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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Rechtswissenschaft, vergleichende

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Rechtswissenschaft, vergleichende.

in hoher Dosis gemacht. Eine für größere Strecken versuchten Landes besonders in Frankreich viel angewandte, aber den lokalen Bedingungen nach nur selten mögliche Methode ist das Unterwassersetzen der Weinanlagen, wobei das Wasser wenigstens 30 Tage lang ca. 8 cm hoch über der Erde stehen soll. In frankreich wurden 1889 von 100,000 Hektar 58,000 Hektar mit Schwefelkohlenstoff, 9000 Hektar mit Sulfocarbonaten behandelt und 30,000 Hektar unter Wasser gesetzt. In Frankreich und Ungarn werden zahlreiche Weinpflanzungen in Sandboden angelegt, da sich ergeben hat, daß der Sandboden der R. feindlich ist. In Ländereien, wo die Verseuchung eine solche Ausdehnung angenommen, daß die Weinberge aufgegeben werden mußten, wie vielfach in Portugal, Italien, Frankreich und Ungarn, hat in großem Maßstab die Anpflanzungen amerikanischer Reben stattgefunden, die sich bis jetzt als reblausfest erwiesen haben; am besten widerstehen von diesen der Krankheit die zu den Arten Vitis rotundifolia, V. aestivalis, V. cordifolia, V. riparia, V. cinerea und V. Berlandieri gehörigen Sorten; da aber der Wein dieser Sorten von geringerer Qualität ist, werden sie in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle mit einheimischen Sorten veredelt. In Portugal hält die Bepflanzung mit amerikanischen Reben mit der Verwüstung durch die R. völlig gleichen Schritt; die amerikanischen Reben werden meist gegen geringe Entschädigungen von staatlichen Rebschulen den Weinbauern geliefert. In Frankreich waren 1889 schon 299,801 Hektar in 44 Departements mit amerikanischen Reben bepflanzt, von denen der größte Teil mit französischen Reben veredelt wurde. In Ungarn wurden neben den von den ungarischen Rebschulen gelieferten Reben außerdem noch durch Vermittelung der Regierung von 1881 bis 1888 aus Frankreich 6,296,097 amerikanische Schnittlinge eingeführt. Diese Methode der Reblausbekämpfung wird übrigens erschwert durch die Schwierigkeit, für jeden Boden und jedes Klima eine amerikanische Rebe zu finden, die sich mit wünschenswerter Leichtigkeit akklimatisiert, ohne an Ertragsfähigkeit zu verlieren. Neben den direkt zur Bekämpfung der R. getroffenen Maßregeln haben sich ferner alle Staaten gegen das schädliche Insekt durch Gesetze zu schützen gesucht, welche sich auf die Einfuhr von Pflanzen und Pflanzenteilen aus reblauskranken oder reblausverdächtigen Gegenden beziehen. Als natürliche Feinde der R., die jedoch derselben bisher nur wenig nachweisbaren Schaden zu thun vermochten, werden angeführt eine kleine Thrips, welche die Eier frißt, Coccinella septempunctata, Anthacoris nemorum, die Larve eines Hemerobius, Trombidium sericeum, die Larve eines Syrphus und des Scymnus biverrucatus. Vgl. die amtlichen »Denkschriften, betreffend die Bekämpfung der Reblaus« (Berl.).

Rechtswissenschaft, vergleichende. Wie die Sprachgeschichte und historische Grammatik in der vergleichenden Sprachwissenschaft, so findet die Rechtsgeschichte durch die vergleichende R. ihre notwendige Fortsetzung und Ergänzung. Zwar verhielt sich Savigny ablehnend gegen alles, was über das Gebiet der römischen und deutschen Rechtsquellen hinausging, und die von ihm begründete historische Schule suchte an dieser Selbstbeschränkung festzuhalten; immer mehr aber brach sich die Erkenntnis Bahn, daß die Frage nach der Entstehung der wichtigsten Rechtsinstitute nur durch vergleichende Studien gelöst werden kann. Bachofen führte den Begriff des Mutterrechts in die Wissenschaft ein (1861), indem er nachwies, daß bei zahlreichen Völkern des Altertums das Verwandtschaftssystem auf der Abstammung im Weiberstamm, nicht im Mannesstamm beruhte. So benannten sich die alten Lykier nach der Mutter, nicht nach dem Vater, und hinterließen ihr Vermögen ausschließlich ihren Töchtern. Eine ähnliche Organisation der Verwandtschaft bestand bei den alten Ägyptern, Etruskern und andern Nationen, und selbst bei den Griechen finden sich, besonders in der Homerischen Epoche, Spuren dieses Mutterrechts. Bachofen erklärte daher eine Epoche, wo alle Verwandtschaft nur durch mütterliches Blut vermittelt wird, für eine notwendige Durchgangsstufe bei allen Völkern und sprach dieser Epoche zugleich das Bestehen der Ehe völlig ab. Wenig später als Bachofen und zum Teil unabhängig von ihm gelangten Lubbock, M'Lennan, Girand-Teulon ^[richtig: Giraud-Teulon] und Morgan zu ganz ähnlichen Ergebnissen, jedoch mit Ausschluß der von Bachofen ebenfalls vorausgesetzten Gynäkokratie der Urzeit. Während Lubbock (1870) den Hetärismus, d. h. Weibergemeinschaft innerhalb des Stammes, als den allgemeinen Urzustand ansah, teilte M'Lennan (zuletzt 1876), auf ein umfassendes, namentlich aus Reiseberichten gesammeltes Material gestützt, die Völker in endogame, d. h. innerhalb des Stammes, und exogame, d. h. außerhalb des Stammes heiratende, ein. Die Exogamie hat sich allerdings aus der Endogamie entwickelt, infolge der Sitte, weibliche Kinder auszusetzen, welche zum Brautraub führte. Giraud-Teulon (1874) gab eine sorgfältige Schilderung der zahlreichen Zwischenformen, welche von der regellosen Geschlechtsverbindung bis zur patriarchalischen Ehe führen. Schon früher hatte Morgan (1871) ein reiches sprachliches Material über die Verwandtschaftsnamen, besonders in Indianersprachen, gesammelt, welche deutliche Überreste der Gruppenehe und Polyandrie enthalten. Viele interessante Notizen brachten auch die Werke von Post (s. unten). An diese Vorarbeiten knüpfen die Untersuchungen der deutschen Juristen Kohler und Bernhöft an in der von ihnen begründeten »Zeitschrift für vergleichende R.« (Stuttg. 1878 ff., bis jetzt 9 Bde.). So veröffentlichte Kohler im 5. Bande (1884) eine Abhandlung über Frauengemeinschaft, Frauenraub und Frauenkauf bei den Wotjaken, Lappen, Samojeden, Wogulen, Mongolen, Leptschas, Alëuten, Hova, Papua, verschiedenen Negerstämmen etc. und den indogermanischen Völkern und behandelte diese Fragen auch in speziellen Abhandlungen über das indische, birmanische, chinesische und andre minder bekannte Rechte. Bernhöft erörterte im 8. und 9. Bande seiner Zeitschrift (1889-90) die »Geschichte des europäischen Familienrechts« und die »Altindische Familienorganisation«, in der Festschrift zum Windscheid-Jubiläum (1888) die »Verwandtschaftsnamen und Eheformen der nordamerikanischen Volksstämme« und zog schon früher in der Schrift über »Staat und Recht der römischen Königszeit« (Stuttg. 1882) die Konsequenzen der neuen Lehre für das römische Recht, indem er die entscheidende Geltung der mütterlichen Abstammung bei den römischen Sklaven, bei Konkubinaten und bei den Ehen der Plebejer in der ältern Zeit als Überreste des Mutterrechts bei der italischen Urbevölkerung erklärte, während der Name der Patrizier nach Bernhöft mit »Vatersöhne« zu übersetzen ist. In einer Monographie über »Mutterrecht und Raubehe« (Bresl. 1883) gab der Jurist Dargun eingehende Nachweise über die Verbreitung dieser beiden Institute, erörterte insbesondere ihr Vorkommen bei den Germanen und teilte den Brautraub, der eine fast universelle Einrichtung ist,