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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Addizieren; Adduzieren; Ade; A découvert; Adel

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Addizieren - Adel

Der Kaiser und die beiden Kammern zusammen sollten die gesetzgebende Gewalt ausüben. Die aufgezwungene Akte ward nachträglich einer Volksabstimmung unterworfen, bei der 1309000 mit Ja, 4206 mit Nein stimmten. Die Verkündigung erfolgte 1. Juni 1815. (S. Frankreich, geschichtlich.)

Addizieren (lat.), gerichtlich zusprechen; davon Addiktion (s. d.).

Adduzieren (lat.), heranziehen; Adduktion, Anziehung; Adduktoren, Muskeln, die ein Glied nach der Körperachse hin bewegen, s. Muskeln.

Ade, deutsche Umformung von Adieu (s. d.), in dichterischer und gehobener Sprache üblich.

A découvert (frz., spr. a dekuwähr, "ohne Deckung") verkaufen, s. Fixen.

Adel, im staatsrechtlichen Sinne ein Stand, der Ehren- und andere Rechte vor den übrigen Staatsbürgern derart besitzt, daß diese Vorrechte eine besondere Klasse der Ausgezeichneten begründen. Beruht eine derartige polit. und sociale Auszeichnung auf Verleihung an die Person, so ist sie Individual- oder persönlicher A.; beruht sie dagegen auf Geburt, so ist sie Geburts- oder Erbadel. Letzterer wird vorzugsweise mit A. bezeichnet. Die Bedeutung eines erblichen A. beruht auf der Geschichte.

Ein gleichsam traditionelles Anrecht gewisser Familien auf die Häuptlingschaft finden wir schon in der Geschichte der alten Germanen und selbst noch ziemlich weit hinein in die Geschichte des Deutschen Reichs in thatsächlicher Geltung und Wirksamkeit. "Reges ex nobilitate sumunt" ("sie nehmen ihre Könige mit Rücksicht auf den A. des Geschlechts") sagt Tacitus von den alten Germanen. In der Zeit von Heinrich I. an bis zum großen Interregnum galt es als Regel, den Nachfolger des deutschen Königs aus dem Kreise seiner Söhne oder nächsten Verwandten zu nehmen, und zwar so, daß noch bei Lebzeiten des Königs von ihm der, den er zum Nachfolger würdig erachtete, bezeichnet, von den Großen und dem Volke bestätigt wurde; erst wenn kein Glied der Familie der Erwartung einer ausgezeichneten Tüchtigkeit entsprach, wurde von der ganzen Dynastie ab- und zu einer andern übergegangen.

Von dieser Art von A., der in einem traditionellen Anspruch auf höhere Schätzung bestand, der die allgemeine Gleichheit aller Freien nicht aufhob, ist wesentlich verschieden der spätere, aus dem Feudalwesen hervorgegangene, der sich mehr oder weniger über fast alle Staaten des modernen Europa verbreitete. Der "Dienst des Königs" war das einzige und höchste Streben aller durch körperliche oder geistige Tüchtigkeit hervorragenden Männer geworden. Je näher der Person des Königs, desto edler und ausgezeichneter dünkte sich ein jeder. Wer nicht unmittelbar dem Könige dienen konnte, der suchte Dienstmann eines königl. Dienstmannes zu werden. Der Leibeigene sah sich über den Freien, der Römer oder Gallier über den Genossen des herrschenden Stammes, den Franken, der Güterlose über den auf eigenem Gute Seßhaften gestellt, wenn der König ihm eine Stelle um seine Person oder im Dienste des Reichs verlieh. Zunächst war dadurch nur ein persönlicher Dienstadel begründet, der jedoch durch die Verbindung von Amt und verliehenem Grundbesitz in einen Erbadel überging. Die Könige verliehen den durch Eroberung erworbenen Grundbesitz zunächst den Heerführern, welche damit ihren ererbten Allodialbesitz verbanden, und den Besitz mit dem Amt, z. B. der Grafenwürde, erblich zu machen wußten. Noch leichter gelang die Vererbung den Ministerialen und Rittern mit dem Besitztum, welches ihnen die Lehnsmannen des Königs, die Herzöge, Markgrafen, Grafen, verliehen, weil mit diesen Lehen ursprünglich keinerlei öffentliches Amt, vielmehr nur Verpflichtung zur Kriegsfolge verbunden war.

Die Besitzer reichsunmittelbarer, d. h. solcher Güter, die nicht von einem Lehnsherrn zweiter Ordnung abhingen und die zugleich gewisse Hoheitsrechte (als Ausfluß des ursprünglichen Reichsamtes, dessen Zubehör sie waren) mit sich führten, wurden in Deutschland zu dem hohen oder Reichsadel, die Besitzer von Gütern der andern Art dagegen zur Ritterschaft, in dem spätern Sprachgebrauch zum niedern A. gerechnet. Der hohe A., zu welchem die geistlichen und weltlichen Würdenträger und Beamten des Reichs, die Erzbischöfe, Bischöfe, Herzöge, Markgrafen, Pfalzgrafen, Landgrafen und Grafen gehörten, übte im Bereiche seiner Besitzungen mehr oder weniger vollständige landesherrliche oder Regierungsrechte aus; die Inhaber von Reichsämtern, die Herzöge, Markgrafen, Landgrafen, Pfalzgrafen, Grafen, sowie die Erzbischöfe und Bischöfe hatten auch das Recht der Reichsstandschaft oder das Stimmrecht auf den Reichstagen. Nicht so die bloßen Reichsfreiherren ohne hohe Gerichtsbarkeit oder Reichsritter, die nicht zum eigentlichen hohen A. gerechnet wurden, obgleich sie sich von dem landsässigen A. durch ihre Reichsunmittelbarkeit sowie durch gewisse, den Herrschaftsrechten der eigentlichen Reichsstände (Landesherren) mehr oder weniger nahekommende Vorrechte unterschieden, daher eine Art von Mittelstellung zwischen diesem und jenem einnahmen. Der größte Teil der Reichsunmittelbaren wurde 1803 und 1806 "mediatisiert", d. h. der Landeshoheit eines benachbarten Landesherrn unterworfen, behielt jedoch den Rang und die Vorrechte von Mitgliedern des hohen A., soweit er solche besessen, insbesondere auch, was die eigentlichen Reichsstände betrifft, das Recht der Ebenbürtigkeit (s. d.) mit den regierenden Familien. Die Privilegien des hohen A. beruhen, soweit sie nicht beseitigt sind, materiell auf der Deutschen Bundesakte Art. 14. Die Titel Graf, Freiherr kamen von Haus aus nur den Reichsunmittelbaren zu (es gab nur Reichsgrafen, Reichsfreiherren) und konnten nur vom Kaiser oder von den Reichsvikarien verliehen werden, jedoch haben die Kurfürsten von Brandenburg seit 1663 Standeserhebungen selbständig vorgenommen. Seit dem Aufhören des Reichs aber ward dieses Recht von den Landesherren geübt. - Vgl. Maurer, über das Wesen des ältesten A. der deutschen Stämme (Münch. 1846); Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte (Lpz. 1894).

Auch in Frankreich gab es bis zur Revolution von 1789 einen hohen und einen niedern A., beide wie in Deutschland aus dem Lehnswesen entstanden. Jener umfaßte die sog. pairs du royaume, die aber seit den Kapetingern keine landesherrlichen Rechte mehr besaßen. Später wurden sie auch aus den amtlichen Stellungen verdrängt, aus dem obersten Gerichtshofe durch rechtsgelehrte Richter, aus dem Hohen Rat (le grand conseil) durch die beharrliche Tendenz des franz. Königtums nach unumschränkter Gewalt, so daß zuletzt in Frankreich schon vor der Revolution hoher und niederer A. sich kaum noch durch etwas anderes als durch gewisse äußere Auszeichnungen unterschied. Ein sehr zahlreiches und angesehenes Kontingent zum niedern A.