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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Farbstoffe

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Färberei - Farbstoffe

geteilten Beobachtung, nach welcher mit Schwefelsäure behandeltes Öl der alten Weißbeize sehr ähnlich wirkt. Derartiges Fabrikat ist jetzt unter dem Namen Türkischrotöl in verschiedenen Sorten im Handel und wird in Baumwollfärberei und Zeugdruck in größter Menge verwendet. Ausschließliche Verwendung von Ölbeize ohne gleichzeitige Anwendung andrer Beizen ist indes nicht mehr möglich. Man wendet das Öl nur als Vorbeize zur Erhöhung des Glanzes und der Schönheit der Farben an und hat die eigentliche Fixierung der Farbstoffe durch Ölbeize verlassen, weil diese Färbungen liefert, die überaus lichtempfindlich und vergänglich sind. Zur Darstellung der Ölbeizen benutzt man gegenwärtig Olivenöl, Baumwollsamenöl, Erdnußöl, Ölsäure und Rizinusöl. Aus den vier ersten Ölen gewonnene Produkte dienen als Vorbeizen für Türkischrotfärberei und zum Imprägnieren von Geweben für den Zeugdruck, dagegen wird die aus Rizinusöl erzeugte Beize zwar auch zum Vorbeizen von Geweben für den Zeugdruck, hauptsächlich aber als Zusatz zu fertig gemischten Druckfarben angewandt; sie scheint die andern Ölbeizen mehr und mehr zu verdrängen. Man erhält die Beizen, indem man 2 Teile Öl mit 1 Teil konzentrierter Schwefelsäure vorsichtig und unter Vermeidung stärkerer Erwärmung mischt, nach 12 Stunden mit Wasser verdünnt, Natronlauge zusetzt, gut umrührt, die wässerige Flüssigkeit nach dem Absetzen entfernt und das Öl mit Natronlauge oder Ammoniak neutralisiert. Die so erhaltene Beize gibt mit Wasser eine etwas trübe, aber homogene Flüssigkeit, die man auf dem Gewebe einfach trocknen läßt.

Zur Herstellung der Rizinusölbeize braucht man weniger Schwefelsäure, und es genügt wiederholtes Auswaschen mit gesättigter Kochsalzlösung. Die Beize wird ohne weiteres oder nach dem Neutralisieren mit Natronlauge oder Ammoniak benutzt.

Man hat in den Ölbeizen die Gegenwart gepaarter Ölschwefelsäuren oder von Sulfosäuren der Ölsäuren angenommen. Nach den Untersuchungen von Liechti und Saida sind aber die Ölbeizen ziemlich komplexe Gemische und enthalten Glycerinschwefelsäureester von Oxyfettsäuren. Dieser Anteil der Ölbeize ist in Wasser löslich, während in dem unlöslichen Teil unveränderte Ölsäure, Oxystearinsäure, auch wohl Oxyölsäure vorhanden ist. Beim Kochen der Ölbeize mit Alkalien zerfallen die Ester unter Bildung von Oxystearinsäure und Oxyölsäure. Diese Säuren sollen sich auch beim Verhängen mit Ölbeize gebeizter Stoffe abscheiden und mit der Faser verbinden, und Fischli hat gezeigt, daß sie in der That die wirksamen Bestandteile der Ölbeize sind. Nach Fischli liefert gewöhnliche, durch alkalische Verseifung von Rizinusöl hergestellte Rizinolsäure genau ebenso gute Resultate wie das aus Rizinusöl hergestellte Sulfoleat. Bei der Herstellung des letztern findet also einfach eine Verseifung des Rizinusöls statt, u. die Rizinolsäure ist höchst wahrscheinlich eine Oxyfettsäure. Die gewöhnlichen Fettsäuren sind als solche nicht wirksam, sie werden es erst durch Behandlung mit Schwefelsäure unter Bildung von Oxystearinsäure und Oxyölsäure. Fischli hat auf Grund seiner Untersuchungen empfohlen, die Benutzung der Schwefelsäure fallen zu lassen und eine aus Rizinusöl bereitete Natronseife einzuführen. Werden Gewebe mit solcher Seifenlösung getränkt und der Luft ausgesetzt, so wird die Seife durch die Kohlensäure der Luft zersetzt und die freiwerdende Nizinolsäure von der Baumwollfaser waschecht gebunden. Bei nachfolgender Behandlung mit Thonerdesalzen entsteht auf der Faser

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basisches Thonerdenzinoleat, Al2(C18H33O3)2(OH)4, welches die eigentliche Grundlage des Türkischrot bildet. Das letztere entsteht, indem ein Teil der in dem Thonerdesalz noch vorhandenen Hydroxylgruppen (OH) durch Alizarin ersetzt wird. Basische Anilinfarbstoffe werden von der Ölbeize als Nizinoleate in der Faser niedergeschlagen. Da diese wie alle Seifen amorph sind, so überziehen sie in zusammenhängender Schicht die Faser und erscheinen glänzender als die in kristallinisch-körniger Form ausgeschiedenen sonstigen Verbindungen der gleichen Farbstoffe.

Farbstoffe. Eine Einteilung der F. nach ihrer Nuance erweist sich bei näherer Betrachtung als unfruchtbar, da die verschiedenartigsten F. in eine Gruppe zusammengestellt werden müssen und bei Färbstoffen von gemischter Nuance die Zugehörigkeit zu einer oder der andern Gruppe oft zweifelhaft bleibt. Viel rationeller ist die Einteilung nach der chemischen Beschaffenheit, doch hat diese damit zu rechnen, daß noch nicht von allen Farbstoffen die chemische Konstitution erkannt ist. Die erste Gruppierung der F. nach chemischen Merkmalen hat Witt angegeben, indem er sich auf folgende Gesetzmäßigkeiten stützte: 1) Alle organischen F., welche zum allergrößten Teil der Reihe der aromatischen Verbindungen angehören, lassen sich auf die farblosen Kohlenwasserstoffe zurückführen. 2) Damit ein aromatischer Kohlenwasserstoff in einen Farbstoff übergehe, ist es notwendig, daß in demselben mindestens zwei Wasserstoffatome durch zwei verschiedene Seitenketten ersetzt werden. 3) Von diesen neu eintretenden Seitenketten ist die eine das zur Farbstoffbildung befähigende Prinzip: chromophore Gruppe. Sie kann ein- oder mehrwertig sein, d. h. sie kann ein oder mehrere Wasserstoffatome am Kohlenstoffkern vertreten. Welchen Atomgruppierungen chromophore Eigenschaften zukommen, darüber entscheidet die Erfahrung. Bis jetzt kennt man etwa 17 chromophore Gruppen, denen sich von Zeit zu Zeit neue hinzugesellen. 4) Wenn in einen Kohlenwasserstoff eine chromophore Gruppe eintritt, so kann der entstehende Körper mehr oder minder gefärbt sein. In den meisten Fällen ist er es nicht. Er verhält sich aber nie wie ein Farbstoff, denn er ist unfähig, aus seinen Lösungen sich auf ungeheizte oder gebeizte Fasern zu übertragen. Man bezeichnet ihn als Chromogen, weil er zwar kein Farbstoff ist, aber sehr leicht in einen solchen übergehen kann. 5) Die Bildung des Farbstoffs erfolgt erst durch den Eintritt einer zweiten Gruppe, welche an sich unfähig ist, einen Kohlenwasserstoff zum Farbstoff umzugestalten. Weil sie somit, ohne selbst farbgebend zu sein, dem Chromogen behilflich ist, seine Farbstoffnatur zu entwickeln, so bezeichnet man sie als auxochrome Gruppe. Allen auxochromen Gruppen ist die Fähigkeit eigen, den Kohlenwasserstoff in eine Base oder eine Säure umzugestalten. Doch ist der Grad ihrer farbenentwickelnden Wirkung auf das Chromogen keineswegs proportional der Energie dieser salzbildenden Kraft. Nach ihrer auxochromen Natur lassen sich die bisher bekannten, zur Salzbildung befähigenden Seitenketten von Kohlenwasserstoffen etwa in folgende Reihe einordnen, wobei die stärker wirkenden vorangehen: NH2 (Amid, mit seinen Abkömmlingen, wie NHCH3, N(CH3)2 2c. - OH (Hydroxyl) - NH3OH (Ammonium) - SO?H (Sulfoxyl) - COOH (Carboxyl). Den drei letzten Gruppen kommt die auxochrome Natur in viel geringerm Maße zu als den beiden ersten. Aus diesen Verhältnissen ergibt sich, wie ungeheuer groß die Zahl der möglichen F. ist; jede Berechnung führt zu unab-