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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Farina; Faßtonnen; Fäulnisgerüche; Fayence

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Farina - Fayence

sehbaren Reihen. Unter Zugrundelegung der entwickelten Anschauungen unterscheidet man heute die folgenden Farbstofffamilien:

1) Nitrofarbstoffe. Die chromophore Gruppe ist der einwertige, ein oder mehrere Male in das Molekül eintretende Komplex -NO2 (Nitrogruppe).

2) Azofarbstoffe. Chromophore Gruppe, der zweiwertige, zwei Kohlenwasserstoffreste verbindende Komplex -N=N- (Azogruppe); die zahlreichste Familie.

3) Hydrazonfarbstoffe. Chromophore Gruppe =C=N-NH-. Schließen sich den vorhergehenden sehr nahe an und gehören vielleicht zu denselben.

4) Azoxyfarbstoffe. Chromophore Gruppe ^[chem. Formel] (Azoxygruppe).

5) Nitroso- oder Chinonoximfarbstoffe mit den tautomeren einwertigen NO, OH, oder zweiwertigen O, NOH, Gruppenpaaren.

6) Ketonfarbstoffe. Chromophore Gruppe CO (Ketongruppe), welche zweiwertig ein oder mehrere Male in das Molekül eintritt.

7) Ketimidfarbstoffe. Chromophore Gruppe C=NH, zweiwertig.

8) Diphenylmethanfarbstoffe. Chromophore Gruppe ^[chem. Formel], die mit zwei aromatischen Radikalen verbunden ist.

9) Triphenylmethanfarbstoffe, enthalten als chromophore Gruppe eine der drei mit aromatischen Kohlenwasserstoffresten verbundenen Gruppen ^[chem. Formel]. Die Farbstoffe, welche die dritte Gruppe enthalten, die Phtaleine, behandelt man auch als besondere Familie für sich.

10) Indophenole. Chromophore Gruppe ^[chem. Formel], zweiwertig.

11) Oxazine. Chromophore Gruppe, ein mit zwei unter sich wieder durch ein Sauerstoffatom verketteten aromatischen Resten verbundenes Stickstoffatom.

12) Thiazine, entsprechen den Oxazinen, enthalten aber an Stelle des verbindenden Sauerstoffatoms ein Schwefelatom.

13) Induline, entsprechen den Oxazinen, enthalten aber statt des verbindenden Sauerstoff- ein Stickstoffatom, welches an ein weiteres aromatisches Radikal gebunden ist.

14) Azine. Chromophore Gruppe ^[chem. Formel], vierwertig, verbindet zwei zweiwertige aromatische Radikale.

15) Safranine. Chromophore Gruppe ^[chem. Formel] (Azoniumgruppe), sechswertig, mit drei aromatischen Radikalen, zwei zweiwertigen und einem einwertigen verbunden.

16) Acridinfarbstoffe. Chromophore Gruppe ^[chem. Formel], vierwertig, mit zwei zweiwertigen aromatischen Radikalen verbunden.

17) Indigofarbstoffe. Chromophore Gruppe ^[chem. Formel], vierwertig.

13) Chinolinfarbstoffe, keine natürliche Familie, verschiedenartige, zum Teil ihrer Konstitution nach ungenügend erforschte F., die sich von den Basen der Chinolinreihe ableiten.

Diese Einteilung der F. ist insofern berechtigt, als die chromophore Gruppe das die Natur des Farbstoffes bestimmende Prinzip im Molekül der F. ist und mithin alle F. mit gleicher chromophorer Gruppe auch gewisse übereinstimmende chemische Merkmale besitzen. Die weitere Teilung der Gruppen erfolgt auf Grund der im Chromogen enthaltenen Kohlenwasserstoffreste. Leider entziehen sich gerade die am längsten bekannten, von Pflanzen und Tieren fertig dargebotenen F. der Einreihung in das System, da ihre Konstitution bis auf wenige Ausnahmen noch nicht erforscht ist. Wo es aber gelang, die chemische

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Natur der sogen, natürlichen F. zu ermitteln, zeigte sich regelmäßig, daß dieselben den gleichen Gesetzen folgen wie die natürlichen. Deshalb ist es auch unberechtigt, wenn noch immer behauptet wird, daß die natürlichen F. gewisse unterscheidende Eigenschaften besäßen, welche den künstlichen abgehen. Soweit abweichende Eigenschaften in der That vorliegen, sind dieselben lediglich darauf zurückzuführen, daß die meisten natürlichen F. Chromogene zur Grundlage haben, welche unter den künstlichen nicht vertreten sind, und umgekehrt. Auch die Behauptung, daß die natürlichen F. echter sind als die künstlichen, ist falsch; es gibt sehr unechte F. unter erstern und sehr echte unter den Erzeugnissen der Farbenindustrie. Thöricht ist die Behauptung, daß die mit natürlichen Farbstoffen erhaltenen Färbungen dem Auge angenehmer, »künstlerischer« seien. Die Farben der künstlichen F. sind vielfach grell und leuchtend, weil sich gerade die glänzendsten F. unter den künstlichen befinden, und weil sie dem Färber in großer Reinheit geliefert werden. Die natürlichen F. sind dagegen in dem Zustand, in welchem die Natur sie uns darbietet, meist sehr unrein, die Verunreinigungen färben mit und stimmen den Glanz der Farbe herab. Nicht zu leugnen ist, daß die künstlichen F. oft in sehr unkünstlerischer Weise verwendet worden sind. Stellt man die reinen, leuchtenden, künstlichen F. unvermittelt nebeneinander, so gibt das oft schreiende Kontraste, während man leichter eine harmonische Färbung mit den natürlichen Farbstoffen erhält, und zwar gerade wegen deren Unreinheit. In neuester Zeit hat man aber mehr und mehr gelernt, die glänzenden künstlichen F. richtig zu benutzen, auch sind so viele gebrochene Farben von der Industrie geliefert worden, daß wohl allen künstlerischen Anforderungen Genüge geleistet werden kann. Vgl. Witt, Chemische Technologie der Gespinstfasern (Braunschw. 1891).

Farina, Johann Maria, Fabrikant des Kölnischen Wassers, starb 27. Febr. 1892 in Köln.

Faßtonnen, s. Seezeichen.

Fäulnisgerüche, s. Pilze.

Fayence von St.-Porchaire. Die zierlichsten Erzeugnisse der französischen Keramik des 16. Jahrh., bekannt unter dem Namen der Fayencen von Oiron oder auch als Henri-deux-Ware, haben in letzter Zeit eine neue Bezeichnung erhalten. E. Bonnasse hat die Frage nach ihrer Herkunft von neuem aufgenommen und ist zu dem Resultat gelangt, daß die Stadt St.-Porchaire in Poitou die Heimat dieser Meisterwerke der Kleinkunst ist. Als man vor 50 Jahren etwa begann, sie zu sammeln, herrschte über ihre Herkunft vollständiges Dunkel; nur das Eine stand fest, daß es französische Arbeiten waren. Die Formen der Kannen, Leuchter und Salzfässer, namentlich aber die auf fast allen Stücken angebrachten Wappen und Symbole ließen darüber keinen Zweifel. Die letztern ermöglichten es auch, die Heimat näher auf die Provinzen Poitou und Vendee zu begrenzen und als Entstehungszeit die erste Hälfte des 16. Jahrh., speziell die Regierung der Könige Franz' I. und Heinrichs II. zu fixieren. Das häufige Vorkommen der Wappen Heinrichs II. und der Monogramme des Königs und seiner Geliebten Diana von Poitiers war auch der Grund zu der jetzt gebräuchlichen Benennung Henri II-Ware. Die Wertschätzung dieser Kunstwerke stieg schnell; französische und englische Sammler und Museen machten sich den Besitz der seltenen, auf den Kunstmarkt kommenden Stücke streitig. Einige Prachtexemplare haben daher unge-