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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Verletzungsneurose - Versicherung
Dampf bewegte Bahnen sind hier und da auch in Deutschland im Betriebe. Vgl» Dunklen, Im^ro-V6M6U t8 in Z^vitcli LHoil K^ii^ a.^8 9.uä Ii,0UN<lHd0ut8
or U61'!')'-3'0'1'0Unä8, in »8i'6M0M0N3 0k il1V6N tions oto.<1887, Bd. 78 (Lond. 1889).
Verlehungsneuroje, s. Traumatische Neurose.
Versicherung läßt sich in juristischem Sinne leicht als zweiseitiger Vertrag zwischen Versicherer und Versichertem erklären, worin der erstere sich gegen cin gewisses Entgeld verpflichtet, für den Fall des Gintrittes bestimmter Ereignisse eine Entschädigung an den letztern zu leisten. Diese Erklärung ist ziemlich feststehend und unbestritten; hier und da nur findet sich die Auffassung, Verträge solcher Art seien, wenn vereinzelt abgeschlossen, keine V., es müsse die Möglichkeit eines genossenschaftlichen Betriebes auf rationeller statistischer Grundlage als Vegriffsmerkmal hinzutreten. Die juristische Unterordnung des Versicherungsvertrages erfolgt, wo derselbe nicht bereits als eigne Gattung kodifiziert ist, unter die Glücksverträge, Wetten, Schadenersahverpflichtungen, weiter unter die Haft-und Bürgschaftsleistungen, unter die Societäts-, ja unter die Darlehnsuerträge.
Schwieriger und schwankender ist die Begriffserklärung der V. im wirtschaftlichen Sinne. Hier reicht die formale Bezeichnung des Glücksvertrages:c. nicht aus, obwohl sich ältere Autoren fast durchweg mit derselben begnügen. Ebensowenig kann das ökonomische Wesen der V. bloß in der Entschädigungsleistung beim eventuellen Eintritt ungünstiger Ereignisse erblickt werden. Häufig, ja meistenteils deckt sich der versicherte Betrag nicht mit dem wirklichen Schaden, welcher sich bei der Lebensversicherung, da der Wert des Lebens nicht wohl in Geld abzuschätzen ist, überhaupt nicht beziffern läßt. Aus letzterm Grunde wird deshalb von manchen Autoren der Lebensversicherung überhaupt der Versicherungscharakter abgesprochen und dieselbe für eine Spareinrichtung erklärt, welche bloß mit der Technik der V. kombiniert sei. Als Charakteristik, nicht aber als Definition kann es gelten, wenn einige Schriftsteller von der V. behaupten, sie sei ein moralisches Glücksspiel (im Gegensatze zu dem unmoralischen des Lottos), die Ausscherdung des Zufalles aus der menschlichen Gesellschaft, die systematische Vorsorge in der Wirtschaft und ähnliches mehr. Die in Deutschland gegenwärtig zumeist angenommene Begriffserklärung (von Adolf'Wagner) bezeichnet V. im ökonomischen Sinne als diejenige wirtschaftliche Einrichtung, welche die nachteiligen Folgen einzelner, für den Betroffenen zufälliger, daher auch im einzelnen Falle ihres Eintretens unvorhergesehener Ereignisse für das Vermögen einer Person dadurch beseitigt oder wenigstens vermindert, daß sie dieselbe auf eine Neihe von Fällen verteilt, in denen die gleiche Gefahr droht, aber nicht wirklich eintritt. Vereinigung der Risikos, Ausgleichung und Übertragung der Schäden vom Einzelnen auf eine Mehrheit sind somit die Hauptmomente dieser vielleicht etwas zu weiten Erklärung, welche fast alle Anstalten thatsächlich umfaßt, die, ungeachtet ihrer großen Verschiedenheiten, den Namen V.führen. Ausgenommen sind bloß Entschädigungswetten zwischen einzelnen, welche, auch wenn sie die Form der Versicherung beobachten, dieser nicht gleichgestellt werden können.
Als eine der tzauptmethooen zur Bewältigung ungünstiger Umstände gewinnt die V. im modernen Wirtschaftsleben eine immer steigende Bedeutung: sie lehrt überdies den Umfang der Gefahren erkennen und beugt denselben direkt oder indirekt vor (Prä ventio-Assekuranz.) Ursprünglich eine Einrichtung der reinen Selbsthilfe ist die V. in manchen Zweigen, welchen eben deshalb häufig der Versicherungccharakter abgesprochen wird, öffentlich und zwangsweise organisiert worden, so daß man jetzt drei Betriebsformen zu unterscheiden hat: Aktiengesellschaften, gegenseitige Vereine und staatliche V. Die beiden, erstgenannten Klassen befehden sich heftig, namentlich in Frankreich, weniger in Deutschland und Österreich, obwohl der prinzipielle Gegensatz zwischen ihnen immer mehr verschwindet, da die Aktiengesellschaften ähnlich den wechselseitigen die Versicherten an dem Geschäftsgewinn beteiligen. Die gegenseitigen, ihrer Natur nach in der Elementarversicherung vorzugsweise lokalen oder provinziellen Vereinigungen pflegen an Zahl die Aktiengesellschaften weit zu übertreffen, welche hingegen als die kapitalkräftigern in den meisten Ländern einen größern Geschäftsumfang erlangen.
' Eine Klasse'von wechselseitigen Anstalten, die von atters her mit Öffentlichkeitsrechten, Privilegien, selbst mit beschränkten Monopolen ausgestatteten Feueruersicherungs-Societäten Deutschlands, welche gewissermaßen unter dem Patronat des Staates stehen, nähern sich bereits der staatlichen Betriebsform. In. den Elementarbranchen wird der staatliche Betrieb vielfach angestrebt, aber auch heftig bekämpft, namentlich von den privaten Versicherungsgesellschaften, deren Rechte und Interessen durch die Einführung desselben empfindlich verletzt und geschädigt werden müßten. Ein Versuch staa Uicher Elementarversicherung liegt in Bayern vor, wo 1884 die staatlich geleitete Hagelversicherungscmswlt gegründet wurde. Die Wirksamkeit derselben wird verschieden beurteilt, ihre finanziellen Ergebnisse sind bisher keinesweg günstig. England besitzt eine Lebensversicherung in eigner Verwaltung des Staates: die Postversicherungskassen, welche jedoch äußerst geringfügige Resultate erzielen (408 Policen mit 25,40^) Pfd. Sterl. Versicherungssumme im I. 1890).
Haben die Verstaatlichungs-, resp. Verländerungsbestrebungen auf anderm als dem Gebiete der Ärbeiterversicherung keine positiven Erfolge erlangt, so hat sich doch durch die öffentliche Diskussion die allgemeine Aufmerksamkeit so sehr dem Versicherungswesen zugewendet, daß dieses von der neuern Gesetzgebung besondere Beachtung erfahren hat. In einzelnen europäischen und amerikanischen Staaten ist der Versicherungsbetrieb durch Verordnungen und Gesetze in der Weise geregelt worden, daß durch Öffentlichkeit und Staatsaufsicht die Gebarung der Versicherungsanstalten überwacht wird, und in faft allen neuern handelsrechtlichen Kodifikationen (Spanien 1885, Rumänien 1887, Portugal 1888) findet das Versicherungsrecht spezielle Behandlung. In einzelnen der Vereinigten Staaten von Nordamerika (New Jork, Ohio, Massachusetts u. a.) gehen sogar die Bestrebungen der Gesengeber so weit, einheitliche Polieentypen festzustellen und den: Agentenunwesen durch strenge Nadattierungsverbote zu steuern.
Ziffermäßig erhellt die volkswirtschaftliche Bedeutung des Versicherungswesens für Deutschland und Österreich aus den folgenden Daten. Es muß jedoch zu denselben bemerkt werden, was zum Verständnis jeder Versicherungsstatistik notwendig ist, daß die Prämieneinnahmen der Versicherungsanstalten eines Landes keinen Rückschluß auf die von den Einwohnern desselben entrichteten Prämien gestatten, da das Arbeitsgebiet der größern Gesellschaften sich nicht auf das Stammland beschränkt und überdies durch gegen-