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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Burg (Befestigungswerk)

der Zwickauer Mulde gelegene Rochsburg in Sachsen (s. Taf. I, Fig. 6).

Die Hofburgen erlangten unter Umständen, namentlich wenn sie zu ständigem Sitz größerer Fürsten bestimmt waren, sehr bedeutende Ausdehnung. Von den Gebäuden dieser B. sind Palas und Hauptturm die wichtigsten. Der meist nicht oder nur nach der Außenseite befestigte Palas, welcher gewöhnlich die eine Seite des Hofs einnimmt und in den Wohnsitzen mächtigerer Fürsten oft großen Raum bietet, hatte meist zwei Stockwerke. Das gewölbte Erdgeschoß enthielt Vorratskammern, Bier- und Weinkeller u. dgl. Darüber befand sich der eigentliche Saal oder Palas, welcher zum täglichen geselligen Verkehr und zur Abhaltung von Festen bestimmt war. Eine Freitreppe (die Grede) führte aus dem Hofe zu ihm hinauf; mehrere, oft reichgeschmückte und von den Burgherren selbst bewohnte Gemächer (Kemenaten) standen mit ihm in unmittelbarer Verbindung. Die Palas mehrerer Hofburgen aus dem frühen Mittelalter haben sich erhalten. Als Beispiele seien erwähnt das Kaiserhaus zu Goslar (s. Taf. II, Fig. 1) aus dem 12. Jahrh., das Landgrafenhaus auf der Wartburg (s. Taf. II, Fig. 4) aus derselben Zeit, die B. Dankwarderode zu Braunschweig, die Kaiserburg zu Gelnhausen, der Reichenstein bei St. Goarshausen, die B. zu Eger, Nürnberg, Wimpfen am Berg u. a. Nach der ältern, strengern Sitte war den Frauen der freie Zutritt zum Palas nicht gestattet; sie bewohnten meist ein eigenes Gebäude des Burghofs, das, vorzugsweise die Kemenate genannt, wenigstens drei Abteilungen hatte, eine für die Herrin nebst den nächsten weiblichen Angehörigen, eine für die Dienerinnen und eine dritte (das Gaden), wo die letztern weibliche Arbeiten verrichteten. Außer der Küche und mancherlei Vorratshäusern besaß jede größere B. eine Kapelle, und zwar zumeist von zweigeschossiger Anlage (Doppelkapellen, s. d.). Der Burghof umfaßte häufig einen kleinen Rasenplatz mit einer oder einigen Linden, denen zunächst sich gewöhnlich der Brunnen befand. Die Verteilung dieser Gebäude in dem Burgraume war vom vorhandenen Platze abhängig, Anzahl, Größe, Ausschmückung von Macht und Reichtum des Burgherrn. In vielen Fällen gestaltete die B. sich nach und nach zur Stadt aus, indem die Flächen zwischen den äußern Ummauerungen (Burgfreiheit) von Hintersassen bebaut und nach Bedürfnis weitere Gebiete wieder mit Mauern umgeben wurden. Diese umfangreichen von Landes- oder Kirchenfürsten geschaffenen Anlagen hat leider der Baueifer späterer Zeiten am meisten beeinträchtigt. Doch lassen sich großartige Anlagen, wie die B. zu Halle, zu Braunschweig, zu Freising, in ihren Hauptteilen noch deutlich erkennen. Sie umfassen zum Teil großartige Kirchenbauten. Trefflich erhalten ist die B. zu Meißen (s. Taf. II, Fig. 6 u. 7), in welcher neben dem seit 1471 von Arnold von Westfalen erbauten, schon schloßartigen Palas (der Albrechtsburg, A) sich der mit seinen ältesten Teilen bis ins 13. Jahrh. zurückreichende Dom B, das Bischofsschloß C, die Domherrenhöfe D, E bis T befanden, während H den Thorturm, I das Kornhaus darstellt. M ist der Brunnen, G, K und L sind moderne Anlagen und zwar ein Gasthaus, eine offene Halle und ein Denkmal Herzog Albrechts. Dem besondern Zwecke der mönchisch-ritterlichen Gemeinschaft entsprechend sind die B. des preuß. Ordenslandes gestaltet, wo die Ordensritter im 13. und 14. Jahrh. die in Syrien und Palästina gesammelten Erfahrungen für den Burgenbau zu verwerten begannen. Es bestehen diese B. aus mächtigen meist rechtwinkligen Baumassen, deren Ecken meist durch kleine und einen großen Turm (Dansker) flankiert werden. In dem Hause befindet sich der Kapitelsaal, der Remter (Speisesaal), die Kapelle. Solche Ordensburgen finden sich in Golub (etwa 1300), Thorn, Lochstett (1266), Graudenz (1250); berühmt ist namentlich die großartige Marienburg (s. Taf. II, Fig. 2 u. 3). Diese besteht aus einem palastartigen, um einen Brunnenhof geschlossenen, seit 1280 errichteten Hochschloß A, an welches sich einerseits die Kapelle, andererseits ein die Wasserzufuhr beherrschender, durch eine Brücke verbundener Turm anschließt, und dem Mittelschloß B, welches die vielgestaltigen Wohnräume, den Remter und die andern Festsäle beherbergt. Zum ausgedehnten Hofe dieses Bauteils gelangt man von dem Wirtschaftshofe wieder über eine Brücke.

Die geschichtliche Entwicklung des Burgenbaues ist noch nicht in allen Teilen aufgeklärt. Während des frühern Mittelalters entwickelte er sich vorzugsweise an den noch bestehenden röm. Bauresten. Er erlangte dann während der Kreuzzüge eine glänzende Entfaltung. Die B. jener Länder, in welchen der Kampf mit den Mohammedanern am erbittertsten geführt wurde, so Syrien, Palästina, Spanien und an diese sich anschließend die normannischen B. in Italien und England, die des südl. Frankreich und jene der preuß. Ordensritter, zeichnen sich durch planmäßige, militärisch wohlerwogene Anlage aus. In Deutschland verfiel der Burgenbau nach dem Niedergang der großen Fürstengeschlechter, welche auch hier bedeutende, wenn auch fortifikatorisch selten gleich durchbildete Anlagen geschaffen hatten. Es ist daher unberechtigt, von der Größe und Stärke der B. auf ihr Alter zu schließen. Das 12. und 13. Jahrh., in welchem der kleinere Adel vorzugsweise B. baute, brachte die wenig größern Anlagen zu stande; die von Kaiser Karl IV. erbaute Karlsburg bei Prag ist durch südfranz. Architekten errichtet. Erst mit dem Erstarken der Fürstengewalt gegen Ende des 15. Jahrh. beginnt wieder der Bau großer Anlagen, sinken aber die kleinern zu Raubschlössern (Raubritterburgen) herab, die sowohl von den Fürsten als von den wehrkräftigen Städten in großer Zahl zerstört wurden. Die Einführung der Schießwaffen brach vollends ihre frühere Unüberwindlichkeit. Zwar wurde vielfach versucht, sie mit neuern Befestigungswerken zu umgeben und der Landesverteidigung dienstbar zu machen; aber der Dreißigjährige Krieg erwies sie als unhaltbar und machte die städtische Festung zum Stützpunkt der Heere. Seitdem sind die B. fast überall verlassen und verfallen, bis zu Anfang dieses Jahrhunderts die Romantik sich für ihre Erhaltung zu bemühen begann. Von besonderer Bedeutung für die nun vielfach beginnende Restaurierung der B. war jene der Wartburg (durch Ritgen), des Stolzenfels (von Schinkel), des Schlosses Hohenzollern (durch Stüler), des Schlosses Hunyad (durch Schmidt), der Marienburg (durch Steinbrecht), der Albrechtsburg, Karlsburg u. a. In neuerer Zeit hat man vielfach aus romantischer Neigung neue B. und burgartige Landhäuser gebaut, so schon im vorigen Jahrhundert die Löwenburg bei Cassel, 1801 die Franzensburg bei Laxenburg in Österreich, 1842 Schloß Lichten-^[folgende Seite]