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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Buchdruckerkunst

rend Deutschland im 18. Jahrh. etwa 434 Druckorte zählte, befanden sich 1855 in 818 Städten 2565 Buch- und Steindruckereien, 1880 in 1668 Städten fast 6000, 1890 in 1891 Städten 6530 mit 36612 Buchdruckergehilfen. (S. auch Deutschland und Deutsches Reich.) Ähnlich vermehrten sich die Buchdruckereien in allen europ. Ländern. Polygraphische Anstalten sind entstanden, die alles, was zur Erzeugung eines Buches gehört, vereinigen.

Allerdings hat an dieser Vermehrung die Verbesserung der Werkzeuge und die infolgedessen eingetretene Wohlfeilheit des Drucks einen großen Anteil. Durch Jacobis Entdeckung der Galvanoplastik (1837) erhielten die Schriftgießer die Möglichkeit, von einfachen Bleibuchstaben kupferne Matrizen zu erzeugen. An Stelle des Handgusses trat die zuerst von Wing und White 1805 ins Leben gerufene Gießmaschine, welche von Bruce 1838 leistungsfähig gemacht und von Kisch in Berlin wesentlich verbessert wurde; sie gießt jetzt täglich 12‒20000 Buchstaben. Die von Johnson erbaute und von Hepburn verbesserte Komplettgießmaschine gießt, schleift und macht etwa 40000 Lettern pro Tag vollkommen fertig. Die Gipsstereotypie wurde von Lord Stanhope (1804) zur Vollendung gebracht, in neuerer Zeit aber durch die von Genoux zu Lyon 1829 erfundene einfachere Papierstereotypie verdrängt, welche in Zeit von einer Viertelstunde gebogene Platten für die Rotationspresse liefert. Zugleich wurde die Galvanoplastik zum Verkupfern oder Verstählen von Stereotypplatten verwendet, um denselben eine unverwüstliche Dauer zu geben. Die Setzmaschinen, welche die Leistungsfähigkeit des Setzers ebenso vermehren sollten wie die Gießmaschine die des Gießers, sind zwar bisher noch nicht so exakt hergestellt worden, um alle Stockungen zu vermeiden, doch sind bereits solche Erfolge erreicht worden, daß der Glaube an die Möglichkeit der Durchführung vorhanden ist. Die Verbesserung des Druckverfahrens fand ihre Einleitung mit der von Robert zu Essonne 1799 erfundenen Papiermaschine, welche das Papier nicht bloß billiger und schneller, sondern auch in sog. endloser Form, d. h. in Rollen von vielen Metern Länge und beliebiger Breite liefert. Lord Stanhope erbaute 1800 die erste eiserne Presse, welche ermöglichte, den Druck eines ganzen Bogens statt wie bisher mit zweimaligem Druck auf einmal auszuführen; zugleich gestattete dieselbe einen schönern Druck. Bald erfolgten neue und bessere Konstruktionen derselben von Clymer (Columbiapresse) 1810, Cogger 1820, Hoffmann 1826, Cope 1830, Hagar (Kniepresse), Rüst (Washingtonpresse) und Löser in Wien 1840. In gleicher Zeit war der Ballen zum Auftragen der Farbe durch elastische Walzen ersetzt worden, welche die Farbe schneller und gleichmäßig auf die Schrift verteilen. Von größerer Tragweite war die von König erfundene und 1810 zuerst in England zur Verwendung gekommene Dampfdruckpresse. Am 29. Nov. 1814 konnten die «Times» ihren Lesern verkünden, daß sie ohne Hilfe von Menschenhänden auf einer solchen Maschine gedruckt seien, welche in der Stunde 1100 Bogen liefere. Die Leistungsfähigkeit wurde durch spätere Verbesserungen Königs auf 2000 Bogen erhöht. König, welcher 1817 England verlassen und im Kloster Oberzell bei Würzburg eine Maschinenfabrik errichtet hatte, lieferte nun in rascher Folge solche Schnellpressen für Berlin (Spener, Decker), Augsburg

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(Cotta), Hamburg, Kopenhagen, Stuttgart, Leipzig (Brockhaus) u. s. w., teils mit Dampf-, teils mit Handbetrieb. Die Schnellpresse (s. d.) wurde später weiter vervollkommnet und auch für mehrfarbigen Druck eingerichtet. Hansen erfand den Selbstausleger; Auers Versuch, den Einleger zu ersparen und von endlosem Papier zu drucken, erhielt erst eine praktische Anwendung, als Hoe an Stelle des ebenen Fundaments die Typenform auf den Cylinder spannte und die Typenumdrehungsmaschine baute, aus welcher der Eigentümer der «Times» die Rotationsmaschine entwickelte, die stündlich 12000 zweiseitig, also komplett gedruckte Bogen liefert. Mit der Maschine wurden noch Selbstfeuchter für das Papier und Falzmaschinen verbunden, sodaß zur ganzen Manipulation des Druckens und Falzens nur die Aufsicht des Maschinenmeisters notwendig ist. In der neuern Zeit wurde die Rotationsmaschine auch für feinen Werk- und Illustrationsdruck eingerichtet. Wurden auf diese Weise keine Kosten gescheut, um die möglichste Leistungsfähigkeit der Druckapparate zu erzielen, so bauten andererseits die Amerikaner kleine Maschinen, welche nur einige hundert Thaler kosten und einem Arbeiter ermöglichen, 600‒1200 saubere Drucke per Stunde zu liefern. Diese Pressen, welche Tretpressen heißen, weil sie durch einen Fußtritt in Bewegung gesetzt werden, haben sich schnell allgemein verbreitet: Buchbinder und Papierhändler errichteten mit ihnen kleine Druckereien für den Druck von Accidenzarbeiten (Formulare, Rechnungen u. dgl.), aber auch größere Druckereien verwenden sie in gleicher Weise.

Die Folge der Verbesserung der Werkzeuge sind schöne Lettern und klarer Druck. War es in frühern Zeiten bei mangelhaften Werkzeugen eine Kunst, gut zu drucken, so ist gegenwärtig ein reiner Druck eine selbstverständliche Sache. Die Stempelschneider können den Typen die feinsten Formen geben, da sie erwarten dürfen, daß dieselben im Druck so rein wie in Stahl erscheinen werden. Walbaum verbesserte die Fraktur; seine Schrift, obwohl nicht mehr in Gebrauch, legte den Grund zur jetzigen Eleganz der Fraktur (s. Probe 12). Die franz. Regierung

^[Abb.: 12. Walbaumsche Fraktur (Brockhaus).]

ließ nach Zeichnungen, welche von den tüchtigsten Stempelschneidern und Gelehrten begutachtet wurden, eine neue Antiqua und Kursive 1825‒32 herstellen, welche die jetzigen gleichmäßigen Formen dieser Schrift begründeten; Genzsch und Heyse in Hamburg riefen die Mediäval ins Leben. Neben den sog. Brotschriften (s. d.) wurden Auszeichnungsschriften geschaffen, welche von England ausgehend bald in allen Ländern nachgeschnitten wurden; hieran reihte sich eine Unzahl Zierschriften, Schreibschriften, welche zuerst Didot in wunderbarer Schönheit ausführte, und Einfassungen, welche insbesondere durch die geniale Schöpfungskraft Derrieys die reizendsten Gebilde in den Buchdruck einführten und welche geschmackvoll zusammenzustellen eine Kunst des Satzes erfordert, von der man früher keine Vorstellung hatte.

Zu denjenigen, welche in neuerer Zeit an dem Triumphe der Typographie mitgewirkt haben, ge- ^[folgende Seite]