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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Reichsbank, deutsche

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Reichsbank, deutsche (Geldregulierung).

den der Reichsbank um das Dreifache übersteigt, daß sie behufs Aufrechterhaltung der Währung über den doppelten Gold- und den sechsfachen Silbervorrat verfügt, so erscheint eine erhebliche Vergrößerung unsers Barschatzes notwendig, zumal im Hinblick auf die großen überseeischen Goldanleihen.

Dem gegenüber wurde jedoch von bestunterrichteter Seite (Dechend) betont, es seien seit Bestehen der Reichsbank 1045 Mill. Mk. Gold angekauft worden. Die Höhe des Metallschatzes hänge nicht von der Intelligenz des jeweiligen Leiters der Reichsbank ab; Besorgnisse für die Zukunft aus diesem Gesichtspunkt erschienen durchaus nicht gerechtfertigt. Maßgebend für die Goldzufuhr sei der Stand der Wechselkurse; bei günstiger Stellung derselben fließe Gold herein, da nach dem Reichsbankgesetz (§ 14) das Pfund fein Gold mit 1392 Mk. bezahlt werde. Die Mitglieder des Zentralausschusses stünden trotz ihrer Eigenschaft als Anteilseigner den Goldkäufen der Reichsbank nicht deshalb gleichgültig gegenüber, weil aus denselben ein pekuniärer Vorteil nicht erwachse. Denn dieselben seien zum großen Teil auch Chefs bedeutender Handlungshäuser und wußten recht gut, wie es für das Wohl des Landes, für alle inländischen und ausländischen Transaktionen darauf ankomme, daß es an dem nötigen Golde nicht fehle. Überhaupt verdankt die Reichsbank dem deutschen Handelsstande die enorme Zunahme von Gold und die rasche Durchführung der Goldwährung.

Für den Kriegsfall sowohl als für gewöhnliche Zeiten steht die Reichsbank da wie keine andre Bank Europas. Sie hat keinen Pfennig festgelegt, was man vergeblich in einem andern Lande suchen wird. Beim Ausbruch eines Krieges kann sie dem Reiche mit ihrer vollen Kraft beistehen. Gerade von der französischen Bank unterscheidet sich unsre Reichsbank sehr vorteilhaft dadurch, daß jene bereits ihr ganzes Kapital weggegeben hat, während es der Reichsbank noch in vollem Umfang zur Verfügung steht. Im übrigen ist die Bankverfassung in bezug auf die Notenausgabe die gleiche wie in Frankreich, sofern man sich über die allerdings nicht gerechtfertigte fünfprozentige Notensteuer hinwegsetzt, welche im Falle der Überschreitung einer ungedeckten Notenzirkulation von 286,585,000 Mk. (jetzt 292,117,000 Mk.) zur Anwendung kommt. Die Vermehrung des Stammkapitals erscheint unter den gegenwärtigen Verhältnissen als eine Vergeudung, da man im Einklang mit den bisher beobachteten Grundsätzen sich zu einer Veranlagung des zu viel vorhandenen Bargeldes in Staatspapieren nicht entschließen wird. Gegen den Mangel an Gold erweist sich überhaupt die Erhöhung des Bankkapitals nicht als das geeignete Kampfesmittel, sondern ausschließlich die Erhöhung des Diskontosatzes, eine Maßregel, die das Gold allemal dem Lande und der Bank zuführt.

Mit großem Nachdruck wurde ferner dargethan, daß die Erhebung der allerdings vortrefflich verwalteten französischen Bank über die Reichsbank auf einer Unkenntnis der wahren Verhältnisse beruhe. Zur Begründung dieses Urteils nahm man auf den damals neuesten Ausweis der französischen Bank vom 28. Nov. 1889 Bezug. Hiernach bezifferte sich allerdings der Vorrat an Gold auf 1030 Mill. Mk., an Silber auf 997 Mill. Mk. Allein es wurde bestritten, daß die französische Bank einen so hohen Metallschatz als eine Notwendigkeit betrachte. Denn die Steigerung sei neuesten Datums. Bisher habe sich der Goldvorrat nicht auf mehr als 1000 Mill. Mk. beziffert, bei Ausbruch des Krieges von 1870 der Vorrat an Gold und Silber nur auf 1038 Mill. Mk., eine Summe, die zu manchen Zeiten übrigens nicht entfernt erreicht wurde. So ging 1861 der Bestand bis unter 200 Mill. Mk. zurück, und man suchte damals aus dem Ausland, namentlich auch aus Deutschland, unter großen Anstrengungen Metallvorräte heranzuziehen.

Gewöhnlich hat die Bank an Gold nicht mehr als 800 Mill. Mk. gehabt. Nun geht es zwar nach den Intentionen, welche der Bankpräsident mit den Bundesregierungen teilt, nicht an, die Sonderung des Barbestandes der Reichsbank in Gold und Silber zu veröffentlichen. Allein er konnte versichern, daß wir schon wiederholt von jener Summe nicht weit entfernt gewesen sind. Die momentane (1889) Erhöhung des französischen Goldvorrats hängt mit besondern Umständen zusammen, namentlich mit der Industrieausstellung, der Rückgang hat bereits begonnen. Die französische Bank um ihren sechsfach größern Silberstand zu beneiden, liegt gewiß kein Grund vor, zumal die Bank selbst das als einen Nachteil ansieht. Denn über ihre Silberbestände kann sie bei dem niedrigen Silberpreise nicht verfügen. Im Hinblick auf die bestimmt zu erwartende Beseitigung der österreichischen Silberthaler wird hingegen bei uns der Vorrat an Silber alsbald nur dem nachweisbaren Bedürfnis das Gleichgewicht halten. Erwägt man weiter, daß bei uns kein unterwertiges Gold zirkuliert, während in Frankreich, wie allgemein anerkannt, der größte Teil des Goldes sehr abgeschliffen ist, daß bei uns jeder Gold bekommt, der es verlangt, gleichgültig, ob er es zur Ausfuhr oder zu andern Zwecken verwendet, während es die französische Bank sehr ungern hergibt, dem Vernehmen nach sogar nie zum Versand nach Deutschland, dann muß man den Vorwurf zurücknehmen, daß die Reichsbank hinter der Bank von Frankreich zurückstehe. Von einer andern wohlunterrichteten Seite (Bamberger) wurde sogar der Nachweis versucht, daß die Reichsbank der französischen Bank weit überlegen sei. Zum Vergleiche wurden die Zahlen des Jahres 1887 herangezogen, weil im J. 1888 der Barvorrat der Reichsbank einen so enormen Aufschwung genommen, daß man dabei möglicherweise mit einer Ausnahme zu rechnen habe. Im J. 1887 hatte die französische Bank einen Goldvorrat von 1100 Mill. Fr., in Deutschland war der Barvorrat durchschnittlich 770 Mill. Mk., von denen eine viel zu hoch gegriffene Summe, nämlich 250 Mill. Mk., als Silberschatz in Abrechnung gebracht wurde. Zu den verbleibenden 520 Mill. muß nun aber der Goldvorrat der Privatnotenbanken (deren es in Frankreich keine gibt) mit 80 Mill., endlich der Kriegsschatz im Juliusturm mit 120 Mill. hinzugezogen werden. Es stehen demnach den 1100 Mill. Fr. in Frankreich 900 Mill. Fr. in Deutschland gegenüber. Dieses Ergebnis spricht entschieden zu unsern gunsten. Denn Frankreich zeichnet sich vor allen Ländern der Welt durch ein Bedürfnis nach Barumlauf und einen dem entsprechenden Vorrat aus. Der Barumlauf in Frankreich wird auf 3 Milliarden Fr. veranschlagt, der unsrige geht nicht über zwei. Demnach liegt in Deutschland mehr als ein Drittel, in Frankreich nur ein Drittel bar in der Bank. Ferner aber muß der größern Gangbarkeit der französischen Banknoten Rechnung getragen werden, welche gesetzliches Zahlungsmittel sind, während in Deutschland niemand zur Annahme von Reichsbanknoten verpflichtet ist. Dadurch werden große Geschäftshäuser zur Bereithaltung von Barmitteln genötigt, die sonst der Bank gegen ihre Noten