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Äneas (der Taktiker) – Anemonin
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Äneas (Held)'
linge bestimmt, aber, namentlich von der Mutter Amata, dem Könige der Rutuler, Turnus, verheißen. Dies veranlaßte einen Krieg, nach dessen
Beendigung sich A. mit Lavinia vermählte. Das Weitere deutet Virgil nur an. Man glaubte, daß A. im Flusse Numicius verschwunden sei, und identifizierte
ihn dann auch mit dem dort waltenden einheimischen Gott. Nach älterer Sage gründeten Ä.' Söhne oder Enkel Rom; nach spätern Erzählungen erbaute
Ä.' Sohn Ascanius Albalonga. Dessen Nachfolger wurde des Ä.' mit der Lavinia erzeugter Sohn Silvius. Der Sohn des Ascanius, Julus, galt als Ahnherr
des Geschlechts der Julier. – Vgl. Klausen, Ä. und die Penaten (2 Bde., Hamb. und Gotha 1839–40); Förstemann, Zur Geschichte des Äneasmythus
(Magdeb. 1894).
Änēas der Taktiker, altgriech. Militärschriftsteller im 4. Jahrh.
v.Chr., wahrscheinlich identisch mit dem arkadischen Strategen Ä. aus Stymphalus, der 360 v.Chr. der Tyrannis des Euphron zu Sicyon ein Ende machte.
Von seinem kriegswissenschaftlichen Werke «Hypomnemata», verfaßt zwischen 360 und 356, hat sich nur der
Abschnitt über Belagerungskunst erhalten, herausgegeben mit deutscher Übersetzung von Köchly und Rüstow im ersten Bande der
«Griech. Kriegsschriftsteller» (Lpz. 1853), von Hercher (Berl. 1870 u. 1871), von Hug (Lpz. 1874). – Vgl. Lange,
De Aeneae commentario poliorcetico (Berl. 1879); Ries,
De Aeneae Tactici commentario poliorcetico (ebd. 1890).
Anegenge (d. h. Anfang) betiteln sich mehrere deutsche geistliche Gedichte des 12. Jahrh., die von Erschaffung der Welt
ausgehend schließlich zur Erlösung überspringen. Das A. eines österr. Mönches, das Hahn in den «Gedichten des 12. und 13. Jahrh.» (Quedlinb. 1840)
herausgab, erzählt ärmlich und eintönig, vorzugsweise auf Grund der «Historia scholastica» des Petrus Comestor
(nach 1173). – Vgl. Schröder, Das A. (Straßb. 1881).
Aneho, Handelsplatz an der Togoküste, s. Klein-Popo.
Anekdŏta (grch., «nicht herausgegeben»), Bezeichnung von Schriften, die aus irgend einem Grunde nicht
veröffentlicht oder absichtlich geheim gehalten wurden, wie z. B. des Prokopius (s. d.) von Cäsarea «Geheime Geschichten» aus der
Zeit Justinians den Titel A. führen. In neuerer Zeit betitelt man namentlich in Philologie und Altertumskunde Sammlungen von bisher nicht gedruckten
alten Schriften oder Bruchstücken solcher als A., z. B. gab Boissonade (s. d.) heraus
«Anecdota graeca». Das Wort Anekdōte bedeutete zunächst eine nur mündlich
überlieferte Erzählung eines interessanten einzelnen Ereignisses, Ausspruches u.s.w., jetzt meistens die pointierte kurze Erzählung, auch die litterarisch,
z. B. in Anekdotensammlungen, überlieferte.
Anelektrisch oder nichtelektrisch nannte man früher Körper, die, wenn sie ohne
isolierende Handhabe gerieben werden, nicht elektrisch erscheinen, wie z. B. die Metalle (s. Leiter).
Anemochórd (grch.), ein Klavierinstrument, dessen Saiten durch den Wind von Blasbälgen erklingen,
wurde 1789 von J. J. Schnell erfunden, der durch die Äolsharfe angeregt worden war. Das A. war besonders wegen des schmelzenden Klanges sehr
beliebt, aber nur für langsamen Vortrag geeignet. Kalkbrenner und Henri Herz (mit dem Piano éolien 1851) nahmen
sie wieder auf. ↔
Anemogrāph (grch.), ein Instrument zur selbstthätigen Aufzeichnung der Stärke und Richtung des
Windes (s. Windmeßapparate).
Anemolŏgie (grch.), Lehre von der Entstehung, Stärke, Richtung u.s.w. der
Winde (s. d. und Windmeßapparate).
Anemōne L.,
Anemone, Windblume, Windröschen,
Pflanzengattung aus der Familie der Ranunkulaceen (s. d.) mit gegen 70 Arten, vorzugsweise in der nördlichen gemäßigten Zone,
zum Teil bis in die arktischen Gegenden hinauf; perennierende krautartige Gewächse mit fiedrig verteilten oder gelappten Blättern und ansehnlichen,
meist lebhaft gefärbten Blüten. Man unterscheidet gewöhnlich drei Untergattungen: A.
Tourn., Pulsatilla (s. d.) und
Hepatica (s. d.), die sich voneinander durch die Form der Früchtchen und die Ausbildung des
Perigons unterscheiden. Sämtliche Arten haben einen einfachen Stengel, der meist nur eine, seltener zwei oder mehrere Blüten trägt und unterhalb des
oder der Blütenstiele mit einer aus drei Blättern bestehenden Hülle versehen ist. In Deutschland sind am häufigsten:
A. nemorosa L. (deren Kraut früher offizinell war) und
A. ranunculoides L., beide gehören zu den ersten Frühlingsblumen; die
erstere hat weiße oder rötliche, die letztere gelbe Blüten. Schon seltener findet sich die A. silvestris
L., mit großem gelblichweißen Perigon, die auch als Zierpflanze kultiviert wird. Am meisten kultiviert man die
Gartenanemone, A. coronaria L., aus
Südeuropa und dem Orient, eine sehr schöne, von den Arabern «Anahamen» genannte Pflanze mit großen, dunkelroten, blauen oder weißen Blumen,
von denen im Laufe der Zeit durch die Kunst der Gärtner sehr viele Spielarten entstanden sind. Sie gedeiht nur in frischem, lockerm, düngerreichem
Boden, und ihre Blumen vertragen weder Regen noch heftigen Wind. Der aus büschelförmig gruppierten Knollen zusammengesetzte Wurzelstock muß
nach dem Verblühen herausgenommen und bis zum nächsten Frühjahr trocken aufbewahrt werden. Die Vermehrung geschieht durch Wurzelzerteilung
oder durch Samen. Auf letzterm Wege erhält man zwar neue Spielarten, allein erst im zweiten Jahre blühende Exemplare.
A. japonica Sieb. ist eine sehr schöne japan. Staude mit großen
purpurroten Blumen, die in Deutschland vollkommen winterhart ist. Die Varietät Honorine Jobert mit reinweißen
Blumen liefert im Herbst ein sehr begehrtes Bouquetmaterial. Das frische Kraut der A. schmeckt brennend scharf
und verflüchtigt beim Zerreiben einen sehr scharfen, stechenden Stoff, der die Augen zu Thränen reizt. Deshalb sind die
A. schlechte Futterpflanzen und können sogar, wenn das Vieh sie in Menge frißt, Magen- und Darmentzündung
veranlassen und selbst den Tod herbeiführen. Mit dem brennend scharfen Safte von A. ranunculoides sollen die
Kamtschadalen ihre Pfeile vergiften, mit denen sie die Robben töten. Aus dem wässerigen Destillat des frischen Krautes der
A. setzen sich nach längerm Stehen Krystalle von Anemonin (s. d.) ab.
Anemonīn (Pulsatillenkampfer,
Anemoneum), ein giftiges, krystallisierendes Zersetzungsprodukt des
Anemonöls, welches man durch Destillation verschiedener Arten der Pflanzengattungen
Anemone und Ranunculus mit Wasser erhält. A. soll die Zusammensetzung
C15H12O6 besitzen.