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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Ägypten (alte Geschichte)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Ägypten (alte Geschichte)'

lediglich nach den Regierungsjahren der herrschenden Könige. Zur Feststellung einer genauen Chronologie wäre deshalb ein vollständiges Verzeichnis sämtlicher Regenten mit sorgfältiger Angabe der Regierungsjahre erforderlich. Von solchen Verzeichnissen ist uns jedoch nur eins und auch dieses nur in Bruchstücken überkommen. Ein Papyrus (jetzt im Museum von Turin), der wahrscheinlich aus der Zeit Ramses' III. stammt (veröffentlicht von Wilkinson, «Fragments of the hieratic papyrus of Turin», 1851; Lepsius, «Auswahl ägypt. Urkunden», Taf. 3–6), enthielt eine vollständige Liste der ägypt. Könige von den ältesten Zeiten bis in die Hyksoszeit. Er umfaßte etwa 220 Könige, die in Dynastien eingeteilt sind, mit Angabe ihrer Regierungsdauer. Ein Teil der Lücken dieses sog. «Königspapyrus» läßt sich durch Listen ägypt. Könige, die in Gräbern oder Tempeln erhalten geblieben sind, ergänzen. Die wichtigsten dieser Listen sind:

  • a. die Königstafel von Karnak, ein im Tempel von Karnak gefundenes, jetzt in Paris befindliches Relief aus der 18. Dynastie, auf dem König Thutmosis III. dargestellt ist, wie er 61 seiner Vorfahren, die sämtlich mit Namen genannt sind, aber ohne genaue zeitliche Ordnung einander folgen, das Totenopfer darbringt (hg. u. a. von Lepsius, «Auswahl der wichtigsten Urkunden des ägypt. Altertums», Lpz. 1842, Taf. 1). –
  • b. Die Königstafel von Abydos, ein Relief im Sethostempel von Abydos, das den König Sethos I. mit seinem Sohne, dem Thronfolger Ramses, zeigt, wie sie zu 76 ägypt. Herrschern beten, die in chronol. Folge namentlich aufgeführt sind (von Menes bis Sethos, hg. u. a. von Mariette, «Abydos I», Taf. 43). –
  • c. Die Königstafel von Sakkara, die im Grabe eines Privatmannes, der unter Ramses II. lebte, gefunden worden ist und jetzt im Museum von Giseh aufbewahrt wird. Sie zählt 52 ägypt. Könige auf, die der Verstorbene anbetet (veröffentlicht von Mariette, «Monuments divers», Taf. 58).

Ferner kommt noch das in griech. Sprache geschriebene Geschichtswerk des ägypt. Priesters Manetho (s. d.) aus Sebennytos (in Unterägypten), das um 270 v. Chr. verfaßt ist, in Betracht. Es ist nur in Bruchstücken und Auszügen überliefert, die sich in den Werken einiger jüd. und christl. Gelehrten, des Josephus (in dessen Schrift gegen Apion), Julius Africanus und Eusebius finden. Die Auszüge der beiden letztgenannten, welche Dynastien- und Königslisten mit Angabe der Dauer der einzelnen Regierungen und mit zahlreichen kurzen histor. Bemerkungen enthalten, sind wiederum nur in andern Büchern, in der Chronologie des Synkellos, die 792 n. Chr. verfaßt ist, und in dem lat. Machwerke eines mittelalterlichen Schriftstellers, den «Excerpta Barbari», erhalten. Beide weichen, namentlich in den Zeitangaben, oft wesentlich voneinander ab; es erklärt sich dies einmal aus der schlechten Überlieferung, aber nicht allein aus dieser. Vergleicht man die Manethonische Überlieferung mit den ägypt. Denkmälern, so ist zwar die Reihenfolge der Herrscher in Manethos Listen im wesentlichen richtig, aber die Zeitbestimmungen sind mit geringen Ausnahmen irrig und die histor. Notizen mit großer Vorsicht aufzunehmen. Man muß bedenken, daß Manetho über die ältere ägypt. Geschichte kaum besser unterrichtet war, wie ein lediglich aus der nationalen Tradition schöpfender griech. Historiker von heute etwa über den Trojanischen Krieg, und daß weiter die von ihm bei ↔ Abfassung seines Werkes benutzten einheimischen Quellen, die Königslisten, Tempellegenden u.s.w., überaus lückenhaft und einseitig gewesen sind. So werden also die meisten Irrtümer bereits in dem Originalwerk Manethos enthalten gewesen sein. Die frühern Ägyptologen haben die Bedeutung Manethos für die ägypt. Chronologie überschätzt und sind dadurch, daß sie ihn allen histor. Untersuchungen zu Grunde gelegt haben, zu Irrtümern verleitet worden. Es erhellt dies schon aus der Vergleichung der Zahlen, die die verschiedenen Gelehrten für die Regierungszeit des ersten ägypt. Königs Menes auf Grund der Manethoniscben Überlieferung ausgerechnet haben: nach Champollion auf 5867 v. Chr., Lesueur 5770, Böckh 5702, Unger 5613, Mariette 5004, Brugsch 4455, Lauth 4157, Chabas 4000, Lieblein 3893, Lepsius 3892, Bunsen 3623, Ed. Meyer 3180, Wilkinson 2320, Palmer 2224 v. Chr.

Auf Grund der ägypt. Königslisten und der auf den Denkmälern gefundenen Zahlen der Regierungsdauer der einzelnen Herrscher muß nun versucht werden, die Ereignisse der ägypt. Geschichte zeitlich festzulegen. Es ist dies, abgesehen von den Lücken der Listen, dadurch noch besonders erschwert, daß aus mehrern Epochen keine oder nur sehr wenige Denkmäler überkommen sind, und daß nur von wenigen Königen (z. B. Ramses II.) die genaue Regierungsdauer bekannt ist. Man kann daher nur ungefähre Daten feststellen, die besonders für die ältere Zeit (bis zum Beginn des neuen Reichs), um mehrere Jahrhunderte schwanken können.

Feste Punkte für die Chronologie gewinnen wir durch einige in ägypt. Denkmälern angegebene astron. Ereignisse sowie durch die Gleichzeitigkeit ägypt. Taten mit Taten der assyr.-babyl., hebr. und griech. Geschichte. Solche Punkte sind:

  • 1) nach einer kalendarischen Notiz auf der Rückseite des Papyrus Ebers ist das 9. Jahr des Königs Amenophis I. (18. Dynastie) zwischen 1553 und 1550 v. Chr. anzusetzen:
  • 2) mit Hilfe astron. Angaben ist die Regierungszeit Thutmosis' III. (18. Dynastie) auf 1503–1499 v. Chr. und die Ramses' II. (19. Dynastie) auf 1348–1281 v. Chr. zu bestimmen;
  • 3) der Thontafelfund von El-Amarna hat u. a. den Briefwechsel der Könige Amenophis IV. von Ä. (Dynastie 18) und Burraburiasch von Babylon geliefert, beide Könige müssen also um dieselbe Zeit regiert haben:
  • 4) Scheschonk I. (Schischak) von Ä. hat zur Zeit Rehabeams Jerusalem geplündert, gehört also in die zweite Hälfte des 10. Jahrh.;
  • 5) aus der griech. Geschichte ergiebt sich, daß Psammetich I. 663 v. Chr. den Thron bestiegen hat. Von dieser Zeit an steht die ägypt. Chronologie durch den Zusammenhang ägypt. und griech. Ereignisse fest.

Man teilt die ägypt. Geschichte von der ältesten uns bekannten Zeit bis zum Ende der einheimischen Herrschaft in das alte, mittlere, neue Reich, in die Epoche der libyschen Herrschaft und in die Spätzeit; neben dieser Einteilung geht noch eine andere, von Manetho eingeführte einher, der die ägypt. Herrscher von dem ältesten König Menes bis zu Alexander d. Gr. in 31 Dynastien verteilt. Für diese Epochen sind mit Hilfe des im Vorstehenden angegebenen Materials folgende ungefähre Zeitpunkte festgestellt worden:

  • 1) das alte Reich (Dynastie 3–6: 2800–2500 v. Chr.);
  • 2) das mittlere Reich (Dynastie 11–12: 2200–1900 v. Chr. [Dynastie 11: 2200–2100, Dynastie 12: 2100–1900], Dynastie 13: um 1800, die Herrschaft

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 238.