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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Aktinisch – Aktinomykose

gegenüber einnehmen. Die Körpergestalt ist meist die eines kurzen, cylindrischen Sackes, der mit breiter Sohlenfläche auf seiner Unterlage angeheftet ist, und dessen freies Ende auf seiner Mitte die von zahlreichen Tentakeln umstellte Mundöffnung trägt. Dieser Körper ist beträchtlicher Ausdehnung und Zusammenziehung fähig und die Tentakelscheibe kann nach innen vollständig eingestülpt werden; die mit einer Haftsohle versehenen Arten bedienen sich derselben wie die Schnecken zum Kriechen, während andere in den Schlamm versenkt und von einer Schleimhülse umgeben sind. Einige leben als Parasiten auf den von Einsiedlerkrebsen (s. d.) bewohnten Schneckenschalen, wobei der passive Ortswechsel ihnen günstigere Ernährungsbedingungen bietet; ja sogar schwimmende A. giebt es, welche durch Luftblasen, die sie mit der zusammengerollten Fußscheibe festhalten, sich schwebend umhertreiben lassen. Die A. werden wegen ihrer Farbenpracht, welche mit den schönsten Blumen wetteifert, und wegen der Leichtigkeit ihrer Erhaltung in der Gefangenschaft, wo sie viele Jahre andauern und sich auch fortpflanzen, gern in Seeaquarien aufgenommen. Bei ihrer Gefräßigkeit läßt sich an ihnen leicht die Wirkung jener mikroskopischen Giftwaffen, der Nesselkapseln, die für alle Polypentiere charakteristisch sind, beobachten, indem die in den Bereich der nesselnden Fangarme einer Aktinie gelangenden Tiere schon bei leiser Berührung oft wie gelähmt hängen bleiben und rasch von den in immer größerer Zahl sie umschlingenden Tentakeln herangezogen werden, um endlich in der weiten Mundöffnung zu verschwinden. Die Nahrung besteht aus sehr verschiedenen Tieren, namentlich Krebsen und Fischen; die Gefangenen lassen sich auch leicht mit rohem Fleisch füttern; sie bewältigen oft erstaunlich große Bissen. Ihre Vermehrung ist teils eine ungeschlechtliche durch Längsteilung oder Abschnürung kleiner Teile der Fußscheibe, welche sich zu neuen Tieren ergänzen, teils eine geschlechtliche durch Eier, welche bei manchen als schwimmende Larven aus dem Munde der Mutter ausschwärmen, bei andern ihre Entwicklung im mütterlichen Körper durchlaufen und denselben erst als ausgebildete Tiere verlassen. Eine Sonderstellung nehmen die stockbildenden und durch Knospung sich vermehrenden Arten der Gattung Zoanthus ein. Von den bekanntern A. sind einige auf der Tafel: Meerwasser-Aquarium (S. 774) abgebildet; in Fig. 3 die grüne Seerose, Anthea cereus Ellis, mit braunem Körper und grünen Tentakeln; in Fig. 6 die gelbgestreifte Actinia effocta L. oder Sagartia parasitica Couch, die, wie die Adamsien, auf den Gehäusen der Einsiedlerkrebse oft zu mehrern sitzt, so daß die Schale völlig von ihnen bedeckt wird. Fig. 17 stellt die dickarmige Seerose der Ostsee, Tealia crassicornis Müll., mit rötlichem Leibe und weißen Tentakeln dar, Fig. 5 die schöne Actinoloba dianthus Ellis, Seenelke genannt, weil ihre feingefransten Tentakel den Blumenblättern einer Nelke gleichen. – Vgl. Gosse, British sea anemones (Lond. 1860); Hertwig, Die A. (Jena 1879); Andres, Le Attinie del golfo di Napoli (Lpz. 1881).

Aktīnisch (grch.) nennt man die Wirkung der Lichtstrahlen, besonders die chemische (s. Photographie).

Aktinoelektricität, die Elektricität, die in einigen Krystallen, z. B. dem Bergkrystall, durch Licht- und Wärmestrahlen hervorgerufen wird.

Aktinogrāph (grch.), Instrument, das dazu dient, auf Grund der verschiedenen Intensität in der Färbung von lichtempfindlichem Papier (s. Photographie) die chemisch wirkende Kraft der Strahlen verschiedener Lichtquellen miteinander zu vergleichen. Mit Hilfe von A. haben J. Herschel und E. Becquerel die chem. Intensität der Strahlen der Sonne, bei ihrem verschiedenen Stande über dem Horizonte, studiert. (S. Aktinometer.)

Aktinolīth (grch.) oder Strahlstein, s. Hornblende.

Aktinomēter (grch., «Strahlenmesser»), ein von J. F. W. Herschel (1834) erfundenes Instrument zur Messung der erwärmenden Kraft der Sonnenstrahlen. Demselben Zwecke dienen Saussures Heliothermometer und Pouillets Pyrheliometer. Den meisten Anklang hat das A. (Pyrheliometer) von Pouillet gefunden; es besteht im wesentlichen aus einem cylindrischen Silbergefäß, dessen Deckel senkrecht gegen die Sonnenstrahlen gerichtet ist. Das Gefäß enthält Wasser und die Kugel eines empfindlichen Thermometers; der strahlenempfangende Gefäßdeckel ist berußt, damit die Strahlen absorbiert werden können. Aus der Temperaturerhöhung des Wassers in bestimmter Zeit wird die in der Zeiteinheit von der Flächeneinheit absorbierte Wärmemenge berechnet. Dazu muß man noch jene Wärmemenge addieren, welche die strahlenempfangende Fläche durch Ausstrahlung einbüßt. Um diese zu finden, richtet man das A. nach einer Stelle des Himmels, wo sich die Sonne nicht befindet, und berechnet aus der gesunkenen Temperatur die verlorene Wärmemenge. A. heißen auch Instrumente zur Messung der Wärmeausstrahlung gegen den Weltraum (s. Äthrioskop); auch die Aktinographen (s. d.) werden A. genannt.

Aktinomórph (grch.), s. Blüte.

Aktinomȳces (grch.), Strahlenpilz, der Erreger der Aktinomykose (s. d.).

Aktinomykōm, die durch Einwirkung des Aktinomyces (s. d.) verursachte Geschwulst.

Aktinomykōse (grch.), Strahlenpilzkrankheit, eine Infektionskrankheit, die durch den Strahlenpilz (Actinomyces bovis Harz) bedingt wird und beim Rinde, dem Schweine sowie dem Menschen vorkommt. Besonders häufig ist die A. beim Rinde; sie erzeugt geschwulstförmige Knoten an den Kiefern, im Kehlgange, in der Zunge, am Gaumen, in der Rachenhöhle, im Schlunde und im Magen. Von alters her bekannt sind die Knochenauftreibungen am Kiefer, die früher Knochenkrebs und Winddorn (Spina ventosa) hießen. Die Zungenerkrankung bezeichnet man wegen der charakteristischen Härte als Holzzunge. Bei Schweinen findet man Aktinomycesgeschwülste meist im Euter. Bei der Entstehung der A. spielen rauhe, stachlige Futterstoffe, die, mit den Strahlenpilzkeimen behaftet, Verwundungen in den ersten Verdauungswegen erzeugen, eine Rolle.

In seltenen Fällen gelangen die Strahlenpilze auch in die Blutbahn und erzeugen in entferntern Organen, in der Lunge, den Knochen und Gelenken Veränderungen, die durch Knötchenbildung mit Neigung zum Zerfall ausgezeichnet sind.

Beim Menschen pflegt die A. unter einem wesentlich andern Bilde aufzutreten. Meist handelt es sich hier um ausgedehnte phlegmonöse Eiterungen und Eitersenkungen am Halse, Nacken, an den Rippen oder Wirbeln, durch welche die Kräfte des Kranken auf das äußerste erschöpft werden; nicht selten werden auch innere Organe (Lungen, Luftröhre, Rippenfell, Darm, Bauchfell) Sitz der Erkrankung. Charakteristisch ist dabei immer die Bildung weit verzweigter, die Gewebe förmlich zerwühlender Fistel-^[folgende Seite]