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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Apollokerzen; Apollon

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Apollokerzen - Apollon

lagerungsmaschinen ist gedruckt in den "Veteres mathematici" (Par. 1693), vollständiger in der "Poliorcétique des Grecs" von Wescher (ebd. 1867).

Apollokerzen, s. Stearin.

Apollon (lat. Apollo) erscheint unter den Göttergestalten der griech. Mythologie als eine in ethischem Sinne besonders durchgebildete, und sein Kult hat namentlich in den dor. Staaten sehr viel zur Milderung der Sitten und zur Heilighaltung der staatlichen Ordnung beigetragen; doch ist A. nicht ein ursprünglich nur dorischer, sondern ein von allen griech. Stämmen verehrter Gott. Seiner ursprünglichen Naturbedeutung nach ist A. der Gott des Sonnenlichts, wie es deutlich in dem Beinamen, den er in der Homerischen Poesie gewöhnlich führt, Phoibos (d. h. der Leuchtende, Strahlende), sowie in den Beinamen Lykcios (s. d.), Aigletes (der Glänzende), Chrysokomas (der Goldhaarige) u. s. w. hervortritt. Daher heißt er der Sohn des Zeus und der Leto (s. d.), vielleicht einer Göttin des nächtlichen Dunkels, die in der systematischen griech. Mythologie, als die Mondgöttin Hera zur rechtmäßigen Gemahlin des Zeus geworden war, nur als Kebsfrau des Zeus erscheint. Der Mythus erzählt: Leto, von der Eifersucht der Hera, die allen Ländern und Inseln verboten hatte, die Verfolgte aufzunehmen, lange Zeit umhergetrieben, findet endlich auf Delos, das zu der Zeit noch als schwimmender Fels in der stürmisch bewegten Meeresflut umtrieb, eine Stätte und gebiert hier Zwillinge, den A. und die Artemis. Der neugeborene Gott ergreift alsbald Pfeil und Bogen, eilt über Meer und Länder hinweg und tötet mit seinen sichern Pfeilen den verderblichen Drachen Python (s. d.). So zeigt er sich gleich nach seiner Geburt als der Überwinder der dem Lichte und, wie dies dann im ethischen Sinne aufgefaßt wurde, der sittlichen Weltordnung feindlichen Mächte, und wird als Übelabwender, Retter durch eine Reihe von Beinamen (Alexikatos, Apotropaios, Epikurios, Sotēr u. ähnl.) bezeichnet. Demnach erscheint er in den Sagen auch als Rächer frevelhafter Überhebung der Menschen über die ihnen von der Gottheit gesetzten Schranken (der Hybris). So erlegt er mit Artemis den ungefügen Riesen Tityos, vernichtet samt den übrigen Göttern die Giganten, tötet wiederum in Gemeinschaft mit Artemis die Kinder der Niobe und sendet pestbringende Pfeile (die ursprünglich die verderblichen Wirkungen der allzu mächtigen Strahlen der Sonne bedeuten) in das Lager der Griechen vor Troja, weil Agamemnon seinen Priester Chryses beleidigt hat. Daher heißt er auch schon in den Homerischen Gedichten gewöhnlich der Ferntreffer (Hekatebolos) und der Gott mit dem silbernen Bogen (Argyrotoxos).

Die ursprüngliche Naturbedeutung des A. tritt noch deutlich im Kultus hervor, insofern alle seine Feste ausschließlich in die warme Jahreszeit fallen. So feierte man im Frühling zu Delos, Delphi, Ephesus u. s. w. heitere Feste, die entweder der Rückkehr des während des Winters in der Ferne weilenden Sonnengottes oder dessen Geburt und seinem Sieg über die dämonischen Gewalten des Winters galten. Die Seefahrer, Fischer und Kolonisten, die mit Sehnsucht den Frühling erwarteten, um ihre Fahrten Zu beginnen, pflegten ihn als Delphinios, d. i. als Eröffner der Seefahrt im Frühling, zu verehren. Dagegen sind die apollinischen Feste der heißen Jahreszeit (d. i. des eigentlichen Sommers und Herbstes) entweder Sühn- oder Erntefeste oder beides zugleich; man dachte sich nämlich in dieser Jahreszeit, in welche die Ernten fallen, aber auch infolge der Hitze epidemische Krankheiten ausbrachen, den A. entweder als eine wohlthätige Macht des Erntesegens und der Gesundheit, oder als einen verderblichen, durch Opfer und Gebete zu sühnenden Gott. Solche Feste waren die ion. Thargelien (s. d.), die lakonischen Hyakinthien (s. Hyakinthos) und Karneien (s. d.), die attischen Pyanepsien (s. d.) u. s. w. Als Sonnengott erscheint A. ferner in der Sage, nach welcher er dem Admetos (s. d.) als Knecht dienen mußte; denn Admetos (d. h. der "ungebändigte") ist der unüberwindliche Todesgott, und die Dienstbarkeit des Sonnengottes drückt die Machtlosigkeit der Sonne während des die Natur gleichsam in die Fesseln des Todes schmiedenden Winters aus. Endlich ist auch die Sage von den Hyperboreern (s. d.) aus der ursprünglichen Naturbedeutung des Lichtgottes zu erklären und damit das Symbol des ebenfalls im hohen Norden gedachten Greifs (s. d.) in Verbindung zu setzen.

Wenn A. bei Homer und in mehrern altertümlichen Kulten, z. B. zu Amyklä, auf dem Thornax in Lakonien, in Attika u. s. w. als Kriegsgott auftritt (Apollon Boedromios, Boathoos, Stratagios u. s. w.), so beruht diese Auffassung auf dem vielfach verbreiteten Gedanken, daß der Sonnengott ein streitbarer Held sei, der die feindlichen Dämonen des Winters und der Finsternis siegreich überwindet. Dieselbe Entwicklung läßt sich auch für den altitalischen Mars (s. d.) nachweisen.

Durch die mehr und mehr in den Vordergrund tretende geistige und ethische Auffassung der Gottheiten wurde der Gott des reinen Sonnenlichte zum Repräsentanten und Schützer aller Reinheit und Klarheit auf geistigem und sittlichem Gebiete, zum Urquell aller Bildung und alles Fortschritts in socialer wie polit. Beziehung. So erscheint er zunächst als Gott des Gesangs und des die Leidenschaften besänftigenden Kitharaspiels, daher ihm auch die Leier (Lyra, Kithara, Phorminx) als zweites Hauptattribut neben dem Bogen gegeben wird. Er führt (als Kitharaspieler) den Chor der Musen (Apollon Musagetes; s. Fig. 1, wahrscheinlich die Kopie einer Statue des Skopas, die später in dem palatinischen Apollotempel aufgestellt war) und verleiht die Gabe des Gesangs und der Dichtung. Als Gott der geistigen Erleuchtung ist A. auch der Gott der Weissagung, der Orakel erteilt, freilich oft nicht mit klaren Worten, sondern nur andeutend und mißverständlich, weshalb sein Beiname Loxias schon im Altertum von loxos, d.h. krumm, zweideutig, abgeleitet wurde. Viele seiner Heiligtümer waren zugleich berühmte Orakelstätten, wie vor allen das delphische, ferner das zu Abä in Phocis, zu Orobiä auf der Insel Euböa und ferner die Heiligtümer zu Didyma bei Milet (das sog. Heiligtum der Branchiden), zu

^[Fig. 1]