Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Steuern

889

Steuern (der Schweiz: gegenwärtige Verhältnisse).

stadt und Baselland ein. In Baselstadt ist im Gegensatz zur übrigen Schweiz die Einkommensteuer Hauptsteuer, und ihr schließt sich bloß ergänzend eine Vermögenssteuer als Zuschlagssteuer für fundiertes Einkommen an. Die basellandschaftliche Steuer unterscheidet sich in ihrem Typus nicht wesentlich von der baselstädtischen; nur unterstellt sie die Geldkapitalzinsen der Vermögenssteuer allein, nicht auch der Einkommensteuer. Während hier, wie erwähnt, die Vermögenssteuer nur eventuelle Zuschlagssteuer ist, unterwirft eine zweite Gruppe von Kantonen (und dieser Gruppe gehört die Mehrzahl an) die Einkommen, je nachdem sie fundiert oder unfundiert sind, der Vermögens- oder Einkommensteuer, aber immer nur einer. Um bei gemischtem Einkommen das bereits in der Vermögenssteuer versteuerte von dem der Einkommensteuer zu unterwerfenden Einkommen zu scheiden, werden für die Berechnung des letztern meist Prozente vom Vermögen als voraussichtlich auf Rechnung des Vermögens fallender Einkommenteil in Abzug gebracht. St. Gallen, Thurgau, Graubünden, Bern (Solothurn) berechnen für diesen Zweck das Einkommen aus Vermögen rundweg mit 4 Proz., Zürich mit höchstens 5 Proz.; die Ansätze andrer Kantone liegen dazwischen. Noch gehören außer den hier genannten Kantonen der Gruppe an: Uri, Aargau, Zug, Schaffhausen, Tessin, Neuenburg, Waadt, Ob- und Nidwalden, Luzern, Genf. In der dritten Gruppe treffen verschiedene Systeme zusammen: solche, die, wie Genf, die verschiedenen Erwerbsgattungen mit verschiedenen Spezialsteuern bedenken, dann jene, wo nur eine Handels- und Gewerbesteuer neben der Vermögenssteuer besteht, wie in Wallis und Freiburg. Auch Appenzell-Außerroden, welches durch eine bloße Zusatzbestimmung zum Vermögenssteuergesetz sich unter dem Titel des letztern auch der unfundierten Einkommen steuerlich bemächtigt, kann hierher gestellt werden. Nahezu bloße Vermögenssteuer, neben dieser nämlich nur eine Personalsteuer, und auch diese unter Umständen nicht obligatorisch, haben als Angehörige einer fünften Gruppe Schwyz, Glarus, Nidwalden. Auch Appenzell-Innerroden mit bloßer Vermögenssteuer und selbst diese in nur unvollkommner Ausbildung gehört hierher. Außerhalb dieser Gruppen steht Tessin, welches neben einer allgemeinen Einkommen- und Vermögenssteuer noch eine besondere Handels- u. Gewerbesteuer erhebt.

Neben der Vermögenssteuer ist auch die Kopf- oder Viril- oder Aktivbürgersteuer eine der Schweiz eigentümliche Einrichtung. Sie ist im Interesse der steuerlich wenig leistungsfähigen, aber zu den politischen Rechten zugelassenen Personen gedacht, welche auf diese Weise Steuerträger werden und dem Vorwurf entgehen, mitzuraten ohne mitzuthaten. Die Steuer ist meist keine zeitlich fixe, aber für jeden Steuerträger gleich hoch.

Was nun die Ausgestaltung der Vermögens- und Einkommensteuer im Detail betrifft, so findet sich das unfundierte Einkommen meist ganz ungebührlich begünstigt. Im Kanton Zürich z. B. ist das Verhältnis der Besteuerung beider Einkommenarten bei Annahme einer Verzinsung des Vermögens mit 4 Proz. das folgende (unter Annahme eines Steuersatzes von 1 pro Mille) von einem Einkommen von:

1000 2000 5000 10000 20000 80000 Fr.

fundiert 13 28 83 188 423 1923 -

unfundiert 2 6 36 110 308 1508 -

Unfundierte Einkommen unter 5000 Fr. haben in den meisten Kantonen weniger als die Hälfte des für gleich hohes fundiertes Einkommen entfallenden Betrags zu leisten. In den höhern Steuerstufen nähern sich die Steuerbeträge einigermaßen, und in den zwei Kantonen Graubünden und Tessin wird in den höchsten Steuerstufen das unfundierte Einkommen sogar höher getroffen.

Der Gedanke der nicht nur absolut, sondern auch relativ steigenden Leistungsfähigkeit mit wachsendem Einkommen und darauf gegründet die Steuerprogression hat sich in einer großen Zahl Schweizer Kantone entschieden Bahn gebrochen. Proportional auf Vermögen sowohl als Einkommen sind die S. gegenwärtig noch in Bern, Luzern, Baselland, beiden Appenzell, Schwyz und Nidwalden sowie in Wallis; proportional für das Vermögen, progressiv für das Einkommen in St. Gallen, Thurgau, Obwalden und Tessin; progressiv für fundiertes wie für unfundiertes Einkommen in Zürich, Baselstadt, Aargau, Schaffhausen, Glarus, Uri, Zug, Graubünden, Waadt. Das unfundierte Einkommen, dessen Besteuerung ja überhaupt aus neuerer Zeit datiert, wurde meist von Anfang progressiven S. unterstellt, während die Idee der Steuerprogression für Vermögen einen zähen Widerstand zu besiegen hatte. Zürich machte 1870 den ersten Schritt, ihm folgten 1871 Graubünden, 1873 Glarus, 1876 Zug, 1879 Schaffhausen, 1885 Aargau, 1886 Uri und Waadt, 1887 Baselstadt. In den einzelnen Kantonen ist die Progression jedoch sehr verschieden durchgeführt.

Im Anschluß an die Steuerprogression ist die dem Existenzminimum gewährte Steuerfreiheit zu erwähnen. Die Grenzen dieser Steuerfreiheit sind in den verschiedenen Kantonen wieder sehr verschieden gezogen, auch ist oft die für unfundiertes Einkommen gewährte Steuerfreiheit nicht in gleichem Umfang für Einkommen aus Vermögen gewährt. Beispielsweise ist steuerfrei:

das unfundierte Einkommen das Vermögen

in Schwyz ganz bis 1000 Fr.

in Glarus ganz bis 3000 Fr.

in Obwalden bis 500 bis 600 Fr.

in Luzern 500 bis 1000 Fr.

in Bern 600 Grundeigentum bis 100 Fr.

in Appenzell-Außerroden 800 bis 400 Fr.

in St. Gallen 800 bis 210 Fr.

in Graubünden 200 bis 1000 Fr.

in Baselstadt bis 1200, 1500, 1800 bis 5000 Fr.

Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse wird bei Festsetzung des steuerfreien Einkommenteils in Neuenburg und Waadt genommen. Neuenburg läßt von jedem unfundierten Einkommen 600 Fr. für den Haushalt und 200 Fr. für jedes Kind unter 18 Jahren frei. In Waadt dürfen beim Arbeitseinkommen 400 Fr. ebensowohl für den Mann als eventuell für die Frau und jedes minderjährige, vom Steuerpflichtigen rechtlich zu unterhaltende Kind abgezogen werden. Sehr allgemein sind dann für Witwen und Waisen, in neuerer Zeit auch für alte und gebrechliche Personen und alleinstehende Frauen Steuerbefreiungen festgesetzt. In Baselstadt ist das Vermögen von Witwen mit minderjährigen Kindern bis 20,000 Fr., das jeder minderjährigen Waise bis 6000 Fr. steuerfrei. Von der Einkommensteuer ist für Witwen mit unerwachsenen Kindern ein Einkommenbetrag bis 1800 Fr. steuerfrei. Zürich und Graubünden lassen bis zu 3000 Fr. Vermögen von Waisen und andern arbeitsunfähigen Personen steuerfrei. Geringere Beträge sind in Schwyz, Luzern, Obwalden, Baselland, Appenzell-Außerroden von der Steuer freigelassen. Auch St. Gallen, Glarus, Thurgau kennen Steuerbefreiungen dieser Art. Mehrfach ist die Einkommensteuerfreiheit auf gewisse Berufskategorien