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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Allodialgüter - Allotropie

die im Eigentum der regierenden Familie stehende Gütermasse, welche derselben verbleibt, wenn z. B. beim Aussterben des Mannsstammes eine andere Linie an die Regierung kommt, im Gegensatz zu den Staatsgütern und den beim Lande verbleibenden Gütern. (s. auch Allodifikation.)

Allodialgüter, s. Allod.

Allodifikation, Aufhebung der lehnsrechtlichen Beschränkung, so daß freies Eigentum (Allod) entsteht, kann durch Rechtsgeschäft nur unter Beiziehung aller Lehnsbeteiligten (der Agnaten, der Eventualbelehnten u. s. w.) geschehen; soweit die Zustimmung fehlt, bleibt zwar der Lehnsverband beseitigt, aber die Rechte der Agnaten u. s. w. bestehen in Form fideikommissarischer Successionsrechte fort. Über A. kraft Gesetzes s. Lehnswesen.

Allodifizieren, zum Allod (s. d.) machen.

Allokution (lat., Anrede), im röm. Kurialstil die Anrede des Papstes an das Kardinalkollegium über einen kirchlichen oder polit. Gegenstand, die oft principielle Fragen in autoritativer Weise erörtert. Da die A. meist auch gedruckt verbreitet wird, erlangt sie ähnliche Bedeutung wie eine Encyklika (s. d.).

Allonge (frz., spr. allöngsch), Anhang, Verlängerungszettel (engl. rider; ital. giunta), ein mit dem Wechsel oder der Kopie verbundenes Blatt im Format des Wechsels, welches angefügt wird, wenn das Wechselpapier zu weitern Indossamenten nicht ausreicht. Die Deutsche und Österr. Wechselordnung (Art. 11) gestatten die A. ohne weitere Vorschriften über ihre Beschaffenheit und die Art der Anfügung zu geben, wie sie frühere Wechselordnungen enthielten, indem sie, wie jetzt die Russ. Wechselordnung, anordneten, daß das letzte Indossament von dem Wechselpapier auf die A. hinübergeschrieben sein müsse. Üblich und ratsam ist diese Vorsichtsmaßregel, oder die Ansiegelung mit dem Siegel des ersten Indossanten auf der A., oder der Vermerk auf der Rückseite der A., daß und zu welchem Wechsel die A. gehört.

Allongeperücke, s. Perücke.

Allons (frz., spr. -óng), Gehen wir! Vorwärts! Auf! - Allons enfants de la patrie ("Auf, Kinder des Vaterlands"; so gewöhnlich citiert anstatt des richtigen: Allons enfants! De la patrie / le jour de glorie est arrivé!), Anfang der Marseillaise (s. d.).

Allopathie (grch.) nannte Hahnemann, der Erfinder der Homöopathie (s. d.), die von andern Ärzten vertretene Heilmethode. Derselbe war der Meinung, eine Krankheit könne nur durch solche Mittel geheilt werden, welche beim Gesunden ein der bezüglichen Krankheit ähnliches (grch. homoion) Leiden hervorrufen, und suchte nachzuweisen, daß die andern Ärzte die Krankheiten nur mit Mitteln bekämpften, welche, beim Gesunden angewandt, ein der bekämpften Krankheit unähnliches, entgegengesetztes, überhaupt anderes (grch. allon) Leiden erzeugen. Diese Ansichten sind einseitig, weil die rationell und nach wissenschaftlichen Principien verfahrenden Ärzte stets die eine wie die andere Methode befolgt haben, unter sorgfältiger Berücksichtigung der Besonderheit des Falls.

Allophan (grch.), eine Verbindung von kieselsaurer Thonerde und Wasser, die meist durch kohlensaures Kupferoxyd verunreinigt ist. Das Mineral findet sich in unregelmäßiger Gestalt, traubig, nierenförmig, tropfsteinartig, als Überzug, ist himmelblau von Farbe, die oft ins Spangrüne, Gelbe, Braune oder Weiße verläuft, hat die Härte 3 und das spec. Gewicht 1,8. Namentlich kommt A. als neueres, im frischen Zustande oft noch schmieriges Erzeugnis in Begleitung von Kupfererzen bei Gräfenthal unweit Saalfeld, Schneeberg (Sachsen), auf dem Herrensegen bei Wittichen und bei Gersbach (Schwarzwald), am schönsten im Blauen Stollen bei Zuckmantel (Österreichisch-Schlesien) vor.

Allophansäure, ein Harnstoffderivat von der Konstitution NH2.CO.NH.COOH ^[NH<sub>2</sub>.CO.NH.COOH], ist in freiem Zustande nicht bekannt. Die durch Einwirkung von Chlorkohlensäureester auf Harnstoff gewonnenen Ester sind beständige krystallisierende Verbindungen.

Allorhythmie (grch.), der krankhaft veränderte Rhythmus der Herzthätigkeit.

Allori, Alessandro, auch Bronzino genannt, ital. Maler, geb. 31. Mai 1535 zu Florenz, gest. 22. Sept. 1607, ein Neffe und Schüler des Angelo Bronzino, war ein eifriger Nachahmer des Michelangelo. Neben biblischen Darstellungen entwarf er zahlreiche mytholog. Kompositionen.

Sein Sohn Christofano A., geb. 1577 zu Florenz, gest. 1621, verhalf der Malerei zu neuem Aufschwung in Florenz. An Stelle der von seinem Vater gepflegten trocknen Manier zeichnen sich seine Werke durch Originalität, lebensvollen Ausdruck und weiches Kolorit aus. Sein Meisterwerk ist: Judith und Holofernes (im Palast Pitti zu Florenz).

Allotmentsystem (spr. ällótt-, vom engl. allot, Los, Anteil), das in den dreißiger Jahren in England aufgestellte System, wonach den Arbeitern pachtweise Anteile am Grundbesitz zu überweisen sind, um sie wirtschaftlich selbständiger zu machen. Zu diesem Zwecke sollten in jedem Kirchspiel gewisse Ländereien parzelliert und diese Parzellen unter die Arbeiter verlost werden.

Allotri... oder Allotrio... (grch.), fremd, fremdartig, z. B. Allotriodontie, das Einsetzen fremder Zähne; Allotriurie, Abgang fremdartiger Stoffe mit dem Harne.

Allotria (grch.), fremde Nebendinge, Unfug.

Allotriophagie (grch.), Neigung zum Verschlingen ungenießbarer Dinge, besonders bei Geisteskranken vorkommend. Diese verschlucken oft die gefährlichsten oder ekelhaftesten Gegenstände, wie Erde, Kot (Koprophagie), Glas, Nadeln u. s. w. Ähnliche krankhafte Begierden finden sich bei Nervenverstimmungen und bei Schwangerschaft. (S. Gelüste.)

Allotropie (grch.), die Eigentümlichkeit gewisser chemisch einfacher Stoffe (Elemente), in zwei oder mehr so auffallend verschiedenen Modifikationen vorzukommen, daß man sie für einander ganz fremde Substanzen halten würde, wenn die Identität ihrer chem. Natur nicht anderweitig festgestellt wäre. Solcher allotropischen Modifikationen sind z.B. vom Sauerstoff zwei bekannt: das gewöhnliche Sauerstoffgas der Atmosphäre und das Ozon. Der Kohlenstoff bildet ihrer drei: Diamant, Graphit und amorphe oder organische Kohle. Von Phosphor, Bor, Silicium, Schwefel u. s. w. sind ebenfalls mehrere allotrope Modifikationen bekannt. (S. die Einzelartikel.) Die Ursache der A. liegt ohne Zweifel in der Fähigkeit mehrwertiger Elemente (nur bei solchen wird sie überhaupt beobachtet), Moleküle von verschiedener Größe, d. h. aus verschiedener Anzahl von gleichartigen Atomen zu bilden. Für das Element Sauerstoff ist dies bestimmt nachgewiesen, indem das Molekül des Atmosphärensauerstoffgases aus zwei miteinander chemisch verbundenen Sauerstoffatomen (O2 ^[O<sub>2</sub>]) besteht, während das Ozonmolekül deren drei (O3 ^[O<sub>3</sub>]) enthält. Die A. erscheint daher als eine besondere Art der Polymerie (s. Isomer).