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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Historische Litteratur 1890/91 (Altertum, Mittelalter)
beschäftigt sich ein Werk des ausgezeichneten englischen Philologen I. P. Mahaffy, »TTTTT« (Lond. 1891), und mitten in den merkwürdigen Bereich des asiatischen Hellenismus führt uns die zweibändige Biographie Mithridates' d. Gr. von Th. Reinach, »TTTTT« (Par. 1890), ein fleißig gearbeitetes und gut geschriebenes Werk, in welchem der Held beinahe mit Alexander d. Gr. verglichen wird; der Verfasser bezeichnet es als den leitenden Gedanken der Politik des großen Königs von Pontos, daß er die Absicht gehabt habe, die gesamte hellenistische Welt: Griechenland, Makedonien, Kleinasien, die Pontusländer, später auch Syrien und Palästina zu einem gewaltigen Reiche zusammenzufassen. Wir erwähnen endlich noch die Geschichte des wichtigsten griechischen Koloniallandes Sizilien, die der inzwischen verstorbene englische Historiker E.A.Freeman zu schreiben begonnen hat; die beiden ersten Bände seines neuesten, breit angelegten Werkes: »TTTTT« (Oxford 1891), führen die Erzählung bis zu dem verhängnisvollen Feldzuge der Athener gegen Syrakus; die Arbeit zeigt alle Vorzüge, aber auch die Fehler des Verfassers, die aus seinen frühern Werken bekannt sind.
Auf dem Gebiete der römischen Geschichte ist die bedeutendste Erscheinung V. Gardthausens »Augustus und seine Zeit« (Leipz. 1891). Der erste Band reicht bis zum Ende des Bürgerkrieges. An einer zusammenfassenden Darstellung der zahllosen Sinzelforschungen über diese epochemachende Zeit des Überganges von der Republik zum Kaisertum fehlte es bisher; Gardthausen gibt sie auf Grund sorgfältigster Studien in geschmackvoller Form; seine Auffassung ist maßvoll, die Beurteilung der in Betracht kommenden Persönlichkeiten unbefangen gerecht. Ohne die Bedeutung seines Helden irgendwie abzuschwächen, ist doch Gardthausen weit davon entfernt, den Versuch einer sogen. Rettung zu machen. Eine solche versucht F. Aly mit seinem Buche über »Cicero, sein Leben und seine Schriften« (Berl. 1891). Die mehr vom Standpunkte des Philologen als von dem des Historikers aus geschriebene Biographie will Cicero gegen die abschätzige Beurteilung Drumanns und Mommsens verteidigen, fördert aber wenig neue Ergebnisse zu Tage. Ein nicht sehr erfreuliches Buch ist C.P.Burgers Schrift über »Sechzig Jahre aus der alten Geschichte Roms« (Amsterd. 1891), Untersuchungen, meist chronologischer und quellenkritischer Art, über die Jahre 418-358, die durch die Kühnheit ihrer Vermutungen überraschen. Die in letzter Zeit so oft behandelte Frage nach dem Schauplatz der Varusschlacht (vgl. Bd. 18, S. 413 f.) ist neuerdings wieder von R. Tieffenbach untersucht worden (Berl. 1891), der zum Teil mit neuen Gründen Knokes Ansicht gegen Mommsen verteidigt. Interessante Abschnitte aus der römischen Kulturgeschichte behandelte N. Bonghi in dem reich illustrierten, auch ins Deutsche übersetzten Werke über die nach der Folge der Monate dargestellten römischen Feste: »TTTTT« (Mail. 1891), und A. Deloume in seinem belehrenden, freilich nicht besonders gut geschriebenen und im einzelnen zu vielfachen Ausstellungen Veranlassung gebenden Buche über die an moderne Aktien- oder Kommanditgesellschaften erinnernden Vereinigungen der römischen Steuerpachter (publicani) und den Einfluß, den in Rom Bankiers und Geldmänner bis auf die Zeit des Kaiserreichs ausgeübt haben (»Les manieurs d'argent à Rome«, Par. 1890). Beachtung verdienen noch die Arbeit von L. Maury über das römische Postwesen (»TTTTT«, Par. 1890) und das nützliche Werk von F. Fröhlich über »Das Kriegswesen Cäsars«, das mit dem dritten Teil (Zür. 1891) zum Abschluß gekommen ist; der Verfasser ist nicht ohne Erfolg bemüht gewesen, über die bekannten Forschungen Rüstows über den gleichen Gegenstand hinauszukommen. Ein bisher noch wenig bearbeitetes Gebiet hat W. Lieben am, »Zur Geschichte und Organisation des römischen Vereinswesens« (Leipz. 1890), in Angriff genommen; doch sind von kundiger Seite schwerwiegende Mängel der Arbeit aufgedeckt worden. Die Geschichte der Christenverfolgung unter Diokletian behandelt P. Allard, »TTTTT« (Par. 1890, 2 Bde.).
Mittelalter und Neuzeit.
Allgemeines. Von der trotz mancher Mängel recht brauchbaren Neubearbeitung von W. Aßmanns »Geschichte des Mittelalters«, die Ernst Meyer und Ludwig Viereck besorgen, ist die erste Lieferung der dritten und Schlußabteilung erschienen (Braunschw. 1890). Die.Herausgeber berücksichtigen mit großem Fleiße die wichtigere neuere Litteratur, gehen auch nicht selten auf die ursprünglichen Quellen selbst zurück; daß ihnen aus dem weitzerstreuten Material manches entgangen ist, wird man billigerweise nicht zu stark betonen dürfen. Der vorliegende Halbband bezieht sich auf das Deutsche Reich in dem Zeitabschnitt von Rudolf von Habsburg bis zum Ausgange Friedrichs III. Ein gedankenreicher Vortrag von A. Dove: »Der Wiedereintritt des nationalen Prinzips in die Weltgeschichte« (Bonn 1890), behandelt die Gründung der germanischen Staaten auf dem Boden des römischen Reiches im Zeitalter der Völkerwanderung; der Verfasser zeigt in ansprechender Darstellung, welche Bedeutung es für das Fortschreiten der Weltgeschichte hatte, daß so an die Stelle eines gleichmachenden, jede selbständige Bewegung seiner Teile erdrückenden Weltreichs neue, auf nationaler Grundlage beruhende Staaten traten, die ein vielseitiges und doch des Zusammenhanges nicht entbehrendes geistiges und politisches Leben entwickeln konnten. Ein Werk von ungemeiner Bedeutung ist die von staunenswerter Gelehrsamkeit und größtem Scharfsinn zeugende Universalgeschichte des Handelsrechts« von L. Goldschmidt (Stuttg. 1891), deren erste Lieferung kurz das Altertum, sehr eingehend aber das Mittelalter behandelt. Nicht bloß über das Handelsrecht, sondern über den Handel selbst, die Gestaltung und die Mittel des Güteraustausches, die Organisationen und Formen der Handelsvereinigungen und des Kredits werden hier vielfach neue und überraschende Aufschlüsse geboten. Das Werk bildet die erste Abteilung von Goldschmidts bekanntem Hauptwerk: »Handbuch des Handelsrechts«, 3. Aufl.
Wie das Papsttum die eigentlich universale und alle Nationen miteinander verbindende Macht namentlich der spätern Jahrhunderte des Mittelalters gewesen ist, so gibt es für die Geschichte dieser Jahrhunderte kaum eine wichtigere Quelle als die Korrespondenz der Päpste, die uns seit 1198 in vielen Tausenden von Abschriftenbänden, sogen. Registerbüchern, erhalten ist. Lange der gelehrten Forschung so gut wie völlig unzugänglich, sind diese kostbaren Schätze des vatikanischen Archivs erst durch den Papst Leo XIII. wissenschaftlicher Benutzung eröffnet worden; und wie Frankreich, Österreich und Deutschland in Rom eigne gelehrte Institute vornehmlich zu ihrer Ausbeutung gegründet haben (die École fran-^[folgende Seite]