Banknotenprivilegium zu entziehen. Von dieser Befugnis wurde kein Gebrauch gemacht; denn die Erfahrungen der Jahre 1875-90 hatten gezeigt, daß die P. selbst das anscheinend in so hohem Grade wertvolle Privilegium für eine Last ansahen. Von 33 Banken hatten bei Beratung der Banknovelle bereits 20 auf das Recht der Notenausgabe verzichtet, weil sie sich überzeugten, daß sie dem Publikum größere Dienste leisten könnten, wenn sie von den für Zettelbanken bestehen-^[folgende Seite]