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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Atropin; Atropos; Atschin

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Atropin - Atschin

übermäßiger Thätigkeit des Organs, endlich von Zuständen gewisser Nerven, insbesondere derjenigen, welche man als trophische oder Ernährungsnerven zu bezeichnen pflegt. Zellen und aus Zellen entstehende Fasern sind die Elemente, aus welchen im wesentlichen alle Organe bestehen: an ihnen also wird sich auch die A. im einzelnen nachweisen lassen, wenn ein Organ im ganzen atrophiert ist. Im allgemeinen verrät sich die A. eines Organs dadurch, daß es kleiner, trockner, blutärmer, fester und minder leistungsfähig ist. Die A. ist indes nicht auf die normalen Teile des Organismus beschränkt, sondern kommt auch oft bei den krankhaften Neubildungen vor. (Über A. des ganzen Körpers s. Auszehrung, über die A. einzelner Organe s. Gehirnschwund, Leberkrankheiten, Muskelatrophie, Pädatrophie, Rückenmarksschwindsucht, Schrumpfnieren.)

Atropin, Daturin, Alkaloid von der Zusammensetzung C17H23NO3 ^[C_{17}H_{23}NO_{3}3], das sich in allen Teilen der Tollkirsche (s. Atropa.) und in den Samen des gemeinen Stechapfels (s. Datura) findet. Es wird aus diesen Pflanzen durch angesäuertes Wasser ausgezogen, die wässerige Lösung verdunstet, mit Natronlauge alkalisch gemacht und mit Äther ausgeschüttelt, welcher das A. aufnimmt. Das nach dem Verdunsten des Äthers hinterbleibende rohe A. wird durch Lösen in verdünnter Schwefelsäure, Behandeln der Lösung mit Tierkohle, Abscheiden mit Ammoniak und Umkrystallisieren aus Alkobol gereinigt. Es krystallisiert in seideglänzenden Nädelchen oder feinen Prismen, schmilzt ganz rein bei 114°, schmeckt unangenehm bitter und scharf, löst sich wenig in Wasser, leicht in Alkohol und dreht die Schwingungsebene des polarisierten Lichtes nach links. Die chem. Konstitution des A. ist fast völlig aufgeklärt. Es ist das Salz einer organischen, die Hydroxylgruppe enthaltenden Base, des Tropins, C8H15NO ^[C_{8}H_{15}NO], und einer den aromatischen Verbindungen angehörenden Säure, der Tropasäure, C9H10O3 ^[ C_{9}H_{10}O_{3}] = C6H5·CH(CH2OH)·COOH ^[C_{6}H_{5}·CH(CH_{2}OH)·COOH]. Das A. ist sehr giftig (s. Atropa) und wird in der Augenheilkunde vielfach verwendet, da es, in der geringsten Menge in das Auge gebracht, Erweiterung der Pupille sowie Lähmung des Accommodationsapparates bewirkt. In den Apotheken wird nur das schwefelsaure A. (Atropinum sulfuricum) als offizinell vorrätig gehalten. Dasselbe bildet weiße Krystalle und ist in Wasser löslich.

Atropos, eine der drei Moiren (s. d.). - A. ist auch Name des 273. Planetoiden.

Atschin, Atchin, richtiger Atjeh und Atjih, im Englischen Acheen, bis 1873 selbständiger Malaienstaat, jetzt Gouvernement des niederländ. Ostindiens, nimmt mit etwa 53000 qkm den nördlichsten Teil der hinterind. Insel Sumatra ein und reicht von dem nördlichsten Vorgebirge derselben, der Atjehspitze (engl. Acheen head), im W. bis zu 2° 53', im O. nur bis 4° 25' nördl. Br. A. besteht aus einer westl. und einer östl. Hälfte; erstere nimmt das Küstengebirge ein, welches sich an der südöstl. Seite der Insel entlang zieht und in dem sich hier unter 4° 17' nördl. Br. der Berg Abong bis zu 3139 m erhebt; der O. dagegen enthält bedeutende Strecken mehr wellenförmigen und selbst ganz flachen, niedrig gelegenen, für Gartenbau und Baumzucht sowie für Reisbau geeigneten Landes, die Fortsetzung der Alluvialebene Ostsumatras. Besonders wichtig ist die Pfefferkultur mit bedeutender Ausfuhr. Es giebt viele Küstenflüsse, die aber schmal, flach und nur mit leichten Prahmen auf kurze Strecken befahrbar sind. Über Fauna und Flora s. Sumatra; häufig kommt die Pfefferranke vor. Die Bevölkerung der Provinz wird auf 445000 Seelen geschätzt, darunter 242 Europäer. Die Hauptstadt A. oder Kota Radscha, 7 km vom Meere, ist fast ganz neu und schön aufgebaut und von Festungswerken eingeschlossen, die durch eine Militärbahn verbunden sind. Seit der niederländ. Besetzung blüht der Handel wieder auf.

Geschichte. Es dürfte kaum zweifelhaft sein, daß die Bevölkerung ursprünglich mit dem malaiischen Volksstamme der Batak (s. d.) gleichartig war, wie denn auch noch bis zu Anfang des 17. Jahrh, der ganze nördlich von dem Flusse Singkel unter 2° 17' nördl. Br. gelegene Teil von Sumatra, mit Einschluß von A., Tanna Batak, d. h. Land der Batak, genannt wurde. Aus den Batak aber in dem nördlichsten Teile dieses Landstrichs entwickelte sich zu Anfang des 13. Jahrh, durch ihre Vermengung mit fremden Volkselementen, durch den Handel und Verkehr mit andern Asiaten, namentlich auch Arabern, durch die Einführung des Islam und andere auf die ursprüngliche Lebensweise und den Volkscharakter verändernd einwirkende Verhältnisse die Bevölkerung des Reiches A., das von seiner Gründung 1205 bis in die neueste Zeit seine Unabhängigkeit zu bewahren gewußt hat und wesentlich aus Atschinesen und Malaien besteht, deren Zahl nicht genau bekannt ist. Die den Batak verwandten Mantir- und Gaju-Stämme sind ins Innere zurückgedrängt. Die gleichnamige Hauptstadt wurde eine der reichsten und blühendsten, von den Schiffen aller ostasiat. Handelsvölker viel besuchte Handelsstadt. Seit die Portugiesen unter Alvaro Talesso 1506 zuerst nach Sumatra kamen und 1509 daselbst an der Nordküste Niederlassungen gründeten, war der Beherrscher von A., Radscha Ibrahim, ihr erbittertster Feind, der sie 1523 auch von Sumatra vertrieb. Der Krieg gegen die Portugiesen dauerte fast ununterbrochen fort, bis diese 1641 von den Holländern mit Hilfe der Atschinesen aus Malaka vertrieben wurden. Durch den 1824 zwischen Holland und England geschlossenen Vertrag war Holland verpflichtet, auf Sumatra, nördlich von der Parallele von Singapur (1° 17' nördl. Br.), keine neuen Besitzungen zu gründen. Allein ein neuer Vertrag vom 24. Mai 1872 hob den frühern von 1824 auf, und Seeräubereien und Kränkungen der niederländ. Souveränität auf Sumatra durch A. gaben der Regierung zu Batavia Veranlassung, 26. März 1873 den Krieg zu erklären. Am 8. April landete eine Expedition bei der Stadt A., die jedoch tapfer verteidigt wurde, so daß sich die Holländer nach großen Verlusten 28. April zurückziehen mußten. Eine zweite, stärkere Expedition unter General van Swieten landete 11. Dez. 1873, rückte unter fast ununterbrochenen blutigen Kämpfen bis zum Kraton, der befestigten Residenz des Sultans von A., vor und nahm denselben 24. Jan. 1874. Doch blieb das ganze Innere des Reichs und viele Punkte an der Ostküste noch im Besitz des Sultans, und erst nach vielen Expeditionen, bei denen sich die Atschinesen mit größter Tapferkeit verteidigten, wie bei der Erstürmung von Lohong 30. April 1875, und auf niederländ. Seite besonders von den Generalen Pel und van der Heyden Tüchtiges geleistet wurde, schien der Widerstand der Atschinesen gebrochen. Man ging 1880 daran, das Land politisch zu organisieren; es wurde eine Provinz gebildet unter dem Namen «Atjeh und Zubehör» mit drei Distrikten.