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Chéruel – Cherville
principessa» und «Giulio Sabino» schrieb. 1786 wurde Paris C.s zweite Heimat, von wo aus er 1787 abermals nach London und dann nach Turin ging. Hier hatte seine «Ifigenia in Aulide», deren Kompositionsart einen bemerkenswerten Einfluß Haydns und Mozarts zeigte, großen Erfolg. C.s erste franz. Oper, «Démophon» (1788), machte kein Glück. 1789‒92 war er bei der neuerrichteten Italienischen Oper in Paris musikalischer Regisseur und Komponist, 1795 Inspektor am Konservatorium. 1791 erschien «Lodoiska», eine Oper, die eine gänzliche Umwandlung seines dramat. Stils bekundete, ungemeinen Beifall fand und so mächtig wirkte, daß fast alle bessern damaligen franz. Opernkomponisten der neuen Stilart nachstrebten. C. selbst veröffentlichte, auf der eingeschlagenen Bahn fortschreitend, an bedeutenden dramat. Werken: 1795 «Elisa, ou le mont St. Bernard», 1797 «Médée» (eine seiner besten Opern), 1798 «L’hôtellerie portugaise» (neu hg. von Kleinmichel), 1799 «La punition», 1800 «Les deux journées» («Der Wasserträger», seine populärste Oper), 1803 «Anacréon, ou l’amour fugitif», 1804 das große Ballett «Achille à Seyros». Nach Wien berufen, brachte C. die Opern «Faniska» (Anfang 1806), die mehr die Bewunderung der Kenner als die Gunst des Publikums erhielt, «Pimmaglione» (1809), «Le Crescendo» (1810) und «Les Abencérages» (1813) zur Aufführung. So hochgeehrt auch sein Name in der Musikwelt war, blieb doch die äußere Lage C.s eine wenig glänzende, da seine Inspektorstelle am Konservatorium nur gering dotiert war und er noch dazu wegen freimütiger Äußerungen dem Kaiser Napoleon Ⅰ. gegenüber sich dessen Ungnade zugezogen hatte. Infolge seiner gedrückten Lage verließ er sogar 1808 Paris und lebte einige Zeit zurückgezogen beim Prinzen von Chimay. Hier widmete er sich vorzugsweise der Kirchenmusik, der er seinen Hauptruhm verdanken sollte. Nach der Restauration der Bourbons verbesserte sich allmählich seine Stellung; er wurde 1816 Oberintendant der königl. Kapelle, für die er eine große Anzahl von kirchlichen Tonstücken schrieb, darunter die prächtigen Messen und das herrliche Requiem in C-moll. In demselben Jahre erfolgte auch seine Ernennung zum Kompositionsprofessor am Konservatorium, und 1822 erhielt er das Direktorat diesem Instituts, das er zu einer Musteranstalt für ganz Europa erhob. Für dasselbe schrieb er ausgezeichnete Gesangübungen und den weitverbreiteten «Cours de contrepoint» (Par. 1835; deutsch von Stöpel, Lpz. 1835). Auf der Bühne hatte er sich seit 1813 nur in einigen, in Gemeinschaft mit andern komponierten Gelegenheitsopern («Bayard», «Blanche de Provence») vernehmen lassen. 1833 kam seine letzte, jugendfrische Oper «Ali-Baba» in der Großen Oper ohne Erfolg zur Aufführung. Er starb 15. März 1842 in Paris. C. schloß sich namentlich seit der «Lodoiska» mit Bewußtsein den Bestrebungen der Deutschen Schule an und ist kaum mehr den ital. Tonsetzern beizuzählen. Der üppig-weichen Melodik seiner Landsleute abgeneigt, wendete er sich der reichern harmonischen und thematischen Entwicklung sowie der bedeutsamern Charakterisierung der großen Meister der Wiener Schule zu. Unterstützt wurde er dabei durch seine tiefe und umfassende musikalische Bildung und den hohen Adel seiner Gesinnung. – C.s Leben ist seit 1809 deutsch, französisch, italienisch, englisch achtmal beschrieben worden; zuletzt von Bellasis, C. Memorials illustrative of his life (Lond. 1874).
Chéruel (spr. scherüéll), Pierre Adolphe, franz. Historiker, geb. 17. Jan. 1809 zu Rouen, studierte auf der Pariser Normalschule, wurde Lehrer der Geschichte in Rouen, 1849 an der Normalschule, 1866 Generalinspektor des öffentlichen Unterrichts und Rektor der Akademie in Straßburg und bekleidete später das Rektorat in Poitiers (bis 1874). Er starb 1. Mai 1891 zu Paris. C. schrieb u. a. die durch Gründlichkeit, quellenmäßige Darstellung, gutes Urteil und gefälligen Stil ausgezeichneten Werke: «Histoire de l’administration monarchique en France depuis l’avénement ^[erst nach der Rechtschreibreform von 1878: avènement] de Philippe Auguste jusqu’à la mort de Louis ⅩⅣ» (2 Bde., 1855), «Dictionnaire historique des institutions, mœurs et coutumes de la France» (2 Bde., 1855; 6. Aufl., 2 Bde., 1884), «Mémoires sur la vie publique et privée de Fouqet» (2 Bde., 1864), «Histoire de France pendant la minorité de Louis ⅩⅣ» (4 Bde., 1879‒80), «Histoire de France sous le ministère de Mazarin» (3 Bde., 1882‒83). Auch gab C. mehrere wertvolle Texte aus dem 17. Jahrh. heraus, wie «Journal d’Olivier Lefèvre d’Ormesson» (2 Bde., 1860‒62), «Mémoires de Mademoiselle de Montpensier» (4 Bde., 1858‒59; neue Aufl. 1866‒69) und «Mémoirs du duc de Saint-Simon» (20 Bde., 1856‒58; neue Ausg., mit Reignier, 1873‒77).
Cherusker, deutscher Volksstamm, dessen Cäsar zuerst gedenkt. Der Wald Bacenis (wahrscheinlich der westl. Teil des Thüringerwaldes) bildete ihre südl. Grenze; gegen NO. wohnten sie bis über die Aller gegen die Elbe hin, gegen NW. wurden sie durch die Angrivarier an der Weser von den Chauken geschieden; im SW., wo sie eine Strecke Land auf dem linken Weserufer innehatten, trafen sie mit den Chamaven und Katten zusammen. Der erste Römer, der ihr Gebiet durchzog, war Nero Claudius Drusus, als er 9 v. Chr. bis an die Elbe vordrang. Der Abhängigkeit von den Römern ward durch Arminius (s. d.) ein Ende gemacht, der sich mit Katten, Marsen und Bructerern verband, 9 n. Chr. am Teutoburgerwalde die röm. Legionen unter Quinctilius Varus vertilgte und sich dann auch den Feldzügen des Germanicus gegenüber (15 u. 16 n. Chr.) behauptete. In dem Kriege zwischen Armin und dem Markomannenkönige Marbod 17 n. Chr. trat ein Teil der C. unter Armins Oheim Inguiomer auf Marbods Seite, und Armins Ermordung 20 n. Chr. war nur ein Akt von den innern Kämpfen, in denen der ganze Adel der C. unterging, sodaß die C. Italicus, einen in Rom lebenden Sohn von Armins Bruder, durch eine Gesandtschaft zu sich riefen, um ihm die Königswürde zu übertragen. Seitdem sind die C. nicht wieder hervorgetreten und gingen im 3. Jahrh. in dem neu sich bildenden Stamme der Sachsen auf; nur noch Anfang des 4. Jahrh. werden sie unter den Völkern, die sich gegen Konstantin verbündeten, und gegen Ende des Jahrhunderts von dem Dichter Claudian erwähnt.
Cherville (spr. schärwíl), Gaspard Georges, Marquis de, franz. Schriftsteller, geb. 11. Dez. 1821 zu Chartres, war lange Zeit ein eifriger Mitarbeiter des ältern Dumas, wandte sich aber später vornehmlich der Jagdlitteratur zu und erwarb sich auf diesem Gebiete einen bedeutenden Ruf. 1862 erschien sein erstes selbständiges Werk: «Les aventures d’un chien de chasse» (2. Aufl. 1882). Er leitete die
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