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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Baden (Großherzogtum; Geschichte)

schon damals die Zuverlässigkeit der bad. Truppen zweifelhaft war, sich durch Truppen aus den Nachbarstaaten verstärkt. So scheiterte der Versuch erst zu Donaueschingen, hierauf in dem Zusammenstoß bei Kandern, wo der hervorragende Führer der bad. Truppen, die durch Bundestruppen verstärkt waren, Friedrich von Gagern, das Opfer seines auf den Anstand der Gegner vertrauenden Mutes ward (20. April), dann durch die Einnahme von Freiburg (24. April), dessen sich die Freischaren bemächtigt hatten, endlich in dem Gefecht bei Dossenbach, wo Herweghs Legion deutscher Arbeiter zersprengt wurde (27. April). Aber auch nach dem Mißlingen dieses Aufstandes trat keine dauernde Beruhigung ein, solange die deutschen Angelegenheiten nicht endgültig geregelt werden konnten. Die Regierung und die Kammern fuhren fort, neue Organisationen vorzubereiten und eine Reihe von Gesetzen zu vereinbaren, welche die Verwaltung, das Gerichtswesen u. s. w. in demokratischem Sinne umgestalteten. Ein zweiter Aufstandsversuch, den Struve an der Schweizergrenze machte (21. Sept.), wurde von den bad. Truppen bei Staufen (24. Sept.) niedergeschlagen, wobei Struve selbst gefangen ward; aber die rührige Thätigkeit der radikalen Partei, die Schwäche der Regierung und die Energielosigkeit der Gemäßigten vereitelten jeden dauernden Erfolg.

Inzwischen waren mit der Vollendung der Reichsverfassung vom 28. März 1849 die deutschen Angelegenheiten in ihre Krisis getreten. Die bad. Regierung wie die Zweite Kammer hatten sich von Anfang an auf seiten der Deutschen Nationalversammlung gehalten. Der Großherzog erklärte sich zuerst (Jan. 1849) zu Opfern für die nationale Sache bereit, und als die Verfassung mit dem Bundesstaat und dem preuß. Kaisertum fertig war, gab wieder B. das Beispiel der freiwilligen Anerkennung und Unterordnung unter dieselbe. Selbst als Preußen die Krone und die Verfassung ablehnte, blieb B. bei der Verfassung vom 28. März. Dann erfolgte der Bruch zwischen Preußen und dem Deutschen Parlament; die Bewegungen für die Reichsverfassung schlugen an der Elbe wie am Rhein in offene Aufstände um; alle revolutionären Elemente im In- und Auslande rüsteten sich seit Anfang Mai zu einer gewaltsamen Entscheidung. Unter den bad. Truppen, besonders in Rastatt, brachen Meutereien aus; aber überall (in Lörrach, Freiburg, Bruchsal, Karlsruhe) gärte es fast gleichzeitig. Unter dem Eindrucke dieser Ereignisse gewann die revolutionäre Bewegung rasch weitere Verbreitung. Ein Landesausschuß, bestehend aus den Führern der demokratischen Klubs, nahm die Leitung der Revolution in die Hand. Inzwischen hatte ein auch in Karlsruhe ausgebrochener Soldatenaufstand in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai den Hof und das Ministerium veranlaßt, die Residenz zu verlassen und sich über Germersheim nach Lauterburg im Elsaß zu flüchten. So gelangte die revolutionäre Partei ohne Kampf in Besitz der Regierungsgewalt; eine aus dem Landesausschuß hervorgegangene Exekutivkommission (Brentano, Gögg, Peter, Eichfeld) trat an die Stelle der verschiedenen Ministerien.

Der Großherzog hatte unterdessen Preußen um Hilfe gebeten, da die Reichsgewalt nicht im stande war, hinlängliche Truppenmassen aufzubieten; bald zogen sich um B. unter dem Oberbefehl des Prinzen Wilhelm von Preußen Streitkräfte zusammen, die hinreichend waren, den Aufstand zu erdrücken. Die Berufung Mieroslawskis an die Spitze der Revolutionsarmee konnte bei dem Zwiespalt der Führer der Volkspartei und der Unthätigkeit der Bevölkerung wenig helfen, obwohl derselbe mehr Zusammenhang in die Truppen und mehr Einheit in die strategischen Bewegungen zu bringen wußte. So verteidigte er 15. und 16. Juni die Neckarlinie gegen die Reichsarmee, konnte aber nicht hindern, daß indessen die Pfalz von den Preußen besetzt und am 20. bei Germersheim von diesen der Rhein überschritten ward. Er versuchte mit Übermacht bei Waghäusel eine der übergegangenen preuß. Kolonnen (21. Juni) zu schlagen, warf sie auch nach Philippsburg zurück, stieß aber am Nachmittag auf eine andere Division, die nach kurzem Kampfe der Revolutionsarmee eine völlige Niederlage beibrachte. Inzwischen war der preuß. General Peucker mit der Reichsarmee durch den Odenwald nach dem obern Neckar vorgerückt, doch entkam ihm die flüchtige Armee bei Sinsheim; die preuß. Division unter Groben hatte den untern Neckar überschritten. Am 25. zogen die Preußen in Karlsruhe ein, 29. und 30. Juni wurde nach lebhaftem Kampfe die Murglinie von der Volksarmee verlassen. Am 10. und 11. Juli zogen die letzten flüchtigen Kolonnen nach der Schweiz; am 23. wurde Rastatt übergeben.

Unterdessen hatte der Großherzog noch während des Aufenthalts im Auslande das Ministerium Bekk entlassen und Klüver, Marschall, Regenauer, Stabel, Roggenbach zur Verwaltung berufen. Das erste traurige Geschäft der neuen Regierung war, den Kriegszustand im Lande zu verkündigen, die am meisten Beteiligten vor Standgerichte zu stellen und den Riesenprozeß gegen die Urheber und Teilnehmer der Revolution einzuleiten. Etwa 40 standgerichtliche Todesurteile wurden ausgesprochen und vollzogen. Die Mitglieder des Restaurationsministeriums besaßen indessen Besonnenheit genug, der Aufhebung der Verfassung zu widerstehen. Bald erholte sich das Land von den Wunden, die ihm die Revolution und ihre Nachwehen geschlagen. Am 18. Aug. 1849 war Großherzog Leopold nach B. zurückgekehrt; am 6. März 1850 traten die Kammern wieder zusammen, nach dem unveränderten Wahlgesetze ergänzt. Mit ihnen vereinbarte die Regierung eine Reihe von Gesetzen, die die Gemeindeordnung, das Strafgesetz, die Prozeßordnung, die Preßpolizei, das Vereinswesen u. s. w. betrafen und der Regierung größern Einfluß sicherten.

3) Unter Friedrich bis 7. April 1860. Großherzog Leopold starb 24. April 1852. Ihm folgte in der Regierung sein zweiter Sohn Friedrich (s. d.), den er schon am 21. Febr. 1852 mit seiner Vertretung beauftragt hatte, da der älteste, der Erbgroßherzog Ludwig, durch schwere leibliche und geistige Erkrankung an der Thronfolge behindert war. Den nächsten Anstoß zu einer freiheitlichen Wendung der Dinge nach mehrjähriger, wenn auch milder Reaktionszeit gab der bald nach der Thronbesteigung Friedrichs ausgebrochene Kirchenstreit. Mit Württemberg, den beiden Hessen, Nassau und Frankfurt zusammen bildet B. die sog. Oberrheinische Kirchenprovinz, an deren Spitze der Erzbischof von Freiburg steht. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche war hier durch frühere Vereinbarungen mit dem päpstl. Stuhle und durch eine gleichlautende landesherrliche Verordnung, die jene Staaten 1830 erlassen hatten, fast gleichförmig geregelt. In B. zumal, dessen Bevölkerung zu zwei Dritt-^[folgende Seite]